Der Brite Anthony Joshua (rechts) und US-Titelverteidiger Andy Ruiz Jr. lassen die Muskeln spielen. Joshuas Kampfbörse, gut 60 Millionen Dollar (54 Mio. Euro), fällt etwa sechsmal so hoch aus wie jene von Ruiz.

Das Ende des ersten Kampfs sah Joshua am 2. Juni aus der Bodenperspektive.

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"Salam aleikum", sagte Anthony Joshua. Und die saudi-arabischen Fans feierten den Boxer beim öffentlichen Training unter freiem Himmel in Riad. Am Samstag (21.45 Uhr MEZ, live auf DAZN) will sich der Brite die Schwergewichts-WM-Gürtel der IBF, WBA, WBO und IBO zurückholen, die ihm Andy Ruiz Jr. im Juni in New York abgeknöpft hatte. Es war Joshuas erste Niederlage im 23. Profikampf. Für die Revanche verspricht der wie sein US-Gegner 30-Jährige ein Spektakel: "Blutvergießen und einen Knockout". Prinz Khalid bin Abdulaziz vom saudischen Veranstalter SCEE kündigt "das größte Sportevent in Saudi-Arabiens Historie" an. Das will etwas heißen, poliert das Land doch schon seit Jahren mit Sport sein Image auf.

Frage: Wie viel zahlt Saudi-Arabien für die Ausrichtung des Fights?

Antwort: 100 Millionen US-Dollar (90,72 Mio. Euro) hat Kronprinz Mohammed bin Salman, wenn auch vielleicht nicht persönlich, auf den Tisch gelegt. Ihm ist jede Form der Imagepolitur recht. Saudi-Arabien übernahm erst kürzlich den G20-Vorsitz für das Jahr 2020. Und die Welt – abgesehen von Wladimir Putin, der als MbS-Buddy gilt – fragt sich, wie sie damit und mit dem Kronprinzen umgehen soll.

Frage: Wo wird gekämpft?

Antwort: Ruiz und Joshua steigen in Dyriah in den Ring, einem Vorort Riads, wo einst der erste Palast der Königsfamilie Al Saud stand. Dort haben die Veranstalter in kurzer Zeit eine Arena für 15.000 Zuseher bauen lassen. Kosten und Weiterverwendung waren völlig wurscht. Die Veranstalter nannten den Kampf "Clash on the Dunes" (Kampf auf den Dünen), das soll an den "Rumble in the Jungle" zwischen Muhammad Ali und George Foreman 1974 in Kinshasa erinnern.

Frage: Welche großen Sportevents haben in Saudi-Arabien schon stattgefunden oder sind geplant?

Antwort: Im italienischen Fußball-Supercup in Jiddah feierte Juventus im Jänner 2019 ein 1:0 gegen Milan, die Vereine lukrierten insgesamt sieben Millionen Euro. Frauen saßen in einem abgegrenzten Bereich. Ab 2020 folgt für zumindest drei Jahre der spanische Supercup. Bayern München war im Jänner 2015 wegen eines Testspiels in Riad noch heftig kritisiert worden. Im Golf gab’s heuer erstmals ein mit 3,5 Millionen Dollar dotiertes European-Tour-Turnier in Saudi-Arabien, die Formel E drehte schon ihre Runden. Große Wrestling-Events finden seit Jahren statt. Ab 2020 steigt die Rallye Dakar in Saudi-Arabien, wo Ende Februar auch das mit 20 Millionen Dollar weltweit höchstdotierte Galopprennen zu sehen ist. Der Kronprinz traut Saudi-Arabien sogar die Ausrichtung Olympischer Sommerspiele zu. Winterspiele wären denn doch zu obszön.

Frage: Folgen alle Sportler dem Ruf des Geldes? Oder gibt es doch moralische Bedenken?

Antwort: Es gibt sie, die moralischen Bedenken, aber sie sind nicht weit verbreitet. Golfstar Tiger Woods wird trotz einer lukrativen Antrittsprämie von drei Millionen Dollar erneut nicht beim Turnier Ende Jänner 2020 in der Projektstadt King Abdullah Economic City antreten. "Ich möchte einfach nicht hin", sagte er. Bereits auf die Premiere 2019 hatte der 15-malige Major-Sieger aus den USA verzichtet. Dies stellte er in den Zusammenhang mit der Ermordung des regierungskritischen Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul. Die Kollegen, die in Saudi-Arabien schon spielten und spielen werden (zum Beispiel Bernd Wiesberger und Matthias Schwab), verurteilt er nicht. "Der Golfsport kann dort auch viel heilen und verbessern." Wrestling-Star John Cena verzichtete mehrmals auf den Trip nach Saudi-Arabien. Tennislegende Rafael Nadal sagte im Dezember 2018 eine obszön bezahlte Exhibition gegen Novak Djokovic quasi in letzter Minute ab. Er begründete es mit einer Verletzung, auch Djokovic war aus dem Schneider.

Frage: Wieso ist ein im Raum stehender Deal Saudi-Arabiens mit dem Fußball-Weltverband Fifa doch nicht zustande gekommen?

Antwort: Fifa-Präsident Gianni Infantino spielte seit längerem mit dem Gedanken, neue Formate einzuführen (Klub-WM, Weltliga) und Rechte an eine Investorengruppe mit saudischer Beteiligung zu verkaufen. Daraus wurde vorerst nichts, auch weil der WDR und die Süddeutsche Zeitung aufdeckten, dass der Deal, bei dem es um 25 Mrd. US-Dollar für zwölf Jahre gehen sollte, sehr wohl auch WM-Rechte beinhaltet hätte. Laut Ex-Fifa-Mediendirektor Guido Tognoni ist Infantino "verliebt in die Saudis". Nicht zuletzt sah die Fifa tatenlos zu, wie ein saudischer TV-Sender ein katarisches Satellitensignal stahl, um WM-Spiele 2018 zu zeigen, ohne bezahlen zu müssen. (FRAGE & ANTWORT: Christian Hackl, Fritz Neumann, 5.12.2019)