Der Schnee hat einige Zelte im Lager in Vucjak niedergedrückt. Auch innerhalb der Zelte gibt es Schlamm und Regenpfützen.

EPA / Fehim Demir

Bei den Minustemperaturen ist der Verbleib mehr als gesundheitsgefährdend. Da helfen auch Lagerfeuer nicht viel.

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Es ist in Bosnien-Herzegowina nicht anders als innerhalb der Europäischen Union. Jene Regionen, die mit der Migrationskrise überfordert sind, bekommen von anderen zu wenig Solidarität. In der EU ist das vor allem Griechenland, in Bosnien der Kanton Una-Sana an der kroatischen Grenze, insbesondere die Stadt Bihac. Bürgermeister Šuhret Fazlic bat die Kollegen aus anderen Ortschaften der bosnischen Krajina schon vor ein paar Wochen, einen Teil der Migranten aufzunehmen. Doch keiner hat ihm geantwortet.

Seit mehr als zwei Jahren kommen tausende Migranten nach Bihac, weil sie versuchen wollen, von hier aus illegal die Grenze nach Kroatien zu überqueren. Die meisten sind in den Lagern Bira und Borici untergebracht. Ein paar Hundert wurden im Sommer wegen der Zuspitzung der Situation in der Stadt in ein Zeltlager zehn Kilometer außerhalb gebracht.

In Kaserne unterbringen

Doch dieses Lager ist nicht winterfest und wird nun, auch nach heftiger Kritik von internationalen Organisationen an den menschenunwürdigen Zuständen, geräumt. Am Mittwoch befanden sich laut EU-Kreisen "nur" mehr 250 Migranten in Vucjak.

Sicherheitsminister Dragan Mektic kündigte an, dass auch die anderen Migranten in den nächsten zwei Wochen an anderen Orten untergebracht werden. Die Blažuj-Kaserne in der Nähe von Sarajevo wird gerade adaptiert. Doch nicht alle Migranten wollen trotz des Schnees, der Kälte, der Nässe und des Schmutzes in Vucjak das Lager verlassen. Denn hier gelten nicht so strenge Regeln, und die Migranten können sich selbst ihr Essen kochen. Vor allem aber liegt das Freiluftcamp unweit der kroatischen Grenze.

Von hier aus brechen die Männer – es sind vorwiegend Pakistaner und Afghanen – zum "Game" auf. Darunter verstehen sie den Versuch, sich an den kroatischen Grenzbeamten vorbeizuschleichen, welche sie oft brutal zurücktreiben. Die kroatischen Beamten schicken Migranten sogar nach Bosnien zurück, wenn diese sich bereits weit im Landesinneren befinden. Wie die Zeitung Žurnal berichtete, wurden zwei nigerianische Studenten, die legal in Kroatien waren, in Zagreb festgenommen, an die bosnische Grenze gefahren und in den Wald getrieben.

Nahrungsmittelverweigerung

In Vucjak selbst verweigern Migranten seit drei Tagen das Essen, das ihnen vom bosnischen Roten Kreuz gebracht wird. Mit dem Streik wollen sie erreichen, dass sie in die EU, also nach Kroatien, einreisen können. Das Rote Kreuz hat deshalb nun seine Helfer abgezogen. Die Migranten betonen zudem, dass sie nicht in ein anderes Lager in Bosnien übersiedelt werden wollen.

Am Dienstag griffen einige von ihnen Polizisten an, weil diese sie unter einem Lastwagen, der Brennholz gebracht hatte, herausholen wollten. Auch sie wollten mit diesem Protest erreichen, dass die Grenzen geöffnet werden. Die meisten Migranten wissen, dass sie keinerlei Chance haben, in der EU oder in anderen Teilen Europas einen legalen Aufenthaltsstatus zu bekommen. Deshalb wollen viele nach Italien und dort untertauchen. Manchmal werden aber auch falsche Hoffnungen und Gerüchte geschürt. Und solange es einige von ihnen bis nach Italien schaffen, bleibt der Pullfaktor Richtung Bihac bestehen.

Kaum Rückführungen

Der bosnische Staat war bisher nicht in der Lage, dafür zu sorgen, dass die Migranten effizient in ein rechtsstaatliches Verfahren zur Abklärung ihres Status oder zurück in die Heimat gebracht werden. Grundsätzlich sollten sie so ein Verfahren in den Ankunftsländern Griechenland oder Bulgarien durchlaufen. Doch es fehlt an Datenaustausch mit den EU-Staaten, und die Grenze zwischen Serbien und Bosnien-Herzegowina wird zu wenig kontrolliert.

Der Hohe Vertreter der Internationalen Gemeinschaft, Valentin Inzko, forderte mehr Solidarität von den anderen Kantonen und dem Landesteil Republika Srpska. Er sagte, dass neben den Österreichern die Serben die größte Gruppe in Wien seien, und Serben auch in vielen anderen Ländern der Welt gut aufgenommen würden.

"Und so sollte es wechselseitig sein, wenn andere hierherkommen", so Inzko. Die EU hat bisher 32 Millionen Euro für die Bewältigung der Migrationskrise in Bosnien-Herzegowina gezahlt. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 6.12.2019)