Der erste Covid-19-Fall in Österreich wurde am 25. Februar bekannt gegeben. Von da an haben wir den exponentiellen Wachstum der Fälle mitverfolgt. Wir versuchten, unsere alltägliche Arbeit an der Universität Linz fortzusetzen, wobei wir die Tatsache nutzten wollten, dass unsere beiden praktischen Laborkurse gerade am 10. März abgesagt worden waren, um uns auf die Experimente konzentrieren zu können. Diese Freude hielt jedoch nicht lange an. Am Freitag, dem 13. März, mussten wir alle unsere Labore schließen und arbeiten seitdem im Homeoffice.

Bevor unsere Chefin uns am dem Tag nach Hause schickte, sagte sie zu uns: "Jetzt ist die Zeit zum Schreiben gekommen". Tatsächlich arbeiten wir als Experimentalphysiker normalerweise lieber im Labor als unsere Ergebnisse zusammen zu schreiben. Wir sammeln eine Menge Daten, die wir nur dann sorgfältig analysieren, wenn wir mit den Experimenten nicht weitermachen können. Wir laufen monatelang mit dem "fertigen" wissenschaftlichen Manuskript im Kopf herum, bevor wir uns tatsächlich hinsetzen und zum Schreiben anfangen. Nun hat uns Covid-19 also die perfekte Gelegenheit gegeben, das zu tun, was wir vielleicht unfreiwillig für später verschoben hätten: all diese Daten zu analysieren und Manuskripte zu schreiben.

Effektives Homeoffice und Joggen im Wald

Ich erinnere mich, als meine Doktorandin Gizem mir am Donnerstag, dem 12. März, besorgt die Nachricht zukommen ließ, dass sie gehört hatte, dass die Labore geschlossen werden würden. Sie hatte für die kommenden Wochen eine Reihe von Experimenten geplant. "Andrea, was soll ich jetzt tun?" Hat sie mich gefragt. Ich antwortete dasselbe, was unsere Chefin uns am nächsten Tag sagen würde: "Stell Deine Daten zusammen und fang zum Schreiben an". Aber das ist leichter gesagt als getan.

Das wurde mir am ersten Tag des Homeoffices klar, als ich die ersten Stunden nur damit verbrachte, E-Mails zu lesen. Vor Mittag beschloss ich, wegen des schönen Wetters allein im Wald joggen zu gehen. Erst nach dem Mittagessen gelang es mir schließlich, mich zusammenzureißen und mit der Arbeit an einem Manuskript zu beginnen, den ich seit Jänner anfangen wollte und den ich bis Ende April einreichen sollte. Von diesem Moment an wurde das Schreiben viel einfacher.

Beispiel einer Datenauswertung im Homeoffice.
A. Navarro-Quezada and G. Mendirek

Seitdem schreibe ich effektiver, als ich es jemals getan hätte, wenn ich in meinem Büro an der Universität sitzen würde. Der Grund dafür: Wenn ich an der Universität bin, bin ich ständig abgelenkt. Ich besuche meine Doktorandin Gizem normalerweise im Labor, und wenn das Experiment spannend ist, kann ich dort länger bleiben, als ich manchmal sollte. Dann muss ich auch eigene Experimente machen oder meinen Master-Studenten beim Schreiben betreuen. Und natürlich verbringe ich auch viel Zeit dabei mit Kollegen über den Alltag zu sprechen.

Im Homeoffice, obwohl wir eine WhatsApp-Gruppe haben, lasse ich mich nicht so leicht ablenken. Meistens, weil ich Kopfhörer trage, denn Musik hilft mir, effizienter zu arbeiten. Um den Bewegungsmangel auszugleichen, gehe ich jedoch im Wald joggen. Dieses perfekte, effiziente Gleichgewicht zwischen Arbeit und Sport hat mir geholfen, mehr voranzukommen, als ich jemals in zwei Wochen erreicht hätte. Wenn ich in diesem Tempo weitermache, könnte ich mein Manuskript in zwei Wochen einreichen. Und das wäre ein absoluter Rekord für mich.

Effektives Homeoffice mit Familie

Die Ausgangssperre kam an dem Tag, an dem mein Sohn Rudy Geburtstag hatte. Da meine Frau als Doktorandin an der Universität arbeitet, war die Geburtstagsfeier für den Abend geplant, und die plötzliche Änderung der Situation forderte ihren Tribut. Der Abend vom 13. März war für uns eine ruhige Angelegenheit: der Geburtstagskuchen und die leckeren indischen Gerichte schmeckten köstlich, aber es herrschte ein ungewohntes Gefühl. Die landesweite Ausgangssperre folgte bald, und ich als Experimentalphysiker war nun gezwungen, zu Hause zu arbeiten.

Für mich war dies die erste Erfahrung mit dem Homeoffice. Ein Experimentalwissenschafter hat normalerweise nicht das Privileg, zu Hause zu sein und Experimente online durchzuführen. Doch wie man sagt, ist die Wahrheit seltsamer als die Fiktion. Ich erinnere mich noch, dass ich während der Weihnachtsfeiertage einige Dokumentarfilme über die Beulenpest und die Pandemien der Vergangenheit gesehen habe, und innerhalb von neunzig Tagen standen wir vor einer ähnlichen Katastrophe, die die Menschheit bedroht.

So begann für mich ein neues Arbeitsleben. Mein primäres Ziel war es, meine noch ausstehenden Manuskripte fertigzustellen, und ich nutzte die Gelegenheit mit beiden Händen. Aber wie man so schön sagt: Der Mensch schlägt vor und die Natur entscheidet. In diesen ersten zwei Wochen begann ich, die Arbeiten meiner Bachelor- und Master-Studenten zur Korrektur zu bekommen, und ich verbrachte meine Zeit im Homeoffice mit dem Korrigieren. Gelegentlich konnte ich neben den regelmäßigen Zoom-Meetings mit meiner Chefin, auch einige Zeitschriftenartikel und Bücher lesen, und die weltweite Verbreitung des Virus mitverfolgen.

Da ich ein Familienvater bin und einen Sohn habe, der zu Hause lernen sollte, kann ich viel Zeit mit ihm verbringen und ihm bei seinen Aufgaben helfen. Der wirkliche Spaß kam eines Tages, als er eine Aufgabe über Vulkane für Geografie erledigen musste. Er bat mich um Hilfe und tappte in die Falle! Er wusste nicht, dass ich ein großer Liebhaber von Naturkatastrophen bin. So musste er sich die bittere, uninteressante Geschichte des Krakatau-Ausbruchs von 1883 anhören. Aber er überstand die Sitzung, und da meine Studenten und Kollegen nicht da sind, um meine Vorträge zu hören, muss nun meine Familie diese ertragen. Ich versuche, Witze zu reißen, da Stand-up-Comedy in jüngeren Tagen eine meiner Leidenschaften war, und ich versuche, meine Familie und meine Kollegen über WhatsApp weiterhin zu unterhalten.

Jetzt wo sich die Ausgangssperre der dritten Woche nähert, gewöhne ich mich an das Homeoffice und die ausstehenden Manuskripte, die Datenanalyse und die Vortragsvorbereitung beginnen sich zu beschleunigen. Die Hoffnung, dass die Pandemie bald ausklingen wird, macht Platz in meine Gedanken, auch wenn mein Geist, so wie mein Arbeitsplatz immer noch etwas unordentlich und ungeordnet ist.

Der Arbeitsplatz eines Experimentalphysikers im Homeoffice.
R. Adhikari

Die Corona-Krise-Erfahrung

Man könnte meinen, weil wir Physiker sind, sollte uns die soziale Distanzierung nicht so schwer fallen. Es gibt zahlreiche Memes darüber, dass Physiker sich erleichtert fühlen, nachdem sie gelernt haben, dass man sich nicht anstecken kann, wenn man soziale Kontakte vermeidet. Nun, so ist es aber nicht. Wir bleiben über WhatsApp in Kontakt und wir freuen uns jedes Mal auf unser wöchentliches Gruppentreffen per Videokonferenz, wo wir uns über unsere Erfahrungen im Homeoffice austauschen können.

Wie wir alle wissen, könnte uns die derzeitige Situation noch mehrere Wochen lang zu Hause halten, bevor wir unsere Maschinen in den Laboren langsam wieder in Betrieb nehmen können. Wir erwarten jedoch als Ausgang der Corona-Krise mindestens zwei fertige Manuskripte, die zur Einreichung bereit sein sollten, und neue Ideen, die sich aus der Datenauswertung ergeben haben. Wir müssen die positive Seite dieser Entwicklung sehen: Wenn wir nicht auf Homeoffice geschickt worden wären, würden diese Manuskripte wahrscheinlich noch viele weitere Monate in unseren Schreibtischen, und in unseren Köpfen, verweilen. (Andrea Navarro-Quezada, Rajdeep Adhikari, 31.3.2020)

 

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