Immer öfter wird Konsumenten in Webshops die Möglichkeit angeboten, den verursachten CO2-Fußabdruck durch eine Zahlung auszugleichen. Das wirft spannende Rechtsfragen auf.

Illustration: Davor Markovic

Das Thema Nachhaltigkeit hat in den letzten Jahren verstärkte Aufmerksamkeit erfahren. Dem allgemeinen Trend folgend, setzen immer mehr Verbraucher auf klimaneutrale Waren und Dienstleistungen. Da CO2-neutrale Produktion und Transportwege im E-Commerce aktuell noch Zukunftsmusik sind, bieten Unternehmer systematisch Kompensationszahlungen an.

Während vor einigen Jahren nur Fluggäste anfallende Emissionen ausgleichen konnten, haben Verbraucher nunmehr in vielen Webshops die Möglichkeit, ihre "Klimasünde" mit einem Mausklick zu kompensieren. Im Zuge einer Onlinebestellung können sie separat ein freiwilliges Aufgeld zahlen, um den produktbezogenen CO2-Fußabdruck zu reduzieren.

Die Zahlungen fließen sodann in Umweltschutzprojekte, womit – dem Gedanken nach – zumindest genauso viel CO2 eingespart werden soll, wie für die Herstellung und/oder Lieferung der bestellten Leistungen benötigt wurde. Bei der Umsetzung derartiger Konzepte auf Webshops stellen sich den Unternehmern jedoch zahlreiche Rechtsfragen.

Zu welcher Leistung verpflichtet?

Der freiwilligen Ausgleichsleistung des Verbrauchers steht ein gewisses Commitment des Unternehmers zur CO2-Einsparung gegenüber. Dabei stellt sich die grundlegende Frage, zu welcher Leistung der Unternehmer nun verpflichtet ist? Wie so oft kommt es auf die konkrete Ausgestaltung an.

Vertragsklauseln, FAQ und Werbeslogans wie "Mit Ihrem Klimakompensationsbeitrag sparen wir über das geförderte Klimaprojekt genauso viel CO2 ein, wie durch die Inanspruchnahme unserer Leistung entstanden ist" begründen eine Gegenleistung des Unternehmers.

Die zugesicherte Einsparung an Treibhausgasen ist schließlich objektiv messbar und begründet damit eine Erfolgszusage. Die Vertragsbeziehung zum Verbraucher kann daher als entgeltlicher Werkvertrag qualifiziert werden.

Großes Haftungsrisiko

Damit geht jedoch ein großes Haftungsrisiko einher: Bei fehlgeschlagener CO2-Einsparung kann der Verbraucher auf Vertragserfüllung klagen. Alternativ kann er nach Nachfristsetzung vom Vertrag zurücktreten und sein Geld zurückfordern.

Sichert der Unternehmer dagegen lediglich die widmungsgemäße Zuwendung und keine bestimmte CO2-Reduktion zu, ist der Unternehmer zu keinem Erfolg verpflichtet. Abhängig vom konkreten Wortlaut schuldet er lediglich die Weiterleitung der Zahlung an den richtigen Empfänger, beispielsweise die Klimakompensationsagentur oder den Projektleiter, oder bloßes Bemühen der Emissionseinsparung.

Aufpassen bei der Werbung

Das kann durch Beschreibungen wie etwa "Mit Ihrem Beitrag können Sie ausgewählte Klimaschutzprojekte für eine zukünftige CO2-Reduktion unterstützen" erreicht werden. In der Praxis gestalten viele Unternehmer die Klimakompensationsleistung daher als Spende. Das kollidiert aber mit den Werbeinteressen des Unternehmens. Dementsprechend kommt es mitunter vor, dass die werbliche Darstellung von der rechtlichen Umsetzung abweicht und damit Angriffsflächen bietet.

Wegen der heiklen Abgrenzungsfragen müssen Unternehmer bei der konkreten Ausgestaltung und Bewerbung besonders genau sein: Die Kommunikation hat richtig und transparent zu erfolgen. Dem Verbraucher sind alle wesentlichen Informationen für seine Entscheidungsgrundlage zu gewähren.

Das betrifft insbesondere Art und Umfang der in Aussicht gestellten CO2-Reduktionen. Sonst drohen auch Klagen von Mitbewerbern nach Paragraf 2 des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) wegen Irreführung.

Rücktrittsrecht oder nicht?

Zudem ist eine Ausgestaltung der Zahlung als Spende für Unternehmen auch aus verbraucherrechtlichen Überlegungen vorteilhafter: Nach dem Fernabsatz- und Auswärtsgeschäftegesetz (FAGG) können Verbraucher Fernabsatzverträge innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen widerrufen. Das FAGG umfasst dabei sämtliche mit Fernkommunikationsmitteln geschlossene entgeltliche Vereinbarungen, bei der die vertragstypische Leistung vom Unternehmer erbracht wird.

Onlinespenden werden nach überwiegender Meinung aber nicht als Fernabsatzvertrag qualifiziert. Schließlich steht einer Spende keine Gegenleistung des Unternehmers gegenüber. Damit hat der Verbraucher bei dieser Ausgestaltung kein Rücktrittsrecht.

Axel Anderl ist Managing Partner bei Dorda Rechtsanwälte, leitet das IT/IP-Team der Kanzlei und ist Co-Leiter der Datenschutzgruppe.

Sichert das Unternehmen dagegen konkrete CO2-Einsparungen zu, liegt eine vertragliche Gegenleistung bzw. akzessorische Nebenleistung zum Hauptgeschäft vor, und das FAGG greift. Die Konsequenz wäre ein Widerrufsrecht des Verbrauchers.

Da die Thematik der Klimaausgleichszahlungen noch relativ jung ist, fehlt noch abschließende Sicherheit durch Rechtsprechung. Auch deshalb wird in der Praxis oft ein freiwilliges Rücktrittsrecht eingeräumt, wenn die Klimakompensationsleistung nicht explizit als Spende deklariert wird.

Belastung durch Versand

Das ergibt aus dem Blickwinkel des intendierten Ausgleichs des ökologischen Fußabdrucks auch teilweise Sinn: Tritt der Konsument vom Hauptgeschäft wie zum Beispiel vom Onlinekauf seiner Waschmaschine zurück, ist er zumindest hinsichtlich der Produktion nicht mehr für die dadurch entstandenen Treibhausgasemissionen verantwortlich.

Alexandra Ciarnau ist Rechtsanwaltsanwärterin bei Dorda Rechtsanwälte und auf Datenschutzrecht und E-Commerce spezialisiert.

Allerdings verbleibt die Umweltbelastung durch den frustrierten Versand inklusive des Rückversands. Auch unter diesem Aspekt findet man daher moralische und rechtliche Argumente für und gegen die – faktische – Gewährung eines Rücktrittsrechts.

Im Ergebnis ist bei der Implementierung von CO2-Kompensationsabgaben aus Unternehmenssicht das Spendenkonstrukt dem entgeltlichen (Werk-)Vertrag wegen der Nichtanwendbarkeit des Rücktrittsrechts nach dem FAGG vorzuziehen. Zudem ist eine bloße Zusicherung einer widmungsgemäßen Verwendung der Investitionsbeiträge ohne eine garantierte Emissionsreduktion auch weniger haftungsgefährdet.

Das gewählte Konstrukt ist auf der Website, in den FAQ und den Allgemeinen Geschäftsbedingungen entsprechend klar abzubilden, um das System durch eine ungenaue Umsetzung nicht zu untergraben. (Axel Anderl, Alexandra Ciarnau, Wirtschaft & Recht, 13.3.2020)