Zwischen Sazka, dem größten Aktionär der Casinos Austria AG (Casag), und Mitaktionär Novomatic kriselt es schon lang; die Bestellung von Peter Sidlo zum Finanzchef (CFO) hat die Beziehung vereist. "Postenschacheraffäre" und Chatprotokolle lassen Sazka-Chef und Casag-Vizepräsident Robert Chvátal beim Gespräch in Wien ziemlich schäumen.

STANDARD: Sazka ist seit zwei Jahren größter Aktionär der Casinos AG, seit der Bestellung Peter Sidlos zum Finanzvorstand hat sich alles verändert. Der Staatsanwalt ermittelt gegen Ihre drei Kollegen aus dem Aufsichtsratspräsidium, Walter Rothensteiner, Novomatic-Chef Harald Neumann und Josef Pröll, gegen Sidlo und hochrangige Ex-FPÖ-Politiker. Wie sehen Sie die Lage?

Chvátal: Wir sind sehr schockiert von den jüngsten Erkenntnissen, die sich aus den Protokollen der Chats ergeben, an denen sogar Leute aus dem Aufsichtsrat teilnahmen. Ganz offensichtlich haben wir zuvor nur die Spitze des Eisbergs gekannt, der größte Teil des Geschehens ist hinter der Bühne und unterm Teppich passiert – ohne dass andere Casag-Aktionäre, im Speziellen die Sazka-Gruppe, davon gewusst hätten. Wir glauben, dass da Einzelpersonen in absolut inakzeptabler Weise und nicht zum Wohle des Unternehmens gehandelt haben. Die sollten persönliche Konsequenzen ziehen.

Sazka-Chef Robert Chvátal fordert Konsequenzen und Rücktritte.
Foto: Regine Hendrich

STANDARD: Sie reden von Aufsichtsratspräsident Rothensteiner, von Neumann, Pröll, Öbag-Chef Thomas Schmid, Sidlo?

Chvátal: Von denen, die laut den medial veröffentlichten Informationen geheime Deals vorbereitet und sich in den Chatgruppen unterhalten haben.

STANDARD: Sie alle sollen zurücktreten?

Chvátal: Alle, die hinter den Hintergrunddeals gestanden sind. Denn da haben Leute gegen das Interesse der Gesellschaft agiert und ihre eigenen Nebeninteressen verfolgt, etwa die Liberalisierung des Onlineglücksspiels. Ohne Wissen der anderen Aktionäre, ohne unser Wissen. Alles gegen die Interessen der Casag und Österreichischen Lotterien (Casag-Tochter, Anm.)!

STANDARD: Es besteht der Verdacht, dass die FPÖ der Novomatic für die Bestellung Sidlos Vorteile versprochen hat. Glauben Sie, dass es so einen Deal gab?

Chvátal: Ich kann das nur aus meinen eigenen Erfahrungen und den veröffentlichten Chatprotokollen heraus beurteilen. Nehmen Sie den Umgang mit Herrn Sidlo. Ich glaube, ich war der Einzige aus dem Präsidium, der sich die Zeit nahm, mit ihm persönlich zu reden, gemeinsam mit meinen Sazka-Kollegen, im Jänner, zwei Stunden lang. Ich habe ihn gefragt, welche großen Herausforderungen er für die Casag für die drei Jahre seiner Amtszeit sieht. Die Antwort kam ohne zu zögern: "Ich glaube, das Unternehmen muss sich auf mehrere Onlinespiellizenzen vorbereiten." Wir waren schockiert. Offenbar wusste er mehr, denn nach der jetzigen Gesetzeslage hat die Casag ein Monopol. Meine Nachfragen hat er sehr ausweichend beantwortet.

STANDARD: Sazka war gegen Sidlo als Finanzvorstand und hat sich bei der Abstimmung der Stimme enthalten. Warum haben Sie nicht dagegen gestimmt?

Chvátal: Zu Aufsichtsratsinterna kann ich nichts sagen. Aber es ist bekannt, dass Sazka extrem dazu gedrängt wurde, nicht zu viel Troubles zu machen, und dass ich im Aufsichtsrat zu meinen Kollegen sagte, ich hätte laut und deutlich gehört, dass Sidlos Bestellung ein klarer Wunsch der Regierung und der Novomatic sei. Es waren ja auch die primären Kommentare zu Sidlo, dass er auf einem FPÖ-Ticket sitzt – nicht, dass er ein Glücksspielexperte sei. Wir haben immer geglaubt, dass es darum geht, den Vorstand mit den besten Profis zu besetzen. Darum haben wir Bettina Glatz-Kremsner gewählt, sie ist die bestqualifizierte Person für den Chefposten. Wir waren gegen eine politische Besetzung im Vorstand, haben nie ein Hehl daraus gemacht, dass wir die Casag zukunftsfit machen wollen, und dazu braucht es die besten Leute.

STANDARD: Hatten Sie je Anzeichen für einen politischen Deal?

Chvátal: Nein, aber wir haben großen Druck gespürt, für eine Person zu stimmen, die eindeutig und ohne jeden Zweifel unzureichende Berufserfahrung für eine CFO-Position in so einem großen Glücksspielunternehmen hat. Nun wissen wir, wieso ...

STANDARD: Stichwort Postenschacher: Hätten Sie sich je vorstellen können, dass es in Österreich so laufen könnte?

Chvátal: Das Ausmaß im Fall Casag hat mein Vorstellungsvermögen überstiegen. Ich habe so etwas noch nie erlebt.

STANDARD: Sazka will Sidlo in der außerordentlichen Hauptversammlung am 10. Dezember abberufen, dazu müssen Novomatic (17 Prozent) oder staatliche Öbag (33 Prozent) mitstimmen. Ihre beiden Mitaktionäre warten zunächst die interne Untersuchung ab, die der Aufsichtsrat in Auftrag gegeben hat. Gerüchtehalber hört man, die werde attestieren, dass die formalen Abläufe zur Sidlo-Bestellung okay waren ...

Chvátal: Ich kann mir im Lichte der jüngsten Offenbarungen nicht vorstellen, dass Aktionäre, die das Beste für die Casag im Sinn haben, für Herrn Sidlo stimmen. Eine interne Prüfung durchzuführen ist gut, besser als so zu tun, als wäre nichts passiert. Aber die Untersuchung ist noch nicht einmal beendet, und man hört schon, wie der Ausgang sein wird? Spricht das nicht ohnehin für sich?

Gerüchte, wonach die Sazka-Group die anonyme Anzeige rund um Sidlos Bestellung eingebracht hat, bestreitet Chvátal.
Foto: Regine Hendrich

STANDARD: Die Gerüchte können ja falsch sein. Warum sollten Öbag oder Novomatic, gegen deren Vertreter im Aufsichtsratspräsidium ermittelt wird, Ihre Meinung über Sidlo ändern?

Chvátal: Wir alle, Aktionäre wie Aufsichtsratsmitglieder, haben durch die Veröffentlichungen viel mehr Informationen über den Hintergrund der Vorgänge. Die Situation ist durch das Verhalten bestimmter Personen so inakzeptabel und untragbar, dass wir auch eine ordentliche Portion Selbstreflexion an den Tag legen müssen. Da kann man nicht auf etwas bestehen, das im Lichte der jüngsten Offenbarungen absurd wäre. Es ist völlig klar, dass im Hintergrund der Vorstandsbestellung agiert wurde, ohne dass alle Aktionäre davon informiert waren. Ich glaube aber nicht, dass das Österreich ist, ich glaube, das waren Fehler einzelner Personen. Ich kann mir keinesfalls vorstellen, dass der Staat Österreich so einer kurzsichtigen Strategie folgen würde.

STANDARD: Auch gegen den Chef der staatlichen Beteiligungsgesellschaft Öbag, Thomas Schmid, wird ermittelt. Auch er war bei Chatgruppen dabei. Er hat Novomatic-Chef Neumann eine Unterlage aus dem Finanzministerium geschickt, wo er damals Generalsekretär war; kurz vor einer Besprechung Neumanns mit Finanzminister Hartwig Löger. Wie sehen Sie Schmid? Die Öbag ist Eigentümervertreterin des Staats in der Casag.

Chvátal: Seine Rolle als Eigentümervertreter des Staats ist sehr wichtig. Vergessen Sie nicht, er ist seit 2017 auch Mitglied des Aufsichtsrats der Österreichischen Lotterien, und daher hat er per Gesetz im Interesse der Lotterien und nicht im Interesse eines Mitbewerbers zu handeln. Es ist daher sehr, sehr unvorteilhaft und eine große Enttäuschung, dass sein Name in den Chatgruppen vorkommt. Ich selbst kenne ihn kaum. Ich kann nicht glauben, dass der Staat eine Strategie mittragen würde, einen Minderheitsaktionär zu bevorzugen, der noch dazu in direkter Konkurrenz zur den Casinos und den Lotterien steht. Ich glaube, da hat eine Einzelperson ihre Position im Finanzministerium missbraucht. Ich habe auch die Reaktion von Herrn Löger gesehen, dass er ebenfalls nicht wusste, was Herr Schmid getan hat. Darin bestand aber vermutlich der Hintergrunddeal, denn eine zusätzliche Onlinespiellizenz wäre ganz eindeutig gegen die Interessen der Casag.

STANDARD: Die Beschuldigten bestreiten ja alle Vorwürfe, und es gilt die Unschuldsvermutung. Die Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft haben mit einer anonymen Anzeige begonnen. Gerüchtehalber heißt es, die stamme von Sazka. Stimmt das?

Chvátal: Das ist lächerlich. Die Sazka-Group hat an niemanden irgendeine anonyme Anzeige versandt! Wir waren nicht Teil des Hintergrunddeals, sehen uns als Opfer. Wir müssen diese unglückliche Situation jetzt beenden, Klarheit schaffen: Das Unternehmen verdient ein professionelles Management, es verdient Klarheit, woran die größten Aktionäre arbeiten wollen. Wir sollten also zurück an die Arbeit und nicht Politik machen. Was mir abgeht, sind mehr Leute im Unternehmen und unter den Aktionären, die die Zukunft der Casag diskutieren, über Märkte, Produkte, Kunden, Innovationen. Seit ich im Aufsichtsrat bin, war das das Letzte, was hier interessiert hat.

STANDARD: Wird sich Ihr schlechtes Verhältnis zu Aktionär Novomatic je bessern?

Chvátal: Wir glauben fest daran, dass sich die beiden größten Aktionäre, Sazka und Öbag mit zusammen 71 Prozent, rasch gemeinsam auf das Wohl des Unternehmens, auf ein künftiges Management, auf die Strategie und das Geschäft verständigen sollten. Wir, Sazka und Öbag, sollten die Reset-Taste drücken und gemeinsam die Casag kontrollieren. Und keine Deals im Hintergrund tolerieren. Wir als Sazka sind gemeinsam mit der Casag das Opfer von Sidlo-Gate, aber wir stellen uns auf die Füße, machen weiter. Und wir sind bereit, diese strategischen Entscheidungen gemeinsam mit der Republik zu treffen.

Sazka möchte gemeinsame Sache mit der staatlichen Casag-Aktionärin Öbag machen.
Foto: Regine Hendrich

STANDARD: Sie nähern sich der Öbag an?

Chvátal: Wenn der Staat seiner Verantwortung gerecht wird, werden wir das unterstützen, und dann können wir schnell wieder Stabilität in die Casag bringen.

STANDARD: Sie glauben, die Öbag wird mit Sazka stimmen und Sidlo abberufen?

Chvátal: Ich hoffe das, ja. Es würde unglaublich schwierig für jeden Aktionär werden, so zu tun, als wäre nichts Falsches geschehen, und neuerlich für Sidlo zu stimmen. Auch Leute im Unternehmen können sich nicht vorstellen, dass nach Aufkommen so skandalöser Vorgänge Sidlo im Unternehmen auftaucht, als wäre nichts passiert.

STANDARD: Was, wenn die Öbag nicht mit Sazka für die Abberufung stimmt?

Chvátal: Das würde uns schockieren. Wir würden auf die neue Regierung warten und uns an die nächste Ebene wenden: an den Bundeskanzler. Denn wir haben Vertrauen in Herrn Kurz.(Renate Graber, 25.11.2019)