Noch immer ist der Anteil der Studentinnen und Absolventinnen in der Informatik gering. Dabei könnten von einem ausgeglichenen Geschlechterverhältnis in der IT alle profitieren.

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"Informatik ist zu wichtig, um sie nur Männern zu überlassen" – so die frei übersetzten Worte der britischen Professorin Karen Spärck Jones. Die 2007 verstorbene Informatikerin lehrte und forschte an der Universität Cambridge und kam damit in eine Position, die verhältnismäßig wenigen Frauen vorbehalten ist.

An der Technischen Universität Wien wird an der Veränderung gearbeitet. Mittlerweile sind 25 Prozent der vollen Professorenstellen von Frauen besetzt; bei vier von 35 außerordentlichen Professuren gibt es noch Luft nach oben. Karen Spärck Jones’ Worte betitelten denn auch eine Veranstaltung an der TU Wien, die ausloten sollte, wie mehr Frauen für die Computerwissenschaften gewonnen und auch dort gehalten werden können.

Warum gehören Frauen besonders gefördert? Für Loukas Balafoutas, Professor für Experimentelle Ökonomik an der Uni Innsbruck, ist die Sache klar: "Es gibt mehrere Studien, die belegen, dass Diversität am Arbeitsplatz im Schnitt mit einer stärkeren Leistung zusammenhängt. Viele Bereiche würden von mehr Frauen in Führungspositionen profitieren. Noch dazu tendieren Männer stärker zu Risikoverhalten."

Solche geschlechtstypischen Verhaltensweisen könnten biologisch erklärbar sein, aber nicht ausschließlich: "Die Beweise sind hier verhältnismäßig spärlich, aber Experimente in verschiedenen Kulturen deuten darauf hin, dass die Sozialisierung hier eine wichtigere Rolle spielt als angeborene Charakteristika." Kinder unter drei Jahren verhielten sich geschlechtsunabhängig ähnlich, und in matriarchalen Strukturen seien es eher Mädchen, die zum Risiko neigen.

Neue Denkanstöße

Durch unterschiedliche Sozialisierung wäre teils auch erklärbar, dass sich Arbeitsweise und Einstellungen von Frauen im Durchschnitt von jenen ihrer männlichen Kollegen unterscheiden.

Erika Abraham, Informatikprofessorin an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen, spricht aus eigener Erfahrung: "Es kostet teilweise mehr Energie, mit anders agierenden Menschen zusammenzuarbeiten. Aber in einem ausgeglichenen Verhältnis würde dadurch jeder neue Denkanstöße bekommen."

Hinzu kommt das Problem tausender unbesetzter Jobs im IT-Bereich, Tendenz steigend. Die Drop-out-Quoten in österreichischen Informatikstudiengängen liegen generell bei mehr als 50 Prozent. An der TU Wien betrug der Frauenanteil der Bachelor-Anfängerinnen in den vergangenen Jahren durchschnittlich 19 Prozent, bei den Absolventinnen waren es nur noch 13. Es hörten also im Verhältnis mehr Frauen auf.

"Wir können es uns nicht leisten, dass wenige Frauen in die Informatik gehen und wir diese dann auch noch früher oder später verlieren", sagt Abraham. "Vor allem nicht, wenn es daran liegt, dass sie sich im Studien- oder Arbeitsumfeld nicht wohlfühlen."

Dabei sei es wichtig, dass möglichst diverse Teams an diesen Herausforderungen arbeiten, zukünftige Programme und Dienste gestalten und dabei unterschiedliche Gesichtspunkte berücksichtigen. Die effektivste Methode, um den Frauenanteil in leitenden Positionen zu erhöhen, sei eine Quote.

Balafoutas stellte dies selbst in einer Studie fest: "Eine Quote schließt die Kluft zwischen Frauen und Männern. Es können dadurch viele gute Frauen erreicht werden, die sich sonst nicht getraut hätten, überhaupt um eine Führungsposition zu kämpfen. Auch die Zusammenarbeit in Teams leidet nicht darunter."

Gerechte Möglichkeiten

Dabei muss kein perfektes 50:50-Verhältnis angestrebt werden, wie Abraham ergänzt: "Wenige Branchen haben eine so gleichmäßige Verteilung. Das Ziel sind gerechte Möglichkeiten. Jede Frau, die sich für IT interessiert, soll diese Karriere unvoreingenommen und unabhängig in Betracht ziehen."

Dem stehen auch konservative Werte im Weg. Wie sollen etwa in Familiendingen Mütter eine Entlastung spüren, wenn Väter selten Elternzeit nehmen, weil diese gesellschaftlich zu wenig anerkannt ist? Auch die Erwartung an Männer, finanzielle Familienversorger werden zu müssen, trägt zur Berufswahl bei.

Und Jobs im Informatikbereich wurden historisch erst dann besser bezahlt, als Renommee und Aufschwung eintraten und Frauen – die ersten Programmierenden – aus der Sparte gedrängt wurden. Diskriminierung gegen Frauen ist freilich noch immer nicht aus der Welt.

"Eine Veränderung der aktuellen Situation muss zweigleisig fahren", sagt Balafoutas. Einerseits braucht es Änderungen im System wie gesetzliche Quoten oder Anpassungen in Karenzregelungen. Andererseits muss man soziale und persönliche Einstellungen überdenken.

"Frauen tendieren dazu, weniger Selbstvertrauen als Männer zu haben und sich von Wettbewerbssituationen fernzuhalten. Das führt oft dazu, dass sie eine Stelle nicht bekommen, obwohl sie die gleiche – oft höhere – Qualifikation hätten."

Es lohnt sich daher besonders, Frauen individuell zu motivieren. Zusammen mit Förderungen in jungen Jahren und dem Vermitteln eines realistischeren Bildes von Informatikern in Medien können diese Maßnahmen einen großen Unterschied machen. (Julia Sica, 12.12.2019)