Schule geschlossen bis September? Im Gastkommentar erklärt der frühere Neos-Chef Matthias Strolz, warum das keine akzeptable Option ist.

Schule zu Hause stellt Eltern derzeit vor Herausforderungen.
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Wie lange sollen die Schulen noch geschlossen sein? Im Raum steht, die Schulen vor der Sommerpause gar nicht mehr zu öffnen. Eine Sperre bis 7. September scheint mir als Vater und politisch interessiertem Bürger jedoch keine akzeptable Option. Wenn die Infektionszahlen es irgendwie hergeben, braucht es in der zweiten Maihälfte eine schrittweise Öffnung. Es geht nicht um "ganz oder gar nicht". Dazu einige Überlegungen:

· Eine Vollöffnung im Mai wird aufgrund der aktuellen Infektionsdynamik kaum möglich sein. Daher empfiehlt sich eine Teilung der Klassen: zwei Tage die eine Hälfte, dann die andere, 1,5 Meter Abstand in den Klassen, Gesichtsmasken, Pausengestaltung kontrolliert.

Kein Wilder Westen

· So eine Öffnung im Mai nicht möglich ist, braucht es Anfang Juni einen Boxenstopp von ein paar Tagen, um alle Schülerinnen und Schüler auf einen Stand zu holen und gemeinsam die Folgewochen zu planen.

· Ich bin ein großer Fan von Freiheit und Verantwortung für die Lehrerinnen und Lehrer. Doch dies braucht einen Qualitätsrahmen. Hier muss das Ministerium bis Ostern klarer werden und einen verbindlichen Rahmen definieren. Wir sind nicht im Wilden Westen.

Keine Raketenwissenschaft

· Wir dürfen nicht zulassen, dass wir in Brennpunktschulen rund 20 Prozent der Kinder verlieren – hier besteht derzeit kein Kontakt zwischen Kindern/Eltern und Lehrpersonal. Das muss akut mittels Notfallplans behoben werden.

· Wir brauchen Unterstützung für jene, die keinen Laptop und Drucker zu Hause haben. Das ist keine Raketenwissenschaft, sondern einfaches Projektmanagement: Die öffentliche Hand hat die Ausstattung zu gewährleisten, sonst werden wir Kinder auf dem Weg verlieren. Das wäre "Flügel brechen" statt "Flügel heben" – menschliche Tragödien und volkswirtschaftlicher Schwachsinn.

Schule neu erfinden

Wir können Schule ein Stück weit neu erfinden in diesen Monaten. Manches davon ist schon beherzt unterwegs. Mit dem entsprechenden Willen, mit Kreativität und Professionalität kann hier Gutes wachsen.

Ja, es geht in der Corona-Krise um Menschenleben. So, wie es ausschaut, brauchen wir eine kontrollierte "Durchseuchung" auf 60 bis 70 Prozent, damit wir "Herdenschutz" erreichen. Das spricht für eine "atmende Öffnung" von Teilbereichen unserer Gesellschaft voraussichtlich ab Mai – stets entlang der Maßgabe, dass das Gesundheitssystem nicht kippt. Wir müssen weg vom "Krieg gegen Corona", hin zu einem "Leben mit Corona". (Matthias Strolz, 31.3.2020)