Klatschen für die Helferinnen und Helfer in Zeiten der Corona-Krise: Seit Tagen gehen Videos um die Welt, in denen Menschen von den Fenstern ihrer Wohnungen und ihren Balkonen aus mit Applaus Krankenpflegerinnen, Supermarktkassiererinnen und Ärztinnen danken. Jenen, die jetzt für die Gesellschaft notwendige Arbeit leisten.

Sie danken damit vor allem Frauen. Diese machen den Großteil der Beschäftigten in Care-Berufen aus. Rund 93 Prozent der Pflegekräfte in der mobilen Betreuung sind weiblich, zeigen Zahlen der Statistik Austria zum Jahr 2017. Und 85,5 Prozent der Pflegerinnen arbeiteten 2017 in stationären Einrichtungen wie in Krankenhäusern oder der Altenpflege. In Kindergärten sind fast alle Beschäftigten weiblich. Diese Frauen sind in Zeiten der Krise eine Stütze der Gesellschaft. Ohne sie wäre die Corona-Krise so nicht bewältigbar. Sie wird vor allem von der Sorgearbeit der Frauen getragen.

Sich um andere zu kümmern und sie zu pflegen – das sind Tätigkeiten, die traditionell Frauen erledigen. In einem Wirtschaftssektor mit niedrigen Löhnen. Auch weil der Männeranteil in diesen Jobs so gering ist, sind die Löhne niedrig. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass das Grundgehalt steigt, je mehr Männer in frauendominierten Branchen arbeiten. Hinzu kommt, dass Männer in Care-Berufen sogar einen Vorteil haben: Sie werden eher befördert, ergaben Forschungen. Das Phänomen heißt "gläserner Aufzug".

Niedrige Löhne, Überstunden, Belastung

Nicht nur die Löhne in Care-Berufen sind niedrig, auch die Aufstiegsmöglichkeiten schlecht, die Arbeitsbedingungen oft stressig, psychisch und körperlich belastend, Überstunden werden gemacht. Immer weniger beginnen – wohl auch deshalb – eine einschlägige Ausbildung.

Ob der Corona-Krise sollen nun auch Zivildiener in der Pflege, Altenbetreuung, im Rettungsdienst und bei Krankentransporten eingesetzt werden, um Lücken zu schließen. Hier zeigt sich ein weiteres – und bereits lange vorher bekanntes – Problem der Care-Branche: Es braucht viel mehr Beschäftigte. Nicht nur wegen der Corona-Erkrankten, sondern weil die Menschen immer älter werden und damit die Zahl der Pflegebedürftigen steigt. So benötige es bis 2030 insgesamt 75.700 zusätzliche Pflegekräfte, heißt es in einer Studie der Gesundheit Österreich GmbH für das Sozialministerium aus dem Vorjahr.

Besonders in der Altenpflege werden künftig mehr Pflegerinnen und Pfleger benötigt.
Foto: APA/dpa/Oliver Berg

Außerdem ist der Anteil der Teilzeit Arbeitenden im Sozial- und Gesundheitsbereich hoch. Erhebungen ergaben, dass Frauen in Österreich laut eigenen Angaben am häufigsten wegen der "Betreuung pflegebedürftiger Kinder und Erwachsener" in Teilzeit arbeiten. Elternteilzeit nehmen auch fast ausschließlich Mütter in Anspruch, ergab eine Untersuchung der Arbeiterkammer von 2019. Die Folge von Teilzeitarbeit: weniger Gehalt, schlechtere Aufstiegschancen und ein höheres Risiko, in der Pension von Altersarmut betroffen zu sein.

Hausarbeit und Kinderbetreuung

Mit der institutionellen Fürsorgearbeit ist es also nicht getan. Wer kümmert sich derzeit um die Kinder, die nicht in den Kindergarten oder in die Schule können, wenn die Großeltern nicht aufpassen sollten? Vermutlich die Mütter. Wer schmeißt neben Arbeit und Kinderbetreuung in der Regel auch noch den Haushalt? Die Frau.

Laut der Schweizer Ökonomin Mascha Madörin arbeiten Männer und Frauen im erwerbsfähigen Alter etwa gleich viel. Eine weltweite Studie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen aus dem Vorjahr kam zum Ergebnis, dass Frauen mit ihrem bezahlten Job plus der unbezahlten Fürsorgearbeit sowie Vereins- und Wohltätigkeitsarbeit im Schnitt 55 Stunden pro Woche arbeiten, Männer 49 Stunden. Auch in Österreich leisten Frauen zwei Drittel der Haus- und Sorgearbeit. "Rechnet man das um, kommt man auf eine Summe von 100 bis 105 Milliarden Euro im Jahr, also etwa auf 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts", sagt die Ökonomin Katharina Mader zu orf.at.

Jahr der Pflegerinnen

Seit Jahren gibt es Forderungen, dass unbezahlte Arbeit gerecht verteilt werden soll. Auch Löhne für Hausarbeit wurden und werden diskutiert. Zuletzt forderte das Frauenvolksbegehren die Einführung einer 30-Stunden-Woche, um auch die Familien- und Hausarbeit zwischen den Partnern besser aufteilen zu können. Und die Gewerkschaft der Beschäftigten in privaten Sozial- und Pflegeberufen setzte sich bei den Lohnverhandlungen im vergangenen Herbst für die 35-Stunden-Woche ein, profitieren würden laut ihr vor allem die vielen in Teilzeit beschäftigten Frauen. Die Froderungen blieben erfolglos

Das erst kurze Jahr 2020 ist geprägt durch das Coronavirus. Es ist zufälligerweise auch das von der Weltgesundheitsorganisation ausgerufene "Jahr der Pflegerinnen und Pfleger". So sollte Aufmerksamkeit und Wertschätzung für den Beruf geschaffen werden.

Nun sind Personen in Pflegeberufen nicht mehr aus der öffentlichen Debatte um Covid-19-Erkrankte wegzudenken. Die Corona-Krise ist deshalb auch eine Chance, die Care-Arbeit richtig wertzuschätzen: mit entsprechendem Gehalt und guten Arbeitsbedingungen. Nicht nur mit täglichem Applaus. (Selina Thaler, 19.3.2020)