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James Watson (links) und Francis Crick mit ihrem Modell der DNA-Struktur 1953.

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Der Erfolg von Crick und Watson basierte wesentlich auf Arbeiten der Biochemikerin Rosalind Franklin. Die Forscher hatten sich ohne Franklins Wissen Zugriff auf ihre noch unveröffentlichten Forschungsergebnisse verschafft.

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Francis Crick konnte sich nicht länger halten. Am 28. Februar 1953 lief der britische Physiker aus dem Cavendish-Laboratorium der Universität Cambridge in das nahe gelegene Pub The Eagle, wo gerade etliche Kollegen beim Mittagessen saßen, und proklamierte selbstbewusst: "Wir haben das Geheimnis des Lebens gefunden!" So erinnerte sich zumindest Cricks Forschungspartner James Watson später in seinem berühmten Buch "The Double Helix" an den denkwürdigen Tag.

Noch ehe die bahnbrechenden Ergebnisse in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift erschienen, setzte sich Crick an den Schreibtisch und schrieb einen langen Brief an seinen zwölfjährigen Sohn: "Mein lieber Michael, Jim Watson und ich haben wohl eine der wichtigsten Entdeckungen gemacht. Wir haben ein Modell für die Struktur von Des-oxy-ribose-nuklein-säure gebaut (lies es sorgfältig), kurz D.N.A. genannt. Wir glauben, dass die D.N.A. ein Code ist und dass wir den grundlegenden Kopiermechanismus gefunden haben, mit dem Leben aus Leben entsteht." Genau 60 Jahre später sollte dieser Brief bei einer Versteigerung für satte 3,5 Millionen Euro den Besitzer wechseln.

Ehrgeiziges Duo

Crick war zwar dafür bekannt, gerne dick aufzutragen, doch mit dieser Sensationsmeldung sollte er recht behalten: Nach jahrelanger Arbeit war es ihm und Watson gelungen, die Molekularstruktur der DNA aufzuklären. Sie kamen zum Schluss, dass das Erbmaterial in Form einer Doppelhelix aufgebaut sein muss – wie eine spiralförmig verdrehte Leiter, deren Sprossen aus jeweils zwei Bausteinen bestehen. Damit hatten sie nicht nur einen Puzzlestein entdeckt, der die Biologie revolutionieren sollte, sie hatten auch ein wissenschaftliches Wettrennen für sich entschieden – wenn auch nicht gerade auf faire Art und Weise.

Francis Crick, 1916 im englischen Northampton geboren, hatte Physik studiert und im Zweiten Weltkrieg an der Entwicklung von Seeminen gearbeitet. 1947 nahm er ein Biologiestudium auf und beschäftigte sich am Cavendish-Laboratorium mit Röntgenstrukturanalysen von Proteinen. Als er dort den um zwölf Jahre jüngeren US-Amerikaner James Watson traf, verstanden sich die beiden auf Anhieb, wie Crick später schrieb, "weil uns eine gewisse jugendliche Arroganz, Skrupellosigkeit und Ungeduld gegenüber nachlässigem Denken eigen war". Watson, der in Chicago und Bloomington Zoologie studiert und zu Bakteriophagen geforscht hatte, wollte sich in England der Erforschung des Erbguts widmen. Die Forscher teilten sich ein Büro – und schon bald auch ein ambitioniertes Ziel: die Struktur der DNA zu enthüllen.

"Wissenschaftliche Clowns"

Ernst genommen wurde das Duo zunächst nicht immer. Der aus Wien stammende Biochemiker Erwin Chargaff, der selbst zur DNA forschte und entdeckt hatte, dass sie aus vier Basen besteht, die immer paarweise auftreten, staunte über das lückenhafte chemische Wissen seiner jungen Kollegen. Er nannte sie "wissenschaftliche Clowns". Doch von solchen Zuschreibungen ließ sich das Duo nicht aufhalten. Den Forschern war klar: Wenn es ihnen gelingen sollte, die Struktur der DNA zu beschreiben, wäre ihnen der Nobelpreis gewiss. Und so begannen sie damit, die Daten anderer Wissenschafter zu kombinieren.

Die Bausteine waren bereits bekannt: Das Erbgut besteht jeweils zu gleichen Teilen aus den Basen Adenin (A) und Thymin (T) sowie Guanin (G) und Cytosin (C), weiters aus Phosphat und Zucker. Wie aber setzte sich dieses molekulare Bauwerk im Detail zusammen? Ihre erste konkrete Idee kam Watson und Crick nach einem Vortrag der Biochemikerin Rosalind Franklin, einer Expertin für Röntgenstrukturanalyse am King’s College London. Ihr waren die bisher besten DNA-Aufnahmen gelungen.

Unautorisierte Einsichtnahme

Watson und Crick entwickelten ein DNA-Modell aus drei Spiralketten und luden Franklin und ihren Kollegen Maurice Wilkins 1952 nach Cambridge ein, um ihnen das Ergebnis zu präsentieren. Franklin erkannte auf den ersten Blick, dass dieses Modell völlig unzulänglich war. Verärgert über die Zeitverschwendung reiste Franklin wieder ab und zeigte an einer weiteren Zusammenarbeit mit dem Duo kein Interesse. Wilkins aber, der mit der Forscherin zusammenarbeitete, aber nur schlecht mit ihr auskam, gewährte Watson und Crick Monate später Zugang zu Franklins neuesten Forschungsergebnissen – ohne ihr Wissen. Watson bezeichnete dies später als Schlüsselmoment für die Entdeckung der DNA-Struktur: Auf den Aufnahmen war zu sehen, dass das Erbgut eine doppelte Spiralstruktur haben musste.

Zudem fiel den Forschern ein vertraulicher und noch unveröffentlichter Forschungsbericht Franklins (ebenfalls ohne ihre Zustimmung) in die Hände, der weitere Anhaltspunkte lieferte. Tagelang bastelten Watson und Crick nun in ihrem Büro mit Molekülmodellen herum, bis sie am 28. Februar 1953 auf eine Struktur stießen, in der alle chemischen Brückenbindungen zueinanderpassten: die Doppelhelix, bestehend aus zwei spiralförmig gedrehten Strängen, die wie eine Leiter mit Sprossen über paarweise angeordnete Basen verbunden sind. Knapp zwei Monate später, am 25. April 1953, veröffentlichten sie die Entdeckung im Fachblatt "Nature".

Späte Ehrung

In ihrer Arbeit erwähnten sie zwar auch Wilkins und Franklin, von deren "Wissen und der allgemeinen Natur ihrer unveröffentlichten Ideen und Ergebnisse" sie stimuliert worden seien. Wie entscheidend Franklins Arbeit für ihre Entdeckung aber tatsächlich gewesen war, blieb ungewürdigt. Dass der Erfolg letztlich auch auf schweren Verstößen gegen wissenschaftliche Standards beruhte, deutete Watson später in seinem Buch, in dem er die Forscherin auch mit allerlei sexistischen Bemerkungen bedachte, aber an: "Ich wusste von ihren Unterlagen mehr, als sie dachte."

Die Auszeichnung von Crick, Watson und Wilkins mit dem Medizinnobelpreis 1962 erlebte Franklin nicht: Sie starb 1958 im Alter von nur 37 Jahren an Eierstockkrebs. Die drei Laureaten erwähnten sie mit keinem Wort. Ehrungen wurden Franklin erst mit großer Verspätung zuteil, inzwischen gibt es aber u. a. einen nach ihr benannten Preis der Royal Society und eine Rosalind-Franklin-Universität in North Chicago. Auch der europäische Marsrover, der im Sommer 2020 zum Roten Planeten starten soll, trägt ihren Namen.

Die drei Nobelpreisträger legten in den folgenden Jahrzehnten beachtliche wissenschaftliche Karrieren hin und erlebten die rasante Entwicklung der Genetik mit. Crick und Wilkins starben 2004, der heute 91-jährige Watson sorgt indes nach wie vor immer wieder für Schlagzeilen: Seine rassistischen und unwissenschaftlichen Aussagen über schwarze Menschen kosteten den emeritierten Professor in den vergangenen Jahren seine Funktion als Kanzler am Cold Spring Harbor Laboratory bei New York und mehrere Titel. Dass dereinst auch ein Rover namens James Watson andere Planeten erkunden wird, darf bezweifelt werden. (David Rennert, Tanja Traxler, 28.2.2020)