Das Warten hat ein Ende. "Tits up!" – Bauch hinein, Brust heraus, raus auf die Bühne mit Pointen, bis die Bude wackelt; vorher gehen wir nicht heim! Nach diesem Motto lebt und handelt die unvergleichliche The Marvelous Mrs. Maisel seit 2017. Ab Freitag zeigt Amazon Prime acht neue Folgen. Endlich!

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Diese führen die inzwischen zu einiger Berühmtheit geratene Stand-up-Comedienne zunächst in die Höhle der Löwen. Wir befinden uns noch immer in den Fifties, ein ganzes Soldatenheer wartet auf Miriam "Midge" Maisel (Rachel Brosnahan). Männer, Machos, Testosteron pur. "No dick jokes!", lautet die Vorgabe, keine unanständigen Witze, bitte. "Ich kann gar nicht sagen, wie sehr ich euch bewundere!", eröffnet Midge. "Wie tapfer ihr seid. Ich könnte niemals im Leben jeden Tag dasselbe Outfit tragen."

Rachel Brosnahan spielt die göttliche Mrs. Maisel.
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Die Jungs lachen Tränen und liegen ihr zu Füßen. Dass sie – wie Frauen generell zu jener Zeit – weniger nach ihrer Leistung, sondern nach ihrem Aussehen beurteilt und dafür gehänselt werden, fällt ihnen gar nicht auf. Dieser Frau kann man nicht widerstehen.

Mit einem geballten Pointenfeuerwerk jüdischen Witzes wartet auch die neue Staffel auf. Die Folgen hat wieder Amy Sherman-Palladino gemeinsam mit ihrem Ehemann Daniel geschrieben. Die amerikanische Drehbuchautorin und TV-Produzentin huldigt mit der Serie nicht zuletzt ihrem Vater, der ein Stand-up-Komödiant in New York war. The Marvelous Mrs. Maisel bildet zumindest zum Teil Amerikas größte Stand-up-Komödiantinnen Joan Rivers und Totie Fields ab.

Skandalöse Witze

"Die Gesetze dieser Zeit waren absurd, aber privat ging es ja noch viel schlimmer zu", sagte Sherman-Palladino über die Szene. "Es gab so viele Dinge, über die man als Frau einfach nicht sprach. Als Joan Rivers Witze über Abtreibung machte, war das ein riesiger Skandal."

Wenn Shermans Eltern nur halb so schräg waren, wie Abe (Tony Shalhub) und Rose (Marin Hinkle) von Midge, dann wundert man sich nicht, warum die Tochter Komödienautorin wurde, die ihren Figuren die wahrscheinlich schnellsten Dialoge der Welt schreibt. Hier wird gequasselt, bis der Kopf schwirrt.

Tony Shalhub und Marin Hinkle spielen schräge Eltern.
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Mit dem Rezept sorgte Sherman bereits in den 1990ern als Autorin von Roseanne für Aufsehen. In der Folge Pille zum Schlucken ging es um Geburtenkontrolle, Sherman-Palladino ergatterte damit ihre erste Emmy-Nominierung.

Bekannt wurde die 52-Jährige aber vor allem als Schöpferin der Gilmore Girls übereine Alleinerzieherin und ihre Tochter im kleinstädtischen Milieu. Zwischen 2000 und 2007 sorgte dieser Gegenentwurf zu den mehrheitlich intakten Serienfamilien für nachhaltige Kundenbindung. Die Serie endete zum Bedauern der vielen weiblichen Fans, weil sich die Autorin mit dem Sender überworfen hatte. Der wollte zu viel Kontrolle ausüben. 2016 kam es auf Netflix zu einer begeistert aufgenommenen Reunion.

Mit The Marvelous Mrs. Maisel schrieb Sherman-Palladino schließlich ein weiteres Mal Seriengeschichte. Sie ist die erste Frau, die mit Serien-Emmys für Drehbuch und Regie einer Comedy ausgezeichnet wurde. Daniel Palladino sieht die Geschichte noch lange nicht auserzählt: Zwischen insgesamt vier und zehn Staffeln sei alles drin.

Midge und Managerin Susie (Alex Borstein, re.).
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Was bringen die neuen Folgen? Jede Menge berufliche und private Verwicklungen, ungelöste Konflikte, etwa mit Ehemann Joel (Michael Zegen). Eine gemeinsame Nacht und ein diskussionsfreudiger Scheidungsrichter machen die Trennung nicht einfacher. Ungemach droht auch von Midges grundunentspannten Eltern, die sich mit der unschicklichen Berufswahl der Tochter immer noch nicht abfinden möchten. Und dann gibt es auch noch Knatsch mit Managerin Susie (Alex Borstein), die über ein feindliches Angebot einer reichen, aber ziemlich biestigen Nebenbuhlerin (Jane Lynch, herrlich!) nachdenkt.

Muss man gesehen haben

Rund 500 geskriptete Shows pumpt die US-Unterhaltungsindustrie jährlich in den Serienmarkt. Allein 21 Serienpremieren gab und gibt es in dieser Woche. Man kann und muss nicht alle gesehen haben. The Marvelous Mrs. Maisel allerdings schon, finden zumindest die zahlreichen Fans. Der Hype um das flotte Fräulein ist inzwischen beträchtlich.

So bietet etwa das traditionsreiche Hotel Fontainebleau in Miami, wo Szenen der dritten Staffel gedreht wurden, ein eigenes The Marvelous Stay Room Package – inklusive Marvelous-Geschenkpakets mit stylishen Geschenkideen, Süßigkeiten aus Fontainebleaus Café und Konditorei Chez Bon Bon und einer Flasche prickelnden Rosé für 389 Dollar pro Nacht. Ein eigenes Retro-Menü – natürlich in knallbunten Farben – wird extra angeboten.

Die Key-Art-Fotos zur Serie hat die Starfotografin Annie Leibowitz gemacht.
Foto: Amazon Prime Video / Annie Leibowitz

Ein wenig scheint die Maisel an Schwung verloren zu haben, vielleicht liegt es an der Fallhöhe, weil die vorangehenden Folgen so rasant, lustig und klug waren. An der Grundaussage hat sich nichts geändert: Viel ist seit den Fünfzigerjahren für Frauen passiert, vieles liegt noch immer im Argen. Die Serie hält einen Spiegel vor – und zeigt, dass frau es trotz aller Widerstände schaffen kann. Tits up! (Doris Priesching, 5.12.2019)