Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez ließ eine sichere Regierungsmehrheit sausen.

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Es ist traurig, aber wahr. Für das vage Versprechen der Umfragen, eine Handvoll Abgeordnete mehr zu erzielen, ließ der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez eine sichere Regierungsmehrheit sausen. Anstatt ernsthaft zu verhandeln, tat der Chef der sozialistischen PSOE alles, damit keine Koalition mit den Linksalternativen von Unidas Podemos (UP) zustande kam. Diese wiederum waren nicht schlau genug, im Juli zuzugreifen, als Sánchez drei Minister anbot. Sie pokerten, um mehr zu erzielen und brachen damit ein.

Jetzt sitzt die Linke vor einem Scherbenhaufen. Ein mögliches Bündnis aus Sozialisten und Linksalternativen verlor am Sonntag deutlich an Stimmen und an Abgeordneten. Die Wähler straften sie für die gescheiterten Verhandlungen ab, indem sie ganz einfach zu Hause blieben. Die diesmal geringer Wahlbeteiligung geht vor allem auf Bürger und Bürgerinnen zurück, die im April eine der beiden progressiven Parteien wählten.

Stärkung der Rechtsparteien

Die Wahlwiederholung beflügelte die Rechte. Die konservative, von Korruptionsskandalen geplagte Partido Popular (PP), die im April ihr historisch schlechtestes Ergebnis einfuhr, erholte sich wieder. Und was am Schwersten wiegt, die rechtsextreme VOX wurde zur drittstärksten Partei. Sie hat mehr als doppelt so viele Abgeordnete, als noch im April, als sie zum ersten Mal in das spanische Parlament einzog. Die Rechtsliberalen, die sich im Wahlkampf zaghaft einem Bündnis mit den Sozialisten öffneten, sind die großen Verlierer der Wahl. Sie verloren mehr als 80 Prozent der Abgeordneten in Richtung PP und Vox.

Das Ergebnis zeugt von einem tiefsitzenden Frust auf der Linken. Ihre Wähler gingen im April in Massen an die Urnen, um einem rechten Bündnis aus Konservativen, Rechtsliberalen und Rechtsextremen den Weg zu verbauen und auch, um soziale Verbesserungen zu erreichen, die nach jahrelange harter Austeritätspolitik dringend notwendig sind.

Territoriale Krise

Die Sozialisten haben es damit noch schwerer als im April, eine stabile, fortschrittliche Regierung zu bilden, für die sie im Wahlkampf warben. Und diese ist notwendiger denn je. Denn Spanien steckt in einer schweren territorialen Krise. In Katalonien nehmen die Proteste der Unabhängigkeitsbewegung zu, seit neun Aktivisten und Politiker zu hohen Haftstrafen verurteilt wurden. Sánchez glaubte, er könne von einer Politik der Härte gegenüber Katalonien profitieren und vergaß dabei, dass das Thema der spanischen Nation nur der Rechten – in diesem Fall der extremen Rechten – nutzt. Auch seine Hoffnung, dass die Unabhängigkeitsbefürworter an den Urnen Federn lassen würden, erfüllte sich nicht. Der Block der katalanischen Unabhängigkeitsbefürworter im neuen spanischen Parlament ist stärker als zuvor. Ohne sie wird Sánchez wohl kaum regieren können. Um ihre Unterstützung zu bekommen, muss Madrid endlich mit Barcelona in einen Dialogprozess eintreten.

Kaum war das Ergebnis ausgezählt, wurden Stimmen laut, die eine weitere Wahlwiederholung prophezeiten. Es wäre dann der fünfte Urnengang in etwas mehr als vier Jahren. Das wäre das absolute Desaster. Die Wähler auf der Linken würden sicher noch mehr Vertrauen in die Politik verlieren. Die Ultrarechte würde wohl noch weiter steigen. Zusammengefasst: Die Demokratie würde schwer Schaden nehmen. Sánchez zockte und verspielte zumindest die nähere Zukunft eines ganzen Landes. Und das alles wegen einer Handvoll Abgeordneter, die sich als Fatamorgana erwiesen. (Reiner Wandler aus Madrid, 10.11.2019)