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I can't get no satisfaction ... wenn der erwartete Ton nicht kommt.
Foto: Mark Allan/Invision/AP

Wien/Salzburg – Ganz überraschend kommt diese Erkenntnis vielleicht nicht, aber: Wenn wir eine vertraute Melodie hören, antizipieren wir den nächsten Ton bereits, bevor wir ihn tatsächlich hören. Wie sich dieser Prozess im Gehirn gestaltet, haben nun Salzburger Forscher untersucht. Und sind dabei auf etwas gestoßen, das dann doch überrascht: Dieser Prozess könnte nämlich eine Querverbindung zur Anfälligkeit für Tinnitus haben.

Der Versuch

Die Forscher um Gianpaolo Demarchi vom Center for Cognitive Neuroscience der Uni Salzburg spielten 33 Probanden eine ihnen bekannte Melodie aus vier unterschiedlich hohen Tönen mit einem Abstand von 333 Tausendstel Sekunden vor und maßen währenddessen ihre Gehirnströme mittels Magnetenzephalografie (MEG). Kurz nach jedem Ton zeigten sich im Gehirn schon die tonhöhenspezifischen neuronalen Muster für den Folgeton. Das Gehirn nahm den nächsten Ton demnach schon 300 Millisekunden vorweg. "Es erwartete sogar einen speziellen Ton, und nicht nur irgendeinen", sagt Demarchi.

"Wenn wir einen Ton ausgelassen haben, traten die selben Muster auf, die Aktivierung war sogar noch stärker, als bei einem tatsächlich angebotenen Ton", erklärte er. Das Gehirn suche quasi danach. Das könnte nützlich sein, wenn man sich in einer lauten Umgebung unterhalten will und nicht jede Silbe des Gegenübers tatsächlich hört. Die Lücken werden dann automatisch vom Gehirn gefüllt, damit man die Gesprächspartner trotzdem versteht.

Mögliche Nebenwirkung

Wie die Forscher im Fachjournal "Nature Communications" berichten, könnte der Prozess aber auch eine Schattenseite haben: Ein besonders stark ausgeprägtes "Suchverhalten" könnte nämlich ein Grund für die Tinnitus-Empfänglichkeit sein, also die Wahrnehmung lästiger Phantomgeräusche nach einer Hörschädigung.

Demarchis Kollege Nathan Weisz dazu: "Nicht jede Person, die eine Hörschädigung erleidet, erlebt Tinnitus und nicht jede Person, die akuten Tinnitus hat, bildet diesen Zustand chronisch aus. Mit unserer Forschung haben wir möglicherweise einen Erklärungsansatz dafür gefunden, was die Unterschiede zwischen den Individuen bedingt." (red, APA, 7. 12. 2019)