Der Blick ins Zentrum der Milchstraße ist von interstellaren Materiewolken verschleiert. Dahinter verbirgt sich eine fremdartige Region.
Foto: 2MASS/G. Kopan, R. Hurt

Das Zentrum unserer Galaxie ist eine exotische Region, in der die Sternendichte eine Milliarde Mal höher ist als in unserer Ecke der Milchstraße zwischen dem Sagittarius- und dem Perseusarm. Inmitten all dieser Sternen ist jedoch immer noch Platz genug für einige recht merkwürdige Objekte. Von der Erde aus gesehen liegt der 26.500 Lichtjahre entfernte galaktische Kern im Sternbild Schütze. Im sichtbaren Licht ist dort jedoch nicht allzu viel zu erkennen, denn der Bereich ist hinter dunklen interstellaren Staub- und Gaswolken verborgen. Allerdings dringen Radiowellen sowie Infrarot- und Röntgenstrahlung durch die Barriere und gewähren so Einblick in dieses fremdartige Territorium. Der unangefochtene König des Milchstraßenzentrums ist freilich Sagittarius A*, ein gigantisches Schwarzes Loch mit einer Masse von 4,1 Millionen Sonnenmassen.

Nun haben Astronomen eine weitere Kuriosität in der zentralen Zone der Milchstraße entdeckt, die wiederum auf ein Objekt hinweisen könnte, für das es bisher nur eine Handvoll theoretischer Kandidaten gibt. Das Team um Shunya Takekawa vom National Astronomical Observatory of Japan (NAOJ) hatte eine Gaswolke im Visier, die sich zunächst rätselhaft verhielt. Die Wolke mit der Bezeichnung HCN-0.085-0.094 besteht aus drei kleineren Klumpen, einer fällt durch sein annähernd ringförmiges Aussehen und seinen sehr steilen Geschwindigkeitsgradienten auf.

Unsichtbares Objekt mit 10.000 Sonnenmassen

"Diese Eigenschaften deuten darauf hin, dass sich im Zentrum des Ringes ein Himmelskörper mit einer Masse von rund 10.000 Sonnenmassen befindet", sagt Takekawa. Doch zur Überraschung der Wissenschafter konnte an der entsprechenden Stelle kein Stern oder anderes Objekt festgestellt werden. "Dass wir dort nichts fanden, zeigt uns, dass wir es mit einem nahezu punktförmigen Objekt zu tun haben müssen, vermutlich ein ruhendes Schwarzes Loch", so der Wissenschafter.

In diesem Fall wäre das Objekt kaum größer als der Uranus. Mit "ruhend" ist gemeint, dass das Schwarze Loch keine Materie verschlingt und sich daher auch nicht durch die dabei frei werdende Strahlung bemerkbar macht, wie die Forscher im "Astrophysical Journal" berichten.

Die rasant rotierenden Wolken deuten auf ein mittelschweres Schwarzes Loch von 10.000 Sonnenmassen hin.
Illustration: Tomoharu Oka

Sollte diese Annahme zutreffen, dann haben die Astronomen den inzwischen fünften Kandidaten für ein sogenanntes mittelschweres Schwarzes Loch im Milchstraßenzentrum gefunden – und damit auch einen starken Hinweis darauf, dass diese schwer fassbare Klasse von Schwarzen Löchern im Kernbereich der Galaxie anscheinend häufiger vorkommt. Schwarze Löcher mittlerer Masse rangieren zwischen stellaren Schwarzen Löchern mit maximal mehreren Dutzend Sonnenmassen und jenen supermassereichen Schwerkraftmonstern, die bei 100.000 Sonnenmassen beginnen.

Rätselhafter Ursprung

Die Existenz von Schwarzen Löchern im Massebereich von 1.000 bis 100.000 Sonnenmassen konnte allerdings bisher noch nicht einwandfrei belegt werden. Beobachtungen, die auf das Vorhandensein eines solchen Objektes hindeuten, blieben bisher selten. Daher ist die Entdeckung der Forscher um Takekawa ein wichtiges Mosaiksteinchen. Insbesondere die Entstehung von mittelschweren Schwarzen Löchern stellt Astrophysiker noch vor ein Rätsel: Um das Ergebnis eines kollabierenden Sterns am Ende seines Lebens zu sein, ist ein solches Schwarzes Loch zu massiv.

Ihrer Umgebung wiederum fehlen die extremen Bedingungen, die im Kern von Galaxien herrschen und die offenbar zur Bildung supermassiver Schwarzer Löcher führen. Eine "Volkszählung" unter diesen Objekten könnte dabei helfen zu verstehen, wie häufig oder selten Schwarze Löcher mittlerer Masse sind und wie sie sich über Galaxien verteilen. (tberg, 20.2.2020)