Das Eis schmilzt uns davon – wie sehen das die Österreicherinnen und Österreicher? DER STANDARD hat nachgefragt.

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Vielleicht ist ja alles halb so schlimm: "Für den Klimaschutz werden bald technische Lösungen gefunden, da mache ich mir wenig Sorgen." Diese Aussage legte das Linzer Market-Institut Anfang des Monats 813 repräsentativ ausgewählten Wahlberechtigten vor – aber nur jeder 20. Befragte stimmte der Aussage vollständig zu. Bewertet werden konnte diese anhand des Schulnotensystems – fünf Prozent gaben einen Einser (stimmten also völlig überein), 14 Prozent einen Zweier, 29 Prozent einen Dreier, 22 Prozent einen Vierer, und weitere 22 Prozent drückten mit einem Fünfer aus, dass sie an eine quasi sorgenfreie technische Lösung gar nicht glauben.

Die geringsten Sorgen bezüglich des Klimawandels machen sich gerade jene, die ohnehin nicht daran glauben, dass der Klimawandel vom Menschen beeinflusst würde.

Freiheitliche Klimazweifler

Und diese Gruppe umfasst immerhin ein knappes Fünftel der wahlberechtigten Bevölkerung, sagt Market-Politikforscher David Pfarrhofer: "Wir sind im Auftrag des STANDARD schon seit vielen Jahren an dem Thema dran. Die Frage, ob der Mensch am Klimawandel schuld ist, haben wir schon Ende 2009 gestellt – damals haben 77 Prozent gesagt, dass der Klimawandel vom Menschen verursacht wird und daher auch durch menschliche Maßnahmen beeinflusst werden kann. Heute glauben das nur 71 Prozent. Damals haben erst elf Prozent gesagt, dass der Klimawandel unabhängig vom Menschen geschieht, jetzt sind es 18 Prozent. Die Zweifler am menschlichen Einfluss gehören vor allem niedrigen Bildungsschichten an – und sie wählen in hohem Maß die FPÖ."

Die Frage ist natürlich, was der Mensch – der Einzelne oder die von ihm bestimmte Politik – unternehmen kann. Auch diese Frage hat DER STANDARD stellen lassen. Vorgelegt wurden – wiederum mit der Möglichkeit, Schulnoten zu vergeben – unter anderem folgende Aussagen:

"Um den Klimawandel zu bremsen, bin ich bereit, mein Leben radikal zu ändern" – dem geben nur sieben Prozent einen Einser, Frauen etwas häufiger als Männer, Junge doppelt so oft wie Befragte über 50 und Grün-Wähler sogar viermal so oft wie ÖVP-Wähler. Und: 16 Prozent der Befragten geben einen Fünfer, wollen also ihr Leben gar nicht ändern. Mit einer Durchschnittsnote von 3,15 sind Lebensstiländerungen zugunsten des Klimas ziemlich unbeliebt.

"Die Politik soll sich um Maßnahmen gegen den Klimawandel kümmern, aber die Bürger nicht damit belasten" – diese mögliche Gegenthese ist mit der Durchschnittsnote 3,16 ähnlich unpopulär. Pfarrhofer: "Viele Leute wissen schon, dass sie nicht auf die Politik warten sollten, sondern selbst etwas gegen den Klimawandel tun sollten – aber wir sehen bei allen konkret vorgeschlagenen Maßnahmen, die sich auf den Einzelnen auswirken würden, deutliche Widerstände bei großen Teilen der Bevölkerung."

Ablehnung hoher Energiepreise im ländlichen Raum

Höhere Kosten für Benzin und Diesel bekommen nur von zwölf Prozent ein "sehr gut" (die Durchschnittsnote liegt bei 3,35), höhere Kosten für Strom und Heizen kommen auf jeweils fünf Prozent "sehr gut", aber von gut einem Drittel der Befragten kommt völlige Ablehnung – die Durchschnittsnote beträgt gerade noch 3,71 Prozent. Pfarrhofer liest aus den Daten, dass die Ablehnung höherer Preise für Energie vor allem im ländlichen Raum hoch ist: "Für Wiener, die sich auf öffentliche Verkehrsmittel stützen, spielt der Benzinpreis eine wesentlich geringere Rolle als für Leute in kleinen Dörfern, die ohne Auto nirgendwo hinkommen können."

Gleichzeitig gefallen sich die Österreicherinnen und Österreicher in dem Mythos, dass Österreich ein Umweltmusterland wäre oder wenigstens sein sollte: "Österreich sollte beim Kampf gegen den Klimawandel eine Vorreiterrolle spielen." Dem geben 30 Prozent der Befragten die Top-Note, nur neun Prozent sind völlig dagegen – Durchschnittsnote 2,4. Besonders populär ist die Vorreiterrolle bei Frauen, bei Personen mittleren Alters und hoher Bildung sowie bei Ökosteuer-Befürwortern.

Apropos Ökosteuern: Diese sind nach wie vor nicht mehrheitsfähig.

DER STANDARD hat zu diesem Thema seit Jahren geforscht, erstmals wurde 2004 die Frage gestellt: "Als wichtiges Instrument gegen den Klimawandel und den Treibhauseffekt werden immer wieder Steuern auf Erdölprodukte, Gas und Kohle – also sogenannte Ökosteuern – genannt. Dazu gibt es generell zwei Meinungen: Die einen sagen, solche Ökosteuern sollten eingeführt werden, um umweltschädigendes Verhalten quasi zu bestrafen. Die anderen sagen, dass solche Ökosteuern nicht eingeführt werden sollten, weil man in Österreich ohnehin schon genug Steuer zahlt. Welche dieser Meinungen trifft auf Sie eher zu?" Im Jahr 2004 befürworteten 30 Prozent der Wahlberechtigten Ökosteuern, 66 Prozent lehnten sie ab. In der Wirtschaftskrise ging die Befürwortung noch weiter zurück – gegenüber den Befragungen der Jahre 2010 und 2015 ist sie jedoch in der aktuellen Welle sprunghaft (von 22 auf 39 Prozent) gestiegen.

Allerdings lohnt auch hier ein genauerer Blick in die Tabellen: Mehrheitsfähig sind Ökosteuern nur in Wien. In den Wählerschaften der Parteien gibt es eine absolute Mehrheit unter Grün-Wählern (78 zu 16, Rest unentschieden) und eine relative Mehrheit unter Neos-Wählern (46 zu 44) – bei der Wählerschaft der Kanzlerpartei ist das Verhältnis aber umgekehrt: 65 Prozent der ÖVP-Wähler meinen, dass die Steuerbelastung ohnehin zu hoch sei.

Steuergeld für Aufforstung

Bemerkenswert ist auch, wie die Befragten zu staatlichen Ausgaben für den Klimaschutz stehen. 24 Prozent fänden es etwa "sehr gut", wenn "zum Klimaschutz weltweite Aufforstungsprogramme anlaufen – auch mit österreichischem Steuergeld".

"Überhaupt sind die Österreicher recht freigiebig mit Steuergeld, das sie nicht als die eigene Steuerbelastung empfinden", sagt der Meinungsforscher Pfarrhofer.

Er hat zwei Thesen einander gegenübergestellt und abgefragt, ob "Österreich mehr tun und auch mehr Geld ausgeben sollte, um dem Klimawandel vorzubeugen" oder ob Österreich da bereits genug tue und auch nicht mehr ausgeben solle. Jeder zweite Befragte sagt in der aktuellen Umfrage, dass Österreich mehr Geld ausgeben sollte, 40 Prozent meinen, dass ohnehin schon genug für das Klima ausgegeben werde. Hier haben sich die Mehrheiten seit den Vergleichsumfragen 2010 und 2015 umgedreht. Vielleicht auch, weil man jetzt mit mehr klimabedingten Katastrophen rechnet. (Conrad Seidl, 21.02.2020)