Netzwerke, Kommunikation und Vertrauen – drei Schlagworte, die auf den ersten Blick nicht viel miteinander zu tun haben. Und vor allem nichts mit dem Generalthema dieses Blogs: Ökonomie.

Bei näherer Betrachtung allerding wird deutlich, dass es sich um drei Grundpfeiler unserer persönlichen Beziehungen, der Gesellschaft an sich und ebenso unserer Wirtschaft handelt. Das "Wer kennt wen" oder "Who is who" wird zwar landläufig eher mit dem glänzenden Höhepunkt der jährlichen Ballsaison – dem Wiener Opernball – in Verbindung gebracht, jedoch werden Geschäftsideen und große Innovationen eher gemeinsam, also innerhalb eines Netzwerkes, als allein im stillen Kämmerchen geboren.

Ideen brauchen Kommunikation.
Foto: gettyimages/istockphoto/

Dass in den Wirtschaftswissenschaften das Thema Netzwerke mehr und mehr Bedeutung findet, wurde auch auf der diesjährigen Jahrestagung der Nationalökonomischen Gesellschaft (NOeG) deutlich, die Ende Februar an der WU in Wien stattfand: Unter anderem ging es dabei um das Netzwerk, das sich Studierende während ihres Studiums aufbauen. Der spätere berufliche Erfolg eines ganzen Jahrgangs wird von Studienkolleginnen und -kollegen beeinflusst und zeigt so die langen Nachwirkungen solcher Netzwerke. In ihrem Keynote-Beitrag ging Dina Pommeranz (Universität Zürich) auch auf ihre Forschung zu Firmennetzwerken ein. Generell spricht man in der Ökonomie auch inzwischen von team-spezifischem Kapital beziehungsweise wurde das Untersuchen der Wirkung von Diversität und Netzwerken auf Innovation als neues Fachgebiet deklariert.

Platons Höhlengleichnis und Exklusivität

Gleichzeitig sind Netzwerke jedoch auch exklusiv – buchstäblich also ausschließend. Nur ein Insider profitiert davon, während ein Außenseiter höchstens noch die Schatten wahrnimmt. Schon Platons Höhlengleichnis hatte diese passive Wahrnehmung zum zentralen Thema – es handelt sich also wirklich um ein im wahrsten Sinn des Wortes altbekanntes Dilemma. Nur, wer wird zur Außenseiterin, und wie kann individuelles Zurückbleiben – das auch für Gesellschaften nicht gerade förderlich ist – vermieden werden? Gerade im Wissenschaftsbetrieb ist der nach wie vor frappante Unterschied in der Anzahl an weiblichen und männlichen Führungspersonen noch immer offensichtlich und kann nicht oft genug thematisiert werden.

Doch warum überhaupt netzwerken und nicht einfach allein mit dem Kopf durch die Wand? Es ist ja beispielsweise so, dass sich meine – durchaus auch für mich selbst oft genug höchst verwirrenden – Gedanken erst aufklaren, wenn ich sie exakt formulieren und auf den Punkt bringen muss. Das passiert in formellen wie auch informellen Diskussionen, die an Vorträge anschließen, in Lehrveranstaltungen, in denen ich versuche, die Köpfe der Studierenden zum Assoziieren und kritischen Reflektieren zu animieren, oder recht banal beim Spazierengehen, beim Duschen oder im Traum. Vorausgesetzt, man notiert die geträumten Ideen, bevor sie wieder in den Wirren des Gehirns verschwunden sind.

Ohne Kommunikation geht es nicht

Blieben diese Gedanken und Ideen nur ausschließlich in meinem Kopf, sie würden schlicht verkümmern. Damit aus einer Idee auch Wirklichkeit wird, braucht es die Kommunikation. Das Den-anderen-Mitteilen und andere Menschen auch vom Mehrwert einer Idee zu überzeugen ist wohl unbestrittenerweise nicht ganz so einfach, aber gleichzeitig zentral im Innovations- und Forschungsprozess. Die Fragen, die durch dieses Mitteilen entstehen – durch Assoziation, Kritik oder schlichtes Unverständnis – stellen oft genau den einen relevanten Anstoß dar, der im langwierigen Gedankenprozess (noch) gefehlt hat. Neue Perspektiven tun sich auf, und die Argumentationskette wird geschärft.

Sofie Waltl ist Assistenzprofessorin für Volkswirtschaft an der WU Wien und Postdoc am LISER in Luxemburg. Ihre Forschung beschäftigt sich mit angewandten und methodologischen Fragestellungen im Kontext von Immobilien, Vermögen und subjektiven Daten.
Foto: Sofie Waltl

Es ist also kaum verwunderlich, dass die moderne Wissenschaft – ähnlich wie moderne Arbeitswelten generell – in Richtung flacher Hierarchien strebt, die Teamarbeit zunimmt und die Kommunikation ins Zentrum rückt. Effektive Kommunikationsfähigkeiten sind somit in der Wissenschaftswelt ebenso zentral wie auch in so ziemlich allen anderen Lebensbereichen. Und auch genauso herausfordernd. Ganz zu schweigen von Freundschaften und Paarbeziehungen.

Doch mit wem kommuniziert man? Wer stellt die richtigen Fragen, und vor wem hat man keine Scheu, vielleicht skurrile und unorthodoxe Fragen zu stellen? Wer nutzt die Blöße, die man sich immer gibt, wenn spontane Ideen besprochen werden, nicht aus? Wem vertraut man?

Dieser letzte Aspekt ist wohl der delikateste. Und auch äußerst schwer zu fassen. Wenn man sich jedoch ansieht, wie viele gut etablierte Forschungspartnerinnen, -partner und -teams es gibt, die auf einen Schlag zahlreiche tolle Ideen und – darauf aufbauend – herausragende Forschungsergebnisse produzieren, wird offensichtlich, dass es sich wohl auch noch um einen der essenziellsten Schritte handelt.

Ein gut eingespieltes Team, in dem sich alle Mitglieder achten und vertrauen und in dem darüber hinaus die Kommunikation stimmt, dürfte wohl der Schlüssel sein. Hat man dieses Team einmal gefunden, sollte man es nicht mehr aufgeben. (Sofie Waltl, 18.3.2020)