In der Fülle der Bildbände und Fernwehbücher, die Jahr für Jahr pünktlich zum Weihnachtsgeschäft den Büchermarkt fluten, sticht heuer ein Band besonders hervor: Der Fotograf und Bergführer Hans Thurner hat gemeinsam mit der Pädagogin Maria Oberhammer mehrmals die verschiedenen Regionen Grönlands bereist; aus den zahlreichen Grönland-Erfahrungen der beiden Österreicher ist ein opulenter Bildband (Bruckmann-Verlag) entstanden.

Extreme Ursprünglichkeit

Naturgemäß lebt ein Bildband in erster Linie einmal von der Bildsprache, und da erweist sich Hans Thurner einmal mehr als hervorragender "Lichtzeichner". Es sind Bilder aus einer der wenigen Landschaften der Erde, die aufgrund ihrer Extreme und ihrer Unzugänglichkeit bis heute viel von ihrer Ursprünglichkeit bewahrt hat.

Hans Thurner, Maria Oberhammer: "Abenteuer Grönland". Bruckmann-Verlag, München 2019. 190 Seiten, 29,99 Euro
Vortragstermine: Hans Thurner Grönland

"Abenteuer Grönland" ist allerdings weit mehr als bloß ein, wenn auch besonders schön gestalteter, Bildband. "Ihr Ziel ist, Grönland nicht nur von seiner geografisch extremen Seite dazustellen", schreibt Robert Peroni in seinem Vorwort über die Darstellung Grönlands durch Thurner und Oberhammer. Mit Peroni hat der aktuell wohl berühmteste Grönländer das Vorwort verfasst. Der in Südtirol Geborene wurde international bekannt durch die Erstdurchquerung des grönländischen Inlandseises an seiner breitesten Stelle (Nordtransversale). Er lebt heute im ostgrönländischen Tasiilaq.

Fern von Klischees

Und so widmen sich Thurner und Oberhammer in ihrer Darstellung des "Landes der Menschen" intensiv den knapp 60.000 Grönländern und Grönländerinnen. Den beiden gelingt es, die Menschen fern diverser Folkloreklischees zu beschreiben. Wie vielen anderen indigenen Völkern blieben Kolonialismus und soziale Probleme auch den Inuit nicht erspart. Bis heute resultierten daraus eine hohe Arbeitslosigkeit und eine Menge sozialer Probleme, wie Alkohol- und Nikotinsucht, Gewalt in der Familie und eine hohe Selbstmordrate, schreiben Oberhammer und Thurner.

Die Menschen Grönlands leben zwischen Inuit-Tradition und moderner Industriewelt.
Foto: Hans Thurner

"Alle Grönländer auf Menschen zu reduzieren, die am kulturellen Wandel zerbrochen sind, wäre aber schlichtweg falsch", schreiben die beiden Grönland-Experten weiter. Im Mittelpunkt des Buches steht neben der faszinierenden Naturlandschaft immer die Wertschätzung der kulturellen Tradition in Verbindung mit modernen Lebensgewohnheiten.

Umfassender Überblick

Thurner und Oberhammer widmen sich auch dem in Grönland besonders präsenten Thema Klimakrise und der Frage, ob man einen der letzten unberührten Naturräume für den Tourismus öffnen dürfe. Auch wenn es auf diese Frage im Buch keine endgültige Antwort gibt, in Summe plädieren die beiden Autoren doch für eine sanfte Entwicklung des Tourismus – sonst würde die Insel weiter ins Abseits gedrängt und, wie Peroni schreibt, nur als Reservoir "riesiger Rohstoffmengen" missbraucht.

Hans Thurner besticht mit einer beeindruckenden Bildsprache.
Foto: Hans Thurner

Maria Oberhammer und Hans Thurner haben Grönland zu Fuß, mit Skiern, mit dem Segelboot und dem Kajak erkundet. Sie bieten mit ihrem Bildband einen umfassenden Überblick über das Land und die Menschen auf Grönland, auch für Leser und Leserinnen, die noch nie einen Fuß auf grönländischen Boden gesetzt haben. Dass aber der eine oder die andere dann selbst einmal in den hohen Norden reisen will, ist kalkuliert. (Thomas Neuhold, 6.12.2019)