Jakarta/Brisbane – Bei der Erforschung der Frühgeschichte des modernen Menschen hat sich die Wissenschaft lange auf Afrika, Europa und den Nahen Osten konzentriert. Dabei geriet aus dem Blick, dass sich viele wichtige Entwicklungsschritte auch in Südostasien nachvollziehen lassen. Wie sich immer wieder zeigt, war man dort zum Teil sogar schon früher "weiter" als in in Europa.

Jüngster Beweis dafür ist eine Entdeckung, die bereits im Jahr 2017 gelang, aber erst diesen Mittwoch veröffentlicht wurde: Auf der zu Indonesien gehörenden Insel Sulawesi fand ein Forscherteam um Adam Brumm und Maxime Auber (Griffith-Universität in Brisbane, Australien) Jagdmalereien, die zum Teil auf ein Alter von zumindest 43.900 Jahre datiert wurden und damit als die bislang ältesten bekannten gegenständlichen Abbildungen beziehungsweise Kunstwerke gelten.

Die bisher älteste Zeichnung der Welt war seit 2016 eine rote Scheibe, die vor mindestens 40.800 Jahren an eine Wand in der Höhle von La Castillo in Spanien gemalt wurde. Damit können es die frühen indonesischen "Künstler" in jeder Hinsicht locker aufnehmen.

Eine filmische Expedition in die Höhle auf Sulawesi.
Griffith University

Das gesamte Gemälde, das sich in der Kalksteinhöhle Leang Bulu Sipong 4 befindet, ist rund 4,5 Meter lang. Um das Alter der Höhlenmalereien zu bestimmen, griffen die Forscher auf die sogenannte Uran-Thorium-Datierung zurück, wie sie im Film und im Fachblatt "Nature" berichten. So war es möglich, das Erstellungsdatum der jeweiligen Szenen recht genau zu ermitteln.

Skizze der gesamten Jagdmalerei in der Höhle inklusive der Altersdatierung. Unschwer zu erkennen sind die zwei Schweine und rechts das Rind. Nur klein abgebildet sind die Jäger, auf der Skizze als "Ther" bezeichnet.
Grafik: Adam Brumm

Die gemalten Jagdszenen zeigen menschliche Figuren mit Tierattributen (sogenannte Therianthropen, daher auch die Abkürzung "Ther"), die zwei Schweine und vier Anoas attackieren, eine nur auf Sulawesi heimische Rinderart. Dabei nutzen sie Speere und anscheinend auch lange Seile. Die dunkelrot gehaltenen Menschen und Tiere wurden dabei im gleichen Stil und in der gleichen Technik gemalt.

Detailansicht einer Jagdszene mit sechs Tier-Mensch-Mischwesen, die einen Anoa jagen; links die Skizze der Forscher.
Foto und Illustration: R. Sardi und Adam Brumm

Die bekannteste Form der Therianthropie ist die Verwandlung in einen Werwolf. Weitere Beispiele sind bestimmte totemistische Ideen im Schamanismus oder die Darstellungen des ägyptischen Gottes Ra als Mensch mit Falkenkopf. Als älteste Darstellung solcher Mischwesen galt bisher der Löwenmensch, der in der nordöstlich von Ulm gelegenen Höhle Hohlenstein-Stadel gefunden wurde. Diese 31 Zentimeter hohe Skulptur aus Mammut-Elfenbein zeigt einen Menschen mit dem Kopf und Gliedmaßen eines Löwen und ist etwa 40.000 Jahre alt.

Details der Mensch-Tier-Wesen, die zum Teil Attribute von Vögeln oder Reptilien aufweisen.
Foto: R. Sardi

Gemeinsam mit den neuentdeckten Malereien deutet der Löwenmensch darauf hin, dass solche Mensch-Tier-Wesen in der Fantasie der frühen modernen Menschen eine wichtige Rolle gespielt haben. Für Projektleiter Brumm schufen die frühen Indonesier jedenfalls eine Kunst, "die möglicherweise ein spirituelles Denken über die besondere Beziehung zwischen Menschen und Tieren ausdrückt – lange bevor es zu den ersten künstlerischen Darstellungen in Europa kam". (Klaus Taschwer, 11.12.2019)