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Der perfekte Espresso: ein Fall für interdisziplinäre Forschung.
Foto: REUTERS/Phil Noble

Eine Gruppe von Physikern, Chemikern, Mathematikern und Materialwissenschaftern aus fünf verschiedenen Ländern hat sich zusammengetan, um eine knifflige Frage zu lösen: Wie mache ich den perfekten Espresso? Und wie stelle ich es an, dass der nächste genauso perfekt wird wie der erste? Das Ergebnis präsentierten sie im Fachjournal "Matter", und es beinhaltet die eine oder andere Überraschung.

Kernaussage der über zahlreiche Kaffeerunden hinweg zustande gekommenen Studie: Man solle die Bohnen nicht allzu fein mahlen, dafür dürfe man auch bei ihrer Anzahl sparen. Der Chemiker Christopher Hendon von der University of Oregon räumt ein, dass das dem Hausverstand zuwiderläuft. Im Schnitt würden normalerweise etwa 20 Gramm Kaffeebohnen genommen und diese dann so fein gemahlen, wie es nur geht. Der Gedanke dahinter: Je kleiner die Partikel sind, desto mehr Oberfläche kann vom durchströmenden Wasser erreicht werden – und desto mehr Aromastoffe gelangen damit letztendlich ins Getränk.

Die Crux mit dem Flux

Das stimmt aber gar nicht, bilanzieren die Forscher. Ist der Kaffee zu fein gemahlen, kommt es im sogenannten Kaffeebett zu Verklumpungen. Die Partikel liegen dort so dicht an dicht, dass das Wasser nicht ausreichend an ihnen vorbeiströmen kann und dadurch Geschmacksstoffe verpasst. Das würde auch dazu führen, dass das Geschmacksergebnis (oder die "Extraktionsausbeute") von Mal zu Mal anders sein kann. Will man gleichbleibende Qualität, nehme man weniger Bohnen (etwa 15 Gramm) und mahle diese nicht mit allerletzter Vehemenz.

Zu diesem Ergebnis kamen die Forscher durch Erstellung von Strömungsmodellen. Diese mussten stark vereinfacht sein, wie der Mathematiker Jamie M. Foster von der Universität Portsmouth zugibt: Um die Gesamtheit der Miniaturströmungen entlang der Millionen unterschiedlich geformter Partikel in einem Kaffeebett zu berechnen, bräuchte man "mehr Rechenleistung, als Google hat". Diese Vereinfachung lieferten den Forschern Kollegen aus der Elektrochemie mit ihren Modellen, wie sich Lithium-Ionen durch die Elektroden einer Batterie bewegen.

Die Versuchsreihe der Forscher fand übrigens unter der Aufsicht eines professionellen Barista statt.
Foto: Five Senses Coffee (Australia)

"Wir sind uns darüber im Klaren, dass wir nicht versuchen, den Geschmack des Espressos zu verbessern", sagt Hendon. Der Tipp läuft eher auf bessere Wirtschaftlichkeit hinaus: Weniger Material bedeutet weniger Abfall und natürlich auch geringere Kosten. Steigt ein kleines Kaffeehaus von 20 auf 15 Gramm Bohnen pro Espresso um und mahlt diese nach Hendons Methode, könnte es ein paar tausend Euro pro Jahr sparen – ohne dass die Kunden leiden, denn das Geschmackserlebnis bliebe das gleiche.

... vorausgesetzt natürlich, dass auch all die anderen Gebote befolgt werden, die für einen guten Espresso unerlässlich sind: die Auswahl der richtigen Bohnen, die Röstung, die Länge des Wasserdurchlaufs, die Wassertemperatur und vieles mehr. Und über allem anderen steht natürlich der individuelle Geschmack – wenn der ein formal nicht-perfektes Ergebnis bevorzugt, ist Hendons ganze Formel für die Katz. (red, 23.1.2020)