Graz – Die Arbeitsgruppe von Markus Koch am Institut für Experimentalphysik der TU Graz widmet sich den schnellsten in der Natur vorkommenden Vorgängen, die auf Zeitskalen von Femtosekunden – das sind Billionstel Sekunden – ablaufen. Im Fachmagazin "Physical Review Letters" haben die Forscher nun beschrieben, wie sich einzelne Moleküle im Inneren eines suprafluiden Helium-Nanotröpfchens bewegen.

Markus Koch (dritter von links) und die Arbeitsgruppe Femtoseconds Dynamics des Instituts für Experimentalphysik der TU Graz .
Foto: Lunghammer, TU Graz

Bilanz der Untersuchung: Heliumtröpfchen eignen sich offenbar bestens für die Anforderungen der Wissenschaft. Sie haben einen Durchmesser von nur wenigen Nanometern, was weniger als einem Tausendstel eines Haar-Durchmessers entspricht. Und sie wurden auf eine Temperatur von weniger als 270 Grad Celsius gebracht. In solchen "kalten Containern" können Atome oder Aggregate isoliert von Störeinflüssen untersucht werden, denn intramolekulare Prozesse werden in der Regel durch die Wechselwirkungen mit der Umwelt beeinflusst.

In herkömmlichen Lösungsmitteln ist diese Wechselwirkung so stark, dass intramolekulare Prozesse nicht beobachtet werden können, erklärte dazu Kochs Kollege Bernhard Thaler: "Gerade fragile Moleküle zerbrechen oft nach der Anregung, oder werden in ihrer Schwingung gestört. Das ist im Heliumtropfen nachweislich anders."

Unvorstellbar kurze Zeitspannen

Schon 2018 hat die Grazer Arbeitsgruppe Femtoseconds Dynamics erstmals die Reaktion eines Atoms in der schützenden Umgebung der Quantenflüssigkeit beobachtet: Dazu setzten sie ein einzelnes Indiumatom in das Tröpfchen und analysierten seine Reaktion mit dem Anregungs-Abfrage-Prinzip (pump-probe). Hierzu wurde das Atom mit ultraschnellen Femtosekunden-Laserpulsen angeregt, woraufhin sich die Heliumumgebung im unvorstellbar kurzen Zeitbereich von nur 0,000 000 000 000 001 Sekunden an den angeregten Atomzustand anpasste.

Ein minimal zeitverzögert abgeschickter zweiter Laserimpuls lieferte die zeitverzögerten Informationen zum Verhalten des Systems, wobei die Forscher aus den gemessenen Veränderungen auf die Vorgänge im Inneren schließen. Mithilfe einer Simulationssoftware haben die Wissenschafter den Prozess dargestellt.

Versuch mit Indium-Molekül

Basierend auf dem gleichen Prinzip untersuchten Koch und seine Kollegen Thaler, Pascal Heim sowie Miriam Meyer jüngst erstmals die Bewegung von Molekülen im Inneren eines Helium-Nanotröpfchens: Diesmal brachten sie zwei Indiumatome in das Tröpfchen ein, wo sich diese zu einem Molekül verbanden. Durch einen Laserimpuls wurde im Molekül eine Schwingung ausgelöst, deren Entwicklung wieder mit der Pump-Probe-Methode beobachtet wurde. Dabei stellten die Forscher fest, dass Helium einen viel schwächeren Einfluss auf die Molekülbewegung hat, als herkömmliche Lösungsmittel wie Wasser oder Methanol.

Koch will die Methode nun auch auf komplexe Moleküle ausweiten. "Wir sehen in Helium-Nanotropfen ein großes Potenzial, da sie wunderbare Möglichkeiten bieten, molekulare Systeme zu erzeugen", erklärte der Experimentalphysiker. "Indium-Moleküle sind sehr einfach aufgebaut. Wir wollen zukünftig technologisch relevante und zugleich komplexere Moleküle ansehen und uns so schrittweise an 'Molecular Engineering' herantasten." Das Verfahren könnte langfristig dafür genutzt werden, neue Materialien – beispielsweise für die organische Elektronik – zu entwickeln, so die Forscher. (APA, red, 23.3.2020)