Der Run auf WC-Papier ist vorbei, nun stehen Einkaufszentren teilweise leer.

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Wien/Berlin – Zwei Wochen nach Verhängung des Betretungsverbots über einen Großteil der Geschäftslokale und Läden in Österreich wird es ernst für die Immobilienvermieter. Handelskonzerne und Geschäftsinhaber beginnen, die Mieten nicht mehr zu zahlen oder zumindest den Hauptmietzins herabzusetzen. Die Drogeriemarktkette DM habe ihren Vermietern in Aussicht gestellt, weniger Miete zu zahlen, berichtet ein Wiener Hausverwalter dem STANDARD. Die Umsätze seien in den Tagen und Wochen der Ausgangsbeschränkungen massiv rückläufig, so die Begründung für Mietzinsreduktion für die knapp 390 Filialen.

"Gemeinsam mit den Vermietern"

DM bestreitet auf Anfrage, Druck in Richtung Mietnachlässe auszüben. Man räumt allerdings ein, "mit allen Vermietern das Gespräch und standort-individuelle, partnerschaftliche Lösungen" zu suchen. Schließlich sitze man mit den Vermietern "ja im gleichen Boot". Die Frequenz in Einkaufszentren sei um bis zu 80 Prozent gesunken, 175 Friseurstudios, 110 Kosmetikstudios sowie die "Gesunde Pause Frischetheken" wurden behördlich geschlossen, betonte DM-Sprecher Stefan Ornig, in den betroffenen Filialen stünden bis zu 17 Prozent der Gesamtfläche leer. "Wir haben unsere Vermieter in einem Schreiben lediglich darauf hingewiesen, dass der weitere Verlauf der Krise heute nicht absehbar ist und wir unsere Zahlungen daher unter Vorbehalt weitergehender Entwicklungen leisten, die sich aus behördlichen Einschränkungen etc. ergeben könnten."

Kundenfrequenz gesunken

Konkurrent Bipa leidet ebenfalls unter der nach dem Wochenende der "Hamsterkäufe" stark gesunkenen Kundenfrequenz. Angaben eines anderen Hausverwalters, wonach die Drogeriewarenkette des Rewe-Konzerns ihre Mietzahlungen zumindest halbieren werde, bestätigt Rewe-Sprecherin Ines Schurin nicht. Sie räumt allerdings ein, dass die Filialen in einigen Einkaufszentren seit dem Betretungsverbot kaum wirtschaftlich zu führen seien. Ein paar wenige Outlets in Einkaufszentren habe man aufgrund regionaler Umstände, etwa weil Teile der Einkaufszentrums geschlossen wurden, vorübergehend zugemacht. "Hier haben wir die Betreiber der Einkaufszentren gebeten, uns aus der Betreiberpflicht zu entlassen."

Ruf nach behördlicher Regelung

Bauunternehmer Richard Lugner steht auf der anderen Seite. Er braucht die Mieteinnahmen, um die Kosten seiner Lugner City zu stemmen, und urgiert eine behördliche Regelung. Von 90 Geschäften unterlägen lediglich 18 nicht dem Betretungsverbot. Bis eine Regelung vorliege, will er seinen gewerblichen Mietern Reduktionen anbieten und eine Senkung der Betriebskosten um 20 Prozent.

Harsch geht Generali, einer der großen Immobilienbesitzer in Österreich auf seine Mieter zu. Am Tag nach Verhängung des Betretungsverbots am 16. März suchte der in Triest domizilierte Assekuranz-Konzern bei seinen Mietern Hoffnung auf Mietherabsetzungen zu zerstreuen. Per Serienbrief teilte die Wiener Zweigniederlassung der Generali Real Estate mit: "Zum jetzigen Zeitpunkt" sei es nicht möglich, Verhandlungen über Mietzinsminderungen zu führen, weil "die weitere Entwicklung nicht absehbar ist", heißt es in dem Brief, der dem STANDARD vorliegt. "Allfällige unpräjudizielle Gespräche" stellt man für "frühestens Mitte April" in Aussicht.

Adidas erntet Sturm der Entrüstung

Trotz Milliardengewinns drängt Sportausrüster Adidas seine Vermieter, auf Teile des Mietzinses zu verzichten.
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Einen Sturm der Entrüstung hat der Sportausrüster Adidas ausgelöst. "Ich kaufe keine Adidas-Produkte mehr", twitterte der SPD-Bundestagsabgeordnete Florian Post und zeigte auch gleich ein Video, auf dem ein Adidas-Leiberl verbrannt wird. Ebenfalls auf Twitter fragte der linke Bundestagsabgeordnete Fabio De Masi: "Muss ich den Schuh jetzt bezahlen?" Nicht nur die beiden Politiker lassen unter #Adidas ziemlich Dampf ab, es gibt im Netz Boykottaufrufe, nachdem der fränkische Sportausrüster angekündigt hatte, wegen der Coronaviruskrise ab April keine Mieten mehr für geschlossene Filialen zahlen zu wollen. Ähnliches verlauteten der schwedische Modekonzern H&M und die deutsche Schuhhandelskette Deichmann.

Kerngesund und liquide

Die Unternehmen berufen sich dabei auf das Rettungspaket der deutschen Bundesregierung. In diesem steht unter anderem, dass niemandem gekündigt werden darf, der von April bis Juni die Miete nicht bezahlt. Der Zeitraum könnte dann auch noch einmal verlängert werden. Als jedoch Adidas aus dem fränkischen Herzogenaurach seine Pläne darlegte, da erinnerten sich viele an die Zahlen des Weltkonzerns, nämlich einen Gewinn von fast zwei Milliarden Euro im Jahr 2019. "Adidas ist ein kerngesundes Unternehmen und verfügt über eine solide Liquidität", kritisiert der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Reiner Hoffmann.

Kleine bleiben auf Kosten sitzen

Selbst Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) meinte: "Es sind ja nicht nur die großen Immobilieneinrichtungen, sondern auch kleine, die als Privatpersonen an Adidas vermieten – und die bleiben dann auf ihren Kosten sitzen."

Die deutsche Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) warnte, dass das Gesetz für kleine Betriebe gemacht worden sei, die jetzt ums Überleben kämpfen: "Wenn jetzt finanzstarke Unternehmen einfach ihre Mieten nicht mehr zahlen, ist dies unanständig und nicht akzeptabel." Und sie mahnt auch: "Mieter müssen selbstverständlich ihre Miete zahlen. Falls sie tatsächlich infolge der Krise in ernsthafte Zahlungsschwierigkeiten geraten, kann ihnen lediglich für einen begrenzten Zeitraum nicht gekündigt werden." Im Übrigen könnten Gerichte überprüfen, ob die Voraussetzungen hierfür vorliegen.

"Umsatz weg"

Adidas-Chef Kasper Rorsted, ein Däne, zeigte sich ungerührt. er beklagte in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", dass normalerweise in den Filialen 60 Prozent des Umsatzes von Adidas erwirtschaftet würden, "der ist einfach weg". Auch in China gebe es einen Umsatzrückgang von bis zu einer Milliarde Euro. Rorsted: "So etwas gab es noch nie, das kann selbst das gesündeste Unternehmen auf Dauer nicht verkraften."

Doch er ruderte angesichts der harschen Kritik schließlich zurück. Privatpersonen, die an Adidas vermieten, würden die Aprilmiete erhalten, große Immobilienvermarkter und Versicherungsfonds hätten hingegen für die Aussetzung "überwiegend Verständnis gezeigt". (Luise Ungerboeck, Birgit Baumann 30.3.2020)

Anmerkung: Bei dem twitterndem SPD-Abgeordneten handelt es sich um Florian Post und nicht um Achim Post.