Bahnfahren soll günstiger werden, fordern Klimaschützer.

Foto: APA/EXPA/ JOHANN GRODER

Zwischen 400 und tausend Euro kostet die Anreise per Zug, um hundert Euro ist ein Direktflug zu bekommen. Zeitdifferenz: mehr als ein ganzer Tag. Wer auf ökologische Weise von Österreich zum Weltklimagipfel nach Madrid reisen möchte, braucht Zeit, gute Nerven – und vor allem viel Geld.

Ein Missstand, der laut Greenpeace teilweise auf die geltende Rechtslage in Österreich zurückzuführen ist. Die Umweltorganisation kritisiert, dass auf den grenzüberschreitenden Bahnverkehr eine Umsatzsteuer anfällt, Flüge davon aber befreit sind. Gleichermaßen sorge die Kerosinsteuerbefreiung im Flugverkehr für eine Schräglage. Diese "unfaire Bevorteilung" klimaschädlicher Verkehrsmittel will die NGO nun vor den Verfassungsgerichtshof (VfGH) bringen.

Politik zum Handeln zwingen

Bereits im Sommer hat die Organisation eine entsprechende Klage präsentiert, an dieser kann sich seit Donnerstag auch die Bevölkerung beteiligen. "Wenn die Politik nicht handelt, müssen wir sie dazu zwingen", sagte Greenpeace-Geschäftsführer Alexander Egit bei einer Pressekonferenz. An der "Sammelklage" – eigentlich handelt es sich um eine Bündelung aus Individualanträgen – können sich österreichische Staatsbürger beteiligen, die eine ÖBB-Vorteilscard oder ein grenzüberschreitendes Bahnticket vorweisen können. Anträge können im Internet ausgefüllt werden, im Februar will die NGO die Klagen einreichen. Kosten fallen für die Mitkläger laut Egit nicht an.

"In einem Rechtsstaat kann man auf die Straße gehen oder vor Gericht", kommentierte die Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb die Klage. Die Wissenschafterin ist neben dem Schauspieler Cornelius Obonya die erste Unterzeichnerin der Sammelklage. Das Bahnfahren sei nach wie vor zu teuer und zu umständlich, kritisierte Kromp-Kolb. "Das sind Rahmenbedingungen, die die Politik ändern kann." Bisher würde die Gesetzeslage in Österreich die Bevölkerung jedoch nicht ausreichend vor den Folgen der Klimakrise schützen.

Schlechtes Rechtssystem für das Klima

Dass Bahnfahrer draufzahlen, widerspreche zudem nicht nur dem Hausverstand, sondern auch dem Gesetz, meinte Anwältin Michaela Krömer, die die Kläger vertreten wird. Die Juristin sieht das Recht auf Leben, Gesundheit und unversehrtes Eigentum durch die Klimakrise bedroht. "Der Staat fördert ein Verhalten, das uns alle schädigt." International gebe es bisher noch keine vergleichbare Klimaklage, erklärte die Anwältin. In Österreich sei das Begehren mit der Sammelklage zur Vorratsdatenspeicherung vergleichbar.

Auf die Frage, ob für den Erfolg vor Gericht nicht die Klage einer Person ausreichen würde, meinte Krömer, dass es sich um eine politische Klage handeln würde. "Es schadet nicht", so die Anwältin. Mit dem Schritt vor den Verfassungsgerichtshof wollen die Kläger zudem der Erderwärmung im Gerichtssaal mehr Verhör verschaffen. "Wir haben in Österreich eines der schlechtesten Rechtsschutzsysteme, was die Klimakrise betrifft."

Insgesamt fünf Klimaklagen

Die Klage bezüglich des Bahnverkehrs ist nur eine von mehreren, die die Umweltorganisation zusammen mit Aktivisten und Biobauern plant. Unter anderem sollen auch Klagen zur Tempo-140-Verordnung und zu den Folgen der Erderwärmung auf die Landwirtschaft folgen. Im Frühjahr sollen insgesamt fünf Klimaklagen eingebracht werden.

Auch der Entwurf des nationalen Energie- und Klimaplans, dessen öffentliche Begutachtungsfrist am Montag zu Ende ging, war Thema auf der Pressekonferenz. In puncto Klimapolitik sei Österreich im EU-weiten Vergleich "Schlusslicht", kritisierte Kromp-Kolb. Der vorliegende Entwurf würde nicht ausreichen, um die nationalen Klimaziele zu erreichen, geschweige denn jene des Pariser Abkommens. Nun sei die künftige Regierung am Zug, meinte Egit. Immerhin habe ÖVP-Chef Sebastian Kurz den Pariser Klimadeal mitbeschlossen, daran müsse er sich nun halten. (lauf, 5.12.2019)