Hinter dem Neptun tummeln sich unzählige Objekte. Nur wenige davon konnten bislang kartiert werden.

Illustration: Eso/M. Kornmesser

Die Entscheidung der Internationalen Astronomischen Union im Jahr 2006, Pluto den Planetenstatus abzuerkennen, hatte auch für Neptun unmittelbare Konsequenzen: Er ist nun der äußerste bekannte Planet im Sonnensystem. Jenseits seiner Bahn beginnt der Kuipergürtel, eine ringförmige Region, die unzählige Objekte beherbergt. Pluto, nunmehr als Zwergplanet klassifiziert, ist das größte davon, das Astronomen kennen. Massereicher ist aber Eris. Viele Zwergplaneten besitzen wie Pluto und Eris eigene Monde.

Wissenschafter vermuten im Kuipergürtel und noch weiter draußen zigtausende Objekte mit mehr als 100 Kilometern Durchmesser – und noch viel mehr kleinere Brocken. Kartiert sind aber erst rund 3.300 dieser "Transneptunier". Jetzt haben Astronomen auf einen Schlag 139 bislang unbekannte Himmelskörper außerhalb der Neptunbahn entdeckt, darunter Kleinplaneten, die doppelt so weit von der Sonne entfernt sind wie Pluto.

Das meistgesuchte transneptunische Objekt fanden sie zwar nicht: Frühere Studien deuten darauf hin, dass es in den Randbereichen des Sonnensystems einen bislang unbekannten, großen Planeten geben könnte. Ihre Suchmethode könnte aber für die Fahndung nach "Planet Neun" hilfreich sein, schreiben die Forscher um Gary Bernstein von der University of Pennsylvania in Philadelphia im "Astrophysical Journal".

Aufwendige Suche

Die Beobachtung transneptunischer Objekte ist eine große Herausforderung: Sie bewegen sich auf ihren langen Bahnen sehr gemächlich, und je weiter weg sie sind, desto lichtschwächer erscheinen sie vor dem Hintergrund ferner Sterne und Galaxien. "Wie viele Himmelskörper man dort draußen finden kann, hängt davon ab, wie groß der beobachtete Himmelsabschnitt ist und wie dunkel das lichtschwächste Objekt, das man noch identifizieren kann", sagte Bernstein.

Er und seine Kollegen nutzten Daten des Dark Energy Survey (DES), einer am Cerro Tololo Inter-American Observatory in Chile durchgeführten Himmelsdurchmusterung. Das Projekt ist vor allem der Erforschung der beschleunigten Ausdehnung des Universums gewidmet. Dafür werden große Himmelsregionen auf ferne Objekte wie Supernovae oder Galaxienhaufen untersucht, um mehr über die rätselhafte Dunkle Energie herauszufinden.

Verdächtige im Datenhaufen

Die DES-Daten eignen sich aber auch gut dazu, lichtschwache Objekte im äußeren Sonnensystem zu suchen. Dafür analysierten Bernstein und Kollegen DES-Aufzeichnungen aus vier Jahren. Aus dieser enormen Fülle (rund sieben Milliarden Lichtpunkte) rechneten sie alle Objekte heraus, die sich aufgrund ihrer Positionen von vornherein als transneptunische Objekte disqualifizierten. Übrig blieben immerhin noch 22 Millionen potenzielle Kandidaten.

Im nächsten Schritt wurde untersucht, welche davon über mehr als sechs aufeinanderfolgende Nächte präsent waren und wie sich ihre Positionen veränderten. Dabei kristallisierten sich nach monatelanger Arbeit 400 "Verdächtige" heraus. Von diesen suchten die Forscher dann im Ausgangsdatenmaterial nach zusätzlichen Aufnahmen, um die Veränderungen ihrer Positionen über längere Zeiträume nachzuvollziehen und mit bereits bekannten transneptunischen Objekten abzugleichen.

Fahndung nach auffälligen Orbits

Das Ergebnis der aufwendigen Analysen: Die Forscher identifizierten insgesamt 316 Objekte außerhalb der Neptunbahn, von denen 139 bislang unbekannt waren. Darunter sind auch Kleinplaneten, die möglicherweise die Kriterien für Zwergplaneten erfüllen könnten: Dazu müssen sie genug Masse haben, um kugelförmig zu sein. Einige davon befinden sich innerhalb der Pluto-Umlaufbahn, andere weit außerhalb – bis zu 90 Astronomische Einheiten von der Sonne entfernt.

Verhaltensauffällige Objekte, die auf die Anwesenheit des hypothetischen neunten Planeten hinweisen könnten, sind nicht darunter. In früheren Studien wurden einige Himmelskörper gefunden, deren merkwürdigen Umlaufbahnen auf den gravitativen Einfluss eines sehr massereichen Objekts hindeuten. Bernstein und Kollegen wollen aber mit ihrer Methode nach weiteren Objekten am Rande des Sonnensystems suchen und deren Umlaufbahnen analysieren.

Sie vermuten, in den nächsten Durchgängen noch bis zu 500 weitere Brocken aufspüren zu können. "Dank dieser Vorgehensweise könnten wir auch der Entdeckung von Planet Neun näherkommen", schreiben die Astronomen. Und wenn schon kein Riesenplanet gefunden werden sollte – auf ein paar Zwerge darf allemal gehofft werden. (David Rennert, 19.3.2020)