Bier ist das beliebteste alkoholische Getränk der Österreicher.

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Wien – In den vergangenen 50 Jahren haben sich der Konsum von Alkohol in Österreich und die Einstellung der Bevölkerung zum Alkohol langsam, aber konsequent zum Positiven verändert. So ist der durchschnittliche Pro-Kopf-Konsum im Jahr 1973 von 15,6 Litern reinem Alkohol – das entspricht etwa 600 Krügel Bier oder etwa 1.800 kleinen Schnäpsen – auf im Schnitt 12,2 Liter (rund 480 halbe Liter Bier oder 1.460 kleine Schnäpse) gesunken. Das heißt, die Österreicher trinken um fast ein Viertel weniger Alkohol als noch vor einem halben Jahrhundert. Zu diesem Ergebnis kommen die Autoren des "Handbuchs Alkohol – Österreich", dessen 20. Ausgabe am Freitag in Wien präsentiert wurde.

Der gesunkene Gusto auf Alkohol lässt sich durch mehrere Indikatoren belegen, wie Alfred Uhl, Leiter des Kompetenzzentrums Sucht der Gesundheit Österreich GmbH, betont: Regelmäßiger starker Alkoholkonsum in der Arbeitswelt ist zur Ausnahme geworden, und Verkehrsunfälle im Zusammenhang mit Alkohol sind seit den 1960er-Jahren drastisch zurückgegangen. Das weise darauf hin, dass sich Präventionsmaßnahmen und gesetzliche Änderungen erfolgreich ausgewirkt hätten. "Das Bewusstsein, dass Alkohol ein Problemstoff ist, ist in Österreich gestiegen", resümiert Uhl.

Besonders die Jugend hat zunehmend weniger Lust auf die berauschende Wirkung des Alkohols. "Das ist ein genereller Trend in der westlichen Gesellschaft. Die Gründe dafür sind noch unklar, es gibt dafür auch keine monokausale Erklärung", sagt Datenanalytiker Julian Strizek. Verantwortlich dafür könnte demnach beispielsweise ein gestiegenes Gesundheitsbewusstsein sein und eine Verlagerung der Freizeitaktivitäten in Richtung soziale Medien, Internet oder Computerspiele. Dafür, dass der Alkohol durch andere Suchtmittel wie Cannabis ersetzt wird, gebe es derzeit keine Hinweise.

Was die Suchtexperten noch aus ihren Daten ablesen können: Neun Prozent der Österreicher weisen einen problematischen Alkoholkonsum auf, Männer sind doppelt so häufig betroffen wie Frauen, so Strizek. Als alkoholabhängig gelten zusätzlich etwa fünf Prozent, die größten Problemgruppen stellen hier die 40- bis 49-Jährigen und die Alterskohorte zwischen 50 und 59 Jahren dar.

Bei der Behandlung alkoholkranker Menschen hat sich viel getan. Während vor 50 Jahren noch stark moralisierende Konzepte dominierten, die einer radikalen Abstinenzorientierung verpflichtet waren, rückt man davon mittlerweile ab. So kann eine möglichst große Anzahl alkoholkranker Patienten möglichst frühzeitig zur Behandlung motiviert werden.

Die Therapie ist heute deutlich patientenorientierter, zum Ziel der Abstinenz kam das Konzept der Konsumreduktion und "Schadensbegrenzung" für Personen, die nicht von ihrer Alkoholsucht loskommen. In solchen Fällen kann damit ebenfalls eine deutliche Verbesserung von Gesundheit, Arbeitsfähigkeit und Lebensqualität erzielt werden.

Damit unterscheidet sich Österreich deutlich von skandinavischen und angloamerikanischen Ländern. Den Experten zufolge ist die Behandlung der Alkoholsucht in protestantisch geprägten Ländern von restriktiven Kontrollansätzen geprägt, in Gebieten katholischer Prägung wird hingegen moderater Alkoholkonsum neutral bis positiv bewertet und in Verbindung mit Genuss und Lebensqualität gesetzt. In Österreich gebe es deshalb in Richtung einer differenzierten Sichtweise noch genug zu tun, meint Uhl. "Der Trinkdruck muss reduziert werden."

Kein einheitlicher Jugendschutz

Wie bei anderen chronischen Erkrankungen sind zur Behandlung alkoholabhängiger Menschen immer wieder Interventionen durch das Gesundheitssystem notwendig. "Es muss mehr auf psychische Erkrankungen eingegangen werden", ergänzte Strizek. Die integrierte Versorgung müsse ausgebaut, "die Menschen nicht sich selbst überlassen" werden. In diesem Zusammenhang gewinnen integrierte Behandlungssysteme an Bedeutung. Dabei befassen sich zentrale Anlaufstellen mit den Patienten, erstellen für diese einen Behandlungsplan und weisen sie geeigneten Behandlungseinrichtungen zu. "Gleichzeitig setzt sich die Erkenntnis durch, dass eine Alkoholabhängigkeit häufig als Ergebnis eines missglückten "Selbstbehandlungsversuchs" (self medication) bei psychiatrischen oder psychosozialen Grundproblemen zu verstehen ist", erklärt Uhl.

Was Uhl außerdem kritisiert: In Österreich gibt es noch immer nicht eine Vereinheitlichung des Jugendschutzes. Der sei immer noch Ländersache und weist trotz mancher Verbesserung nach wie vor deutliche Unterschiede auf. Es gab zwar immer wieder Bestrebungen, diese Bestimmungen zu vereinheitlichen, die aber bisher stets scheiterten. "Ich hoffe, dass da noch einiges passiert." (bere, gueb, 17.1.2020)