Onlinedienste bieten Rechtshilfe bei überhöhten Mieten an.

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Immer öfter gehen Menschen, die sich ungerecht behandelt fühlen, nicht zum Anwalt, sondern ins Internet, etwa bei Flugverspätungen, wo Plattformen wie Flightright.at für eine Erfolgsbeteiligung Entschädigungen erkämpfen. Aber wo ist die Grenze zwischen solchen Diensten und juristischer Beratung, zu der nur Rechtsanwälte befugt sind?

Auch in Österreich wird daher mit Spannung ein Urteil des Deutschen Bundesgerichtshofs (BGH) am 27. November erwartet, der über eine Klage der Rechtsanwaltskammer Berlin gegen das Legal-Tech-Start-up Lexfox und dessen Website wenigermiete.de entscheidet.

Dessen Geschäftsmodell gleicht dem vieler Onlineplattformen, die damit werben, rasch und günstig Rechtsansprüche von Konsumenten durchzusetzen. Die User füllen einen Onlinefragebogen aus und laden die benötigten Unterlagen hoch. Die Plattform berechnet mithilfe von Algorithmen die Chancen auf Durchsetzung der Ansprüche und fordert oder klagt diese ein.

Zahlung erst bei Erfolg

Sie trägt das volle Prozessrisiko, die Kunden zahlen erst bei Erfolg. Aber Wenigermiete.de hat keine Rechtsanwaltslizenz, sondern agiert als Inkassounternehmen. Die Kammer behauptet, dass Wenigermiete.de mit seinem Onlinerechner Rechtsberatung betreibe und gewerblich nicht berechtigt sei, daraus entstandene Forderungen einzuklagen.

Beobachter gehen aber davon aus, dass das BGH die Beschwerde der Kammer abweisen und damit der Legal-Tech-Branche mehr Spielraum verschaffen wird.

In Österreich sind die Bestimmungen strenger als in Deutschland, weil hier die Winkelschreiberei-Verordnung seit über 150 Jahren eine entgeltliche Rechtsberatung oder -vertretung mit einer Verwaltungsstrafe belegt, sagt Matthias Preuschl, Partner bei PHH Rechtsanwälte. Aber auch hierzulande werden die Grenzen dank neuer Onlineangebote immer mehr verwischt: „Für viele ist das Internet die erste Erkenntnisquelle, auch für Rechtsfragen.“

Zweiklassengesellschaft

Zwar sei es vorteilhaft, wenn es gerade bei Standardproblemen mehr niederschwellige kostengünstige Angebote für Rechtssuchende gebe. Aber die Fragen der Qualitätskontrolle und Haftung bei Fehlberatung dürfen nicht ignoriert werden, betont Preuschl, der sich stark in der Standesvertretung engagiert.

Wenn immer mehr Menschen sich Rat über Billigschienen holen und damit auf die Nase fallen, „dann entsteht eine Zweiklassengesellschaft zwischen erstklassigen und drittklassigen Produkten, und das geht rechtspolitisch in die falsche Richtung“, sagt er.

Wichtig wäre es daher, dass bei solchen Rechtsangeboten ein heimischer Anwalt dahintersteht, der bei Fehlberatungen haftpflichtversichert ist, und nicht ein unbekannter Betreiber in Dublin oder in der Karibik.

"Das ist die Zukunft."

Preuschls Kollege Rainer Kaspar, der sich viel mit Legal Tech beschäftigt, hat Verständnis für diese Vorbehalte, warnt aber vor zu hohen Hürden für neue Anbieter. „Wir müssen mit der Zeit gehen und uns weiterentwickeln“, sagt er. „Ist es noch zeitgemäß, dass alle Rechtsberatung durch Anwälte erfolgen muss? Der Schutzgedanke ist wichtig, aber Rechtsanwälte geben nicht immer die richtigere Lösung. Software und künstliche Intelligenz sind weniger fehleranfällig als Menschen. Das ist die Zukunft.“

Entscheidend bei der Bewertung von Onlineangeboten ist für Preischl und Kaspar die Frage, ob der Kunde Ansprüche zu verlieren droht, wenn der Algorithmus keine richtige Antwort ausspuckt. Bei Miethöhen oder de Entschädigung für Flugverspätungen sieht Kaspar dieses Risiko nicht.

In anderen Rechtsbereichen sei die Technologie noch nicht weit genug, um auch für die erste Rechtshilfe den Anwalt zu ersetzen, aber für Kaspar ist das nur eine Frage der Zeit. „Über kurz oder lang wird es hier eine Umwälzung geben.“ (Eric Frey, 25.11.2019)