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Nur wenige Männer arbeiten als Pfleger. Das liegt mitunter daran, dass sie in Schulbüchern zur Berufsbildung selten abgebildet werden.

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Wer schon einmal im Krankenhaus nach einer Operation aufgewacht ist, wurde sehr wahrscheinlich von einer Pflegerin begrüßt und umsorgt. Sich um andere zu kümmern und sie zu pflegen – das sind Tätigkeiten, die traditionell Frauen erledigen. Da ist es wenig überraschend, dass immer noch besonders viele in sogenannten Care-Berufen arbeiten, etwa im Kindergarten, in der Altenpflege oder eben auf der Anästhesie im Spital. Allein die Tatsache, dass es lange nur den Begriff "diplomierte Krankenschwester" für Pflegepersonal gab, zeigt, dass Männer in diesem Job rar sind.

Laut Statistik Austria arbeiteten 2017 7,3 Prozent Männer in der mobilen Betreuung und Pflege und 14,2 Prozent in stationären Einrichtungen wie in Krankenhäusern oder der Altenpflege. Besonders Letztere werden künftig wichtiger: Weil die Menschen immer älter werden und damit die Zahl der Pflegebedürftigen steigt, gebe es ab 2030 in der Langzeitpflege einen Bedarf an zusätzlich 34.000 Pflegekräften. Das berechnete die Gesundheit Österreich GmbH in einer Studie für das Sozialministerium, die Anfang der Woche vorgestellt wurde.

Doch nicht nur das: Auch weil bald viele Pflegerinnen und Pfleger in Pension gehen, müssten weitere 41.500 Personen in den Beruf einsteigen, damit es zu keinem Mangel komme, schreiben die Studienautoren. Insgesamt werden also bis 2030 75.700 neue Pflegekräfte benötigt. Absolventen allein reichen laut der Studie aber nicht, um die entstehende Lücke zu füllen: Immer weniger beginnen eine einschlägige Ausbildung. 2016 schlossen 5755 Personen eine solche ab. Doch was hindert gerade Burschen daran, sich für den Job zu entscheiden? Und wie schafft man es, dass sie ihn attraktiv finden?

Was getan werden kann

Elli Scambor ist Soziologin und leitet das Institut für Männer- und Geschlechterforschung in Graz. Dort beschäftigt sie sich auch damit, was man in der Berufsberatung von Burschen beachten sollte. Sie sagt: "Die Berufsorientierung passiert in einem Alter, wo Jungen zeigen wollen, dass sie ein Mann sind, und die Abgrenzung zu den Mädchen funktioniert nicht, indem man einen Care-Beruf ergreift." Studien zeigten, dass sich viele Männer erst später, etwa nach einem technischen Studium oder einer Lehre, für einen Care-Beruf entschieden, sagt Scambor.

Es sei aber nicht nur abschreckend, als weiblich zu gelten, sondern auch, dass man schnell unter dem Generalverdacht der Pädophilie stehe, für die Entscheidung stigmatisiert werde und die Einkommen und Aufstiegsmöglichkeiten nicht besonders gut seien, sagt Scambor. Einerseits müsse man auf der strukturellen Ebene bei den Gehältern ansetzen. Mehr Männer allein könnten möglicherweise schon helfen: Studien zeigen nämlich, dass das Durchschnittsgehalt sinkt, je mehr Frauen den Job ausüben. Der Nachteil: Die wenigen Männer genießen oft einen gläsernen Aufzug und werden in weiblich dominierten Berufen eher befördert. Andererseits, sagt Scambor, müsse man die Care-Berufe auch gesellschaftlich aufwerten.

Geschlechtersensibel beraten

Zuletzt hat die Soziologin das EU-Projekt Boys in Care durchgeführt. Das Ergebnis: "In der Berufsorientierung kommen Männer in Pflegeberufen kaum vor. Im Ländervergleich hat Österreich neben Deutschland zumindest eine Maßnahme, die darauf ausgelegt ist, den Boys Day", sagt sie. Doch das sei nicht genug: In Schulbüchern werden Frauen zwar bereits im Blaumann in technischen Berufen dargestellt, Männer als Krankenpfleger seien "noch etwas Exotisches".

Das führe dazu, dass in der Beratung Geschlechterstereotype gefestigt würden und nicht vermittelt werde, dass Männer genauso im Hort oder in der Altenpflege arbeiten können. "Es geht um die Darstellung von sogenannten Caring Masculinities. Eine Haltung, dass Männlichkeit genauso heißt, zu betreuen und zu versorgen – auch privat", sagt Scambor. Vor allem Lehrerinnen und Berufsberater müssten hier geschlechtersensibel geschult werden. Im Rahmen der Studie hat Scambor mit ihrem Team ein Methodenhandbuch und einen Lehrplan dafür erarbeitet. Auch mit den Mädchen und Burschen müsse man im Vorfeld zu Geschlechtersensibilität und Männlichkeitsverständnissen reflektieren "sonst funktioniert die Beratung nicht".

Pflegeassistenz als Lehrberuf

Und wie holt man die jungen Männer dafür ab? Nicht zwingend mit coolen Darstellungen von Pflegern, sondern mit Fragen, weiß Scambor. Etwa: "Willst du als Papa auch auf die Kinder aufpassen? Wie ist ein Mann, den du magst?" Überhaupt sei diese Reflexion wichtig und ein Vorteil für Männer. Diese müssten sich laut einem Forschungsreport des Arbeitsmarktservice von 2018 ohnehin mit ihrer Rolle in der Gesellschaft auseinandersetzen. Denn sie sind häufig in Jobs, die von der Automatisierung betroffen sind. Damit ergeben sich gerade für Care-Berufe, wo soziale Fähigkeiten zählen und die nicht von Robotern übernommen werden können, Chancen, so der Bericht.

Hinzu komme, sagt Scambor, dass in dieser Branche zwar die Gehälter niedrig sind, es aber oft viele Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf gebe. Wer sich als kümmernder Mann versteht, gehe auch eher für seine Kinder in Karenz oder in Teilzeit oder pflege Angehörige.

Eine weitere Chance, die Elli Scambor sieht: Kürzlich schlugen die Wirtschaftskammer und die ÖVP vor, den Lehrberuf Pflegeassistenz einzuführen. Arbeiterkammer, Gewerkschaften und Pflegeverbände sehen das kritisch, gerade was das Alter und die Reife der Lehrlinge betrifft, um in so einem Job zu arbeiten. Scambor begrüßt eine Pflegelehre:"Insbesondere für Jugendliche, die keine Matura machen wollen, sind die Möglichkeiten, in einen Care-Beruf einzusteigen, sehr limitiert. Es wäre wichtig, hier auch niederschwellige Angebote zu schaffen."

Gerade bei der Lehre sehe man, dass Beratungsmaßnahmen zu positiven Effekten bei der Berufswahl führen, sagt Scambor. Unter den zehn häufigsten Lehrberufen der Mädchen war im Vorjahr auf Platz acht die Metalltechnikerin. (Selina Thaler, 3.12.2019)