Menschenrechtsaktivisten hatten allen Grund dazu, vor dem Wien-Besuch des weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko auf die Missstände in dessen Land hinzuweisen: Weißrussland ist der letzte europäische Staat, der noch die Todesstrafe anwendet, Bürgerrechtler klagen über massive Einschränkungen bei Meinungs-, Versammlungs- und Medienfreiheit.

Selbstverständlich musste auch gefordert werden, dass das offizielle Österreich genau diese Themen anspricht. Das gilt für alle Begegnungen mit Staatenlenkern, die demokratische Grundrechte im Zweifelsfall für ein Ärgernis halten. "Augen zu und durch", etwa im Interesse guter Wirtschaftsbeziehungen, ist keine akzeptable Strategie.

Nötige Kontakte nicht ausschlagen

Wer aber die Gelegenheit haben will, Menschenrechte als universellen Wert zu thematisieren und dabei nicht bloß den Vorwurf der "Einmischung von außen" zu ernten, darf auch die nötigen Kontakte nicht ausschlagen. Die Alternative wäre entweder Schweigen oder die Beschränkung auf wenig sinnvolle Lippenbekenntnisse.

Vor allem aber gilt es, mit kühlem Kopf stets die geopolitischen Bezüge im Blick zu behalten. Lukaschenko etwa hat Interesse an besseren Kontakten zur EU – auch, um sich aus der allzu heftigen Umklammerung durch Russland zu lösen. Ihn weder zurückzustoßen noch in einen Konflikt mit Moskau zu drängen, ist ein heikler diplomatischer Balanceakt. Ohne direkte Gespräche wird es nicht gehen. (Gerald Schubert, 12.11.2019)

Österreichs Präsident Alexander Van der Bellen empfängt Weißrusslands Präsident Aleksandr Lukaschenko mit dem Hinweis: Menschenrechte, hier lang!
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