Das Oberdeck einer Luxusyacht als Kunstobjekt glänzt, lockt und warnt.

Foto: Johannes Stoll, Belvedere Wien

Kunst kann einen erschlagen ob ihrer Plattheit, ihrer Absurdität, ihrer schieren Größe. Manchmal verpasst sie einem den rechten Haken aber auch mit ihrer Aktualität und Klugheit, vor allem aber mit ihrer Präsenz, die sich nicht ausschließlich durch ihre Abmessungen definiert.

Bumm, da steht sie dann und kann’s ja doch. So gerade Eva Grubingers Arbeit Malady of the Infinite im Belvedere 21, die nicht nur an und für sich bemerkenswert ist, sondern auch am für sie optimalen Ort steht. Allein auf weiter Flur im Belvedere 21, dem ehemaligen Österreich-Pavillon für die Weltausstellung in Brüssel anno 1958, einem Unmuseum also, thront das Oberdeck einer Superyacht in glänzendem Weiß. Flankiert wird es von schwarzen Seeminen, die sein Muskelspiel, zumindest auf den zweiten Blick, einzudämmen vermögen.

Yachten = Kunst

Hat man die imposante Skulptur, gebaut in der Nähe von Hannover aus demselben Material, mit dem man Luxusyachten herstellt, erst einmal verdaut, geht es schon los mit der Assoziationskette. Gern auch im Sitzen, denn auf dem Kunstwerk darf und soll man Platz nehmen. Zuerst also das Naheliegende, das sich im Wortfeld Kunst und Yacht auftut: die Luxusyachten, die für Oligarchen und ihre – hoffentlich frisch pedikürten – Gattinnen genauso Statussymbole darstellen wie hochpreisige Flachware, das Kunstanhäufen im Allgemeinen. Dass Grubinger die Yacht also zum Kunstwerk macht, weil es für das eine Prozent eben "dasselbe" ist, scheint nur naheliegend.

Die drei das Gestell umgebenden Seeminen schwingen sich wiederum zum Memento mori auf – würde das fesche Schiffchen eine Mine touchieren, würde die Sprengladung explodieren, und das wäre es dann mit dem imaginierten Sektschlürfen im Fahrtwind gewesen. Hat man tatsächlich Platz genommen, betrifft einen das plötzlich auch selbst. Die Assoziationskette spinnt sich jetzt ungehalten weiter. An den Glamour vor dem Untergang einer Titanic mag man da genauso denken wie an das Meer als Todeszone für jene, die ein besseres Leben nicht unbedingt gleich mit Yachten assoziieren. Überleben würde ihnen oft reichen.

Faszination und Kritik

Natürlich schrillt da gleich die Sirene der Kapitalismus- und Gesellschaftskritik, aber Grubingers Arbeit ist kein schiffgewordener erhobener Zeigefinger. Sie kritisiert den Kapitalismus ebenso, wie sie offensichtlich von ihm fasziniert ist und bringt damit das Grundparadoxon unserer Zeit auf den Punkt. Die Yacht ist zu slick, zu schön, zu perfekt, als dass man ihre Reize so einfach von sich weisen könnte. Grubinger blickt damit viel differenzierter und politischer auf Luxus und Kapital als jene, die anprangern, ohne die Verlockungen zu verstehen.

Die Liebe zur Oberfläche, zum Material wird auch in vielen anderen Arbeiten der gebürtigen Salzburgerin, Jahrgang 1970, sichtbar. Ihre Objekte haben oft etwas Fetischhaftes, sie sind bedrohlich aber appetitlich, fast schon geil. Bereits einmal hing Grubinger eine Bombe ins Belvedere, die wie eine Christbaumkugel von der Decke baumelte. Kunst, die das Museum sprengt? Das hat dann eben auch Witz.

Es wäre gar nicht verkehrt, wenn Grubinger als nächsten Österreich-Pavillon den der Biennale in Venedig bespielt. Die Luxusyachten könnte sie sich dann vor Ort ansehen. (Amira Ben Saoud, 6.12.2019)