Trinken verboten – zumindest während der Arbeitszeit. Das strenge Regime, das eine Kärntner Filiale einer internationalen Drogeriekette durchsetzen wollte, erregt die Gemüter. "Menschenunwürdige" und "sittenwidrige" Zustände seien dies, poltert die Gewerkschaft – und zählt genüsslich auf, was sich der Arbeitgeber sonst noch so alles ausgedacht hat: Das Kauen von Kaugummis sollten die Mitarbeiter tunlichst in die Freizeit verlegen – am besten verbunden mit dem Arztbesuch. Denn auch den Doktor mögen die Beschäftigten in der Freizeit aufsuchen. Gut möglich, dass es bei der Formulierung einfach an dem nötigen juristischem Know-how gefehlt hat, die Wogen gehen dennoch hoch. So hoch, dass es nicht lange dauert, bis das Trinkverbot schon wieder Schnee von gestern ist.

Dass Arbeitgeber mit ihren Begehrlichkeiten über die Stränge schlagen, kommt immer wieder vor.
Foto: imago images/Ralph Peters

Ist damit alles gut? Zumindest für die Mitarbeiter der Drogeriekette dürfte einiges besser werden. Der Schwenk ist ein gutes Signal. Man hat übers Ziel hinausgeschossen, das scheint dem Konzern schnell klar geworden zu sein. Doch was bedeutet der Umstand, dass sich ein Arbeitgeber überhaupt solche Regeln einfallen lassen kann? Herrscht neuerdings Diktatur am Arbeitsplatz? Der Eindruck könnte tatsächlich entstehen. Während der Arbeitszeit nicht mit Kollegen sprechen oder nicht auf die Toilette gehen, die Pause, die vom Arbeitgeber als Zeitdiebstahl geahndet wird: Zahlreiche Beispiele sind überliefert. Allerdings vor allem aus dem Land, das gerne als Paradies der unbegrenzten Möglichkeiten gesehen wird.

Poltern der Gewerkschaften

US-Arbeitgeber kontrollieren ihre Mitarbeiter bis ins Privatleben hinein. Keine Frage: Auch auf die Europäer strahlt die eine oder andere schlechte Idee aus den USA aus oder internationale Konzernen versuchen, sie hier zu etablieren. Dennoch: So weit geht es hierzulande nicht. In Österreich sind die Arbeitsschutzgesetze erheblich strenger. Ihre Einhaltung wird von den Arbeitnehmervertretern mit Argusaugen verfolgt und Fehlverhalten gnadenlos an den Pranger gestellt oder vor Gericht gebracht.

Handelt es sich also um ein strukturelles Problem in der Handelsbranche? Geschichten um verhinderte Betriebsratsgründungen tauchen hier immer wieder auf. Der Welser Möbelriese XXXLutz und die großen Baumarktketten haben heute noch keinen. Bei Douglas wird derzeit um einen gerungen. Allein, auf den Handel ist das nicht beschränkt. Auch die irische Fluglinie Ryanair setzt ihre österreichische Tochter Laudamotion derzeit gnadenlos unter Druck. Die Betriebsratswahlen sind mit heftigen Störfeuern verbunden. Viele Beschwerden tauchen mit schöner Regelmäßigkeit auch bei Beschäftigten in der Tourismusbranche auf.

Dass Arbeitgeber mit ihren Begehrlichkeiten über die Stränge schlagen, kommt immer wieder vor. Gemessen an der Zahl der fast vier Millionen Beschäftigten ist aber klar: An der Tagesordnung ist das hierzulande nicht. Das hat sicher auch mit dem Poltern der Gewerkschaften zu tun – selbst wenn dies auch in ihrem ureigenen Interesse geschieht, um dem zunehmenden Bedeutungsverlust entgegenzuwirken. Denn auch wenn nur rund die Hälfte der heimischen Beschäftigten durch einen Betriebsrat vertreten wird: Von den aufsehenerregenden Fällen, die die Arbeitnehmervertreter aufs Tapet bringen, geht Signalwirkung aus. Es ist gut und wichtig, sich lautstark zu empören. Auch ein sozial gestalteter Arbeitsmarkt kann wirtschaftlich erfolgreich sein. (Regina Bruckner, 4.12.2019)