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Der motorisierte Individualverkehr soll weniger, alternative Mobilität mehr werden – das ist zumindest der Plan der rot-grünen Stadtregierung in der Bundeshauptstadt. Doch wie das genau funktionieren soll, darüber sind sich die Koalitionspartner nicht immer einig.

Zuletzt sah man das an den Umgestaltungsplänen für die Gumpendorfer Straße. Geht es nach den lokalen Grünen, soll diese verkehrsberuhigt werden. Vorgeschlagen werden etwa Einbahnen, breitere und neue Gehsteige wie auch Grünflächen. Die größte Veränderung: An der Kreuzung zwischen Haus des Meeres und Apollo-Kino soll eine Begegnungszone entstehen. Die SPÖ fühlte sich beim Alleingang vor der Wien-Wahl 2020 übergangen. Die Pläne der Grünen seien laut der SPÖ eine "Mogelpackung" und "bewusste Irreführung der Bevölkerung".

Doch auch das "Wiener Fachkonzept Mobilität 2025" sieht die Neuverteilung des Verkehrs in der Stadt bis ins Jahr 2025 vor: In Modal-Split-Kennzahlen ausgedrückt lautet das Ziel "80:20". Das heißt: Die Wiener sollen bis zum Jahr 2025 den Großteil – 80 Prozent – ihrer Wege mit öffentlichen Verkehrsmitteln, dem Rad oder zu Fuß zurücklegen. Der Anteil des motorisierten Individualverkehrs hingegen soll auf 20 Prozent zurückgedrängt werden – kein einfaches Unterfangen.

Öffi-Anteil stagniert

Denn die Zahlen der Wiener Linien, die jedes Jahr den Modal Split veröffentlichen, zeigen: Der Öffi-Anteil stagniert. Im Jahr 2018 lag dieser, wie auch schon im Jahr davor, bei 38 Prozent, er hat sich seit 2012 kaum verändert. Gleich blieb mit sieben Prozent auch der Anteil jener Wege, die mit dem Fahrrad zurückgelegt werden.

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Gestiegen ist jedoch, und das auf Kosten der Fußgänger, im Jahresvergleich 2018 zu 2017 der Autofahreranteil um ganze zwei Prozentpunkte auf 29 Prozent. Und das trotz der Tatsache, dass es im Jahr 2018 mehr Wiener-Linien-Jahreskartenbesitzer (822.000) als angemeldete Pkws (709.288) in Wien gab.

Das Problem: Das Netz der Wiener Linien ist vor allem in der Innenstadt gut ausgebaut und dicht getaktet – allerdings, sagt die Wiener Vizebürgermeisterin und Verkehrsstadträtin Birgit Hebein (Grüne) zum STANDARD, fehlen gerade in den Außenbezirken noch Querverbindungen zwischen Bus, Bim und U-Bahn. Allein der Öffi-Ausbau in den Außenbezirken wird den Modal Split nicht drehen. Rot-Grün setzt daher auf Verkehrsberuhigung an allen Ecken und Enden der Stadt. Der Verkehr sei "das große Sorgenkind für den Klimaschutz", sagt die Grünen-Politikerin.

Flächendeckend Tempo 30

Nicht nur für den Klimaschutz, sondern auch um die Sicherheit der Kinder auf den Straßen zu erhöhen, forderte im September der Verkehrsclub Österreich, im Ortsgebiet generell auf Tempo 30 statt Tempo 50 zu reduzieren. Der 50er sollte demnach im Ortsgebiet nur dort erlaubt sein, wo es aus Sicht der Verkehrssicherheit zulässig ist.

Tatsächlich muss man auf 80 Prozent der Wiener Straßen bereits auf die Bremse treten – hier gilt schon jetzt Tempo 30.

Für Hebein steht eine Temporeduktion im ganzen Stadtgebiet nicht an erster Stelle. Es gebe zwar viele Gespräche mit den Wiener Linien, wo eine Verlangsamung den öffentlichen Verkehr nicht beeinträchtige. Allerdings würden jene Maßnahmen priorisiert, die einfacher möglich seien.

In Neubau hatte der grüne Bezirksvorsteher Markus Reiter hingegen bereits vergangenen Sommer angekündigt, dass in seinem Bezirk zur Gänze Tempo 30 gelten solle. Neubau werde dadurch der "erste Bezirk Wiens, in dem eine derartig umfassende Regelung gelten wird", jubelte er.

Neubau in Warteschleife

Doch die Umsetzung ist in der Warteschleife. Der Grund: das Behördenverfahren. Im Herbst habe es Tests mit dem Öffi-Betreiber gegeben. "Wir haben uns angesehen, wo wir Ampeln gegebenenfalls anpassen müssen, um so den Öffi-Verkehr zu beschleunigen", sagt Reiter zum STANDARD. Er gehe davon aus, dass der Prozess noch im Frühjahr abgeschlossen wird. Viele Straßen gibt es aber nicht im Siebenten, wo überhaupt noch 50 km/h gefahren werden darf. Das ist etwa in der Kaiserstraße der Fall, wo aber auch die Straßenbahnlinie 5 durchzieht. "Wir haben viel Verkehr innerhalb von ein bis zwei Kilometern", sagt Reiter. Gerade die Neustiftgasse und die Burggasse seien ein "heißes Thema": Auf den Haupteinfahrtstraßen gilt für die Busspur Tempo 50, während der Individualverkehr auf Tempo 30 beschränkt ist. "Zwei unterschiedliche Geschwindigkeiten funktionieren nicht." Der Individualverkehr würde mit der höheren Geschwindigkeit mitziehen.

Durch die Umgestaltungen der vergangenen 20 Jahre habe der Siebente aber sowieso einen der geringsten Pkw-Anteile. In Neubau wird der Radverkehr gefördert, etwa durch Lückenschlüsse mit Radrouten gegen die Einbahn. Und auch die E-Scooter sollen als Alternative etabliert werden. Dafür sollen sie weg vom Gehsteig und erhalten eigene Abstellplätze auf der Parkspur. Schließlich gehe es oft nur um die "letzte Meile".

Schulstraßen für Sicherheit

Für mehr Sicherheit für Kinder auf dem Weg zum Unterricht sollen sechs Schulstraßen sorgen. Eine halbe Stunde vor Schulbeginn gilt dort ein Fahrverbot für Kraftfahrzeuge. Gestartet ist das Vorhaben 2018 mit einem Pilotprojekt in der Leopoldstädter Vereinsgasse. Die Evaluierung des Versuchs habe gezeigt, dass das Verkehrsaufkommen stark gesunken ist.

Eine halbe Stunde dürfen in den Schulstraßen vor Unterrichtsbeginn keine Kfz fahren.
Foto: Mobilitätsagentur/Christian Fürthner

Wo sich zuvor Elterntaxis gestaut hatten, waren die Straßen entlastet – auch im umliegenden Grätzl. Geplant sind weitere Straßen, viele Volksschulen hätten sich bereits gemeldet, hieß es von der Mobilitätsagentur.

Und auch ein Thema, das von Hebeins Vorgängerin, Maria Vassilakou, ins Rennen gebracht wurde, liegt dort noch immer: die Citymaut. "Sie liegt so lange auf dem Tisch, als es keine Alternativen gibt. Aber sie ist derzeit eine von vielen Möglichkeiten", sagt Hebein. Und: "Die Zeiten, wo man über jeden einzelnen Stellplatz streitet, sind vorbei."

Opposition nicht an Bord

Das dem allerdings nicht immer so ist, zeigt ebenfalls die Gumpendorfer Straße. Die ÖVP etwa lehnte die "realitätsfernen Pläne" der Grünen, eine "zentrale Verkehrsader zu kappen und einmal mehr Verkehrsteilnehmer gegeneinander auszuspielen", ab.

Die FPÖ sprach von einem "Anschlag auf Autofahrer". (Oona Kroisleitner, 4.2.2020)