Um die Steinstatuen der chilenischen Osterinsel und deren Erbauer ranken sich viele Mythen. Da es zu ihrer Errichtung und ihrem Zweck noch große Wissenslücken gibt, sind auch in der Wissenschaft die Theorien dazu stark umstritten. Dennoch wird der Zusammenbruch der Gesellschaft der Inselbewohner gern als Beispiel dafür herangezogen, wie sich menschliche Gemeinschaften durch verschwenderische Ressourcennutzung selbst zerstören.

Zwei gegensätzliche Theorien

Nach einer Theorie begann der Zerfall der Osterinsel-Gemeinschaft im 17. Jahrhundert nach einer Hochphase, in der die Steinstatuen errichtet worden waren. Dieser Zeitpunkt läge vor dem ersten Kontakt mit europäischen Entdeckern im Jahre 1722, als die Inselbewohner praktisch frei von äußeren Einflüssen waren. Es gibt Hinweise auf eine intensive Bewirtschaftung der Insel, eine Abnahme der Artenvielfalt und sogar gewalttätige Auseinandersetzungen.

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Moai-Nachbildung in Santiago, Chile.
Foto: Reuters/Jorge Silva

Dennoch wurde von spanischen Entdeckern im späten 18. Jahrhundert noch die Durchführung von Ritualen bei den Statuen beschrieben, was von Wissenschaftern als Beleg für eine lebendige Gemeinschaft gedeutet wird. Demnach könnten äußere Einflüsse wie die Ausbeutung der Einwohner oder das Einschleppen von Krankheiten für den Zusammenbruch verantwortlich sein. Auch dafür gibt es Indizien.

Ritualplattformen wurden auch nach Ankunft der Europäer erweitert

Nun haben Forscher aus den USA sich mit der Frage beschäftigt, wann die Bauaktivitäten an den Statuen durchgeführt wurden. Sie deuten Errichtungen oder Erweiterungen der Monumente als Hinweis auf ein aktives Kulturleben einer funktionierenden Gesellschaft. Die Steinstatuen, genannt Moai, stehen auf großen Plattformen, genannt Ahu. Für die Studie, die im Wissenschaftsjournal "Journal of Archaeological Science" veröffentlicht wurde, standen Altersbestimmungen anhand der Radiokarbonmethode zur Verfügung. Die Daten stammten von elf Ahu, die über die Jahre immer wieder erweitert worden waren.

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Eine Reihe von Moai-Statuen auf einer Ahu-Plattform
Foto: Reuters/Jorge Vega

Die Wissenschafter teilten die Bauaktivitäten in drei Phasen ein: die Vorstufe zur Vorbereitung des Standorts, die Errichtung der Plattform und die nachträglichen Erweiterungen wie Flügel und Rampen. Auf Grundlage dessen entwickelten sie statistische Modelle, die den Errichtungszeitraum der elf untersuchten Ahu abschätzen und für die gesamte Insel verallgemeinern sollten. Die Modelle bestätigten zum einen die Hochphase der Statuen-Errichtung im 15. Jahrhundert. Zum anderen zeigte sie aktive Bauphasen noch am Ende des 16. Jahrhunderts, wo manche bereits den Niedergang der Gesellschaft verorten. Darüber hinaus deuteten sie auf fortlaufende Rituale auch nach dem ersten europäischen Kontakt hin.

Studie zweifelt am selbstverschuldeten Kollaps

Die Studienautoren schlussfolgern daraus, dass es weiterhin eine aktive Kultur auf der Insel gab, die den Bau der Monumente und die Ausübung der Rituale pflegte. Der Zusammenbruch der Gesellschaft könnte daher auch von äußeren Faktoren bedingt worden sein und nicht allein durch eine selbstverantwortete Zerstörung des ökologischen Gleichgewichts. (Friederike Schlumm, 14.2.2020)