"In Amerika steht niemand über dem Gesetz", so Pelosi, die Mehrheitsführerin im Repräsentantenhaus.

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Washington – Die Hast, mit der Nancy Pelosi am Donnerstag ans Werk ging, überraschte dann doch: Die Chefin des US-Repräsentantenhauses hat in einer kurzfristig anberaumten Rede offiziell den Start des Impeachment-Verfahrens gegen US-Präsident Donald Trump in der Ukraine-Affäre angekündigt. Der Schritt gilt als bedeutend auf dem Weg zu einem Absetzungsantrag gegen den Staatschef.

Inhaltlich ist er keineswegs überraschend: Schon bisher wurde damit gerechnet, dass die Demokraten noch vor Weihnachten eine Abstimmung über die sogenannten "Articles of Impeachment", die formelle Anklageschrift gegen Trump, ansetzen wollen. Das ist eine Voraussetzung für ein späteres Votum im Plenum des Repräsentantenhauses über ein mögliches Impeachment des Präsidenten. Pelosis Schritt legt dies nun de facto fest. Es wird damit gerechnet, dass diesem Antrag zugestimmt wird – die Demokraten haben in der Kammer eine deutliche Mehrheit.

Absetzung ist unwahrscheinlich

Dass es am Ende zu einer Absetzung Trumps kommt, gilt freilich auch weiterhin als sehr unwahrscheinlich. Nach dem Impeachment des Präsidenten durch das Repräsentantenhaus muss der Senat einen Prozess über die Amtsenthebung abhalten. Am Ende wäre eine Zweidrittelmehrheit nötig. Diese ist nicht absehbar, da 53 der 100 Senatoren so wie Trump der Republikanischen Partei angehören. Das Weiße Haus teilte Donnerstag mit, man freue sich auf das Verfahren – die Demokraten sollten sich aber dennoch "schämen", es gestartet zu haben.

"Unsere Demokratie steht auf dem Spiel", sagte Pelosi. "Der Präsident lässt uns keine andere Möglichkeit, als zu handeln." Sie bedauere diesen Schritt. Zum Schutz von Demokratie und Verfassung sei es notwendig, das Verfahren voranzutreiben. "Der Präsident hat seine Macht missbraucht, unsere nationale Sicherheit untergraben und die Integrität unserer Wahlen aufs Spiel gesetzt", sagte die Frontfrau der Demokraten. "Die Handlungen des Präsidenten haben gravierend gegen die Verfassung verstoßen."

Vorwürfe gegen Trump

Vorgeworfen wird Trump, er habe im Sommer von der Ukraine respektive seinem Amtskollegen Wolodymyr Selenskyj den Start eines Verfahrens gegen den demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden und dessen Sohn erpressen wollen. Dieser gilt als sein wahrscheinlicher Rivale im kommenden Wahlkampf. Trump hätte damit aus der Vergabe öffentlicher Gelder einen persönlichen Vorteil gezogen – und sein Amt missbraucht. Er wird unter anderem beschuldigt, US-Militärhilfe an Kiew als Druckmittel eingesetzt zu haben. Dass genau das passiert ist, versuchen die Demokraten seit einigen Wochen in öffentlichen Anhörungen nachzuweisen.

Pelosi äußerte sich am Donnerstag nicht zum weiteren Zeitplan. Spekuliert wird, dass das Plenum des Repräsentantenhauses noch im Dezember formal über ein mögliches Impeachment Trumps abstimmen könnte. Dann könnte es zu Beginn des neuen Jahres – des Wahljahres – zu einem Verfahren im Senat kommen.

"Hexenjagd" all over again

Trump schrieb am Donnerstagmorgen (Ortszeit) – vor Pelosis Stellungnahme – auf Twitter, wenn das Repräsentantenhaus für sein Impeachment stimmen wolle, dann solle es dies schnell tun, "damit wir ein faires Verfahren im Senat haben können und unser Land wieder zur Normalität zurückkehren kann". Trump weist die Vorwürfe gegen sich vehement zurück und rügt das Vorgehen der Demokraten als politisch motivierte "Hexenjagd".

Die Demokraten im Repräsentantenhaus wollten "wegen nichts" ein Impeachment-Verfahren anstoßen, schrieb Trump am Donnerstag auf Twitter. Die Republikaner seien aber vereinter denn je: "Wir werden gewinnen!" Überdies fürchtet Trump, dass das an sich seltene Impeachment-Verfahren zur Routine werden könnte, um künftige Präsidenten zu attackieren. Das hätten die Gründerväter der USA mit diesem Verfahren nicht im Sinn gehabt.

Pelosi verteidigte am Donnerstag ihr Vorgehen: Bei dem angestrebten Verfahren gehe es nicht um die im November kommenden Jahres anstehende Präsidentschaftswahl, sondern um die Verteidigung der Demokratie, betonte sie. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, "der Präsident ist König, er kann tun, was er will". Pelosi ließ keinen Zweifel daran, dass ein Impeachment-Verfahren aus ihrer Sicht gerechtfertigt wäre: "Die Fakten sind klar. Die Verfassung ist klar. Der Präsident hat gegen die Verfassung verstoßen."

Befragungen der vergangenen Wochen

In den vergangenen Wochen hatte zunächst der Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses diverse Regierungsmitarbeiter zur Ukraine-Affäre befragt und zum Abschluss der Zeugenanhörungen einen Bericht vorgelegt. Darin wurden schwerwiegende Vorwürfe gegen Trump erhoben. "Der Präsident hat seine persönlichen politischen Interessen über die nationalen Interessen der Vereinigten Staaten gestellt, hat sich bemüht, die Integrität der US-Präsidentschaftswahlen zu untergraben, und hat die nationale Sicherheit gefährdet", heißt es in dem Bericht.

Danach übernahm der Justizausschuss des Repräsentantenhauses den Fall. Das Gremium muss nun Anklagepunkte gegen den Präsidenten entwerfen, über die dann im Plenum der Kammer abgestimmt wird.

Der Justizausschuss hatte am Mittwoch zunächst eine Anhörung mit Verfassungsrechtlern abgehalten. Drei von den Demokraten eingeladene Rechtsprofessoren warfen Trump dort Vergehen vor, die ihrer Ansicht nach ein Amtsenthebungsverfahren rechtfertigen würden. Ein von Trumps Republikanern geladener Rechtsprofessor widersprach dagegen und gab dem Präsidenten Rückendeckung. (mesc, APA, 5.12.2019)