Neuigkeiten von der 551-tägigen Fahrt der Fregatte SMS Novara, die am 30. April 1857 in Triest begann und nach ihrer Weltumsegelung am 26. August 1859 ebendort endete, waren einst ersehnte Nachrichten. Mit mehrwöchiger Verspätung las man sie – damals nahezu in Echtzeit – in der "Wiener Zeitung". Erst 1861 erschien der dreibändige Reisebericht. Da wie dort erfuhr man vieles über fremde Länder und wurde Zeuge seltsamer Begegnungen.

Würden wir heute selbst von hoher See Nachrichten in Echtzeit erhalten, dauerte es im 19. Jahrhundert doch bedeutend länger. Um die damals Zuhausegebliebenen möglichst zeitnah mit Informationen zu versorgen, gab man bei jedem Hafen Briefe und Botschaften auf, die mit dem nächsten Schiff zurück in die Heimat gebracht wurden. Bei der Novara-Reise schrieb der mitreisende Geologe, Ferdinand von Hochstetter (1829–1884), regelmäßig Berichte, die in fernen Häfen aufgegeben wurden und in Fortsetzungen zeitnah in der "Wiener Zeitung" veröffentlicht wurden.

Transatlantische Nachrichten in "Echtzeit"

So erschien am Samstag, dem 19. September 1857, im Abendblatt der "Wiener Zeitung" bereits der sechste Teil der Fortsetzungsgeschichte "Expedition der k. k. Fregatte Novara". Inhaltlich ging es hier um die Fahrt über den Atlantik. Aufgebrochen waren die Weltreisenden am 17. Juni von Madeira, am 5. August gingen sie in Rio de Janeiro vor Anker. Eine Flaute hatte eine erhebliche Verzögerung der Ankunft verursacht.

Das Schreiben Hochstetters von Rio nach Wien erweist sich als Zeitmesser. Benötigten die Seefahrer für die Fahrt von Madeira nach Rio 50 Tage, erreichte der Brief, der wahrscheinlich am 5. August, dem Tag der Ankunft, aufgegeben wurde, in nur 45 Tagen Wien. Das heißt, er legte die deutlich längere Strecke in weniger Zeit zurück.

Die Atlantikroute der Novara im Jahr 1857.
Foto: Geologische Bundesanstalt

Vom Leben auf hoher See

Die Lektüre der "Wiener Zeitung" informiert am 19. September nicht nur über elf Tage Windstille, sondern auch über das Leben an Bord, wo die eigens mitgereiste Bordmusikkapelle für positive Stimmung sorgte. "Unsere Musikbande spielte indess fleissig ihre 'Novara-Polka', den 'Mutterkuss in öder Waldesnacht' – ein Titel für ein Quodlibet, das der Phantasie des Capellmeisters auf den Wogen des Oceans entsprungen – und wie die Stücke alle heissen."

Bei der Querung des Äquators Mitte Juli gab es die obligate Äquatortaufe. Dieses Fest zog sich über zwei Tage. Der Hochbootsmann hatte sich eigens als Neptun verkleidet, und die gesamte Mannschaft musste mitmachen. "Unbarmherzig schleppten die Häscher Neptun's Jeden vor dessen Thron, und wer nicht mit klingender Münze sich loskaufte, wurde rasirt und mit Strömen von Wasser abgewaschen."

Kurz vor der Ankunft hatte auch ein verwesender Walfisch für Abwechslung gesorgt, wie Hochstetter kurz berichtete. Eine ausführliche Schilderung des verwesenden Walfisches vor Rio sollte erst im Jahr 1861 folgen.

Das "Novara"-Werk

Die wissenschaftlichen Ergebnisse der Novara-Fahrt erschienen in einem 21-bändigen Werk, dessen letzter Band 1875 veröffentlicht wurde. Am Beginn stand ein dreibändiges Werk, das 1861 und 1862 unter dem sperrigen Titel "Reise der österreichischen Fregatte Novara um die Erde in den Jahren 1857, 1858, 1859 unter den Befehlen des Commodore B. von Wüllersdorf-Urbair" erschien. Redakteur war Karl von Scherzer (1821–1903), die Illustrationen lieferte Joseph Selleny (1824–1875), der als Maler die Expedition begleitet hatte. Scherzer stützte sich dabei nicht nur auf eigene Beobachtungen, sondern verwendete eine Vielzahl von Unterlagen, die ein abgerundetes Bild der Reise ergaben.

Ehrengrab von Ferdinand von Hochstetter am Wiener Zentralfriedhof.
Foto: Thomas Hofmann

"Ein sichtbares Navigationshinderniß"

Im Gegensatz zum Titel der Bücher ist der Text leicht verständlich und auch heute noch spannend zu lesen, wie nachfolgende Passagen zeigen. "Am 1. August meldete man gerade vor uns, in der Richtung, die wir befolgten, einen Felsen. Da ein soIcher auf den Seekarten nicht bezeichnet und auch nicht vorauszusetzen war, daß in diesen so sehr befahrenen Gewässern ein sichtbares Navigationshinderniß der Aufmerksamkeit der Seefahrer bisher entgangen sein sollte, näherten wir uns vorsichtig dem Gegenstande und versuchten durch Fernrohre dessen Natur zu erkennen. Die entgegengesetztesten, sonderbarsten Ansichten wurden laut, und Einige meinten sogar, es sei bloß ein riesiger Albatroß, obschon der vermeintliche Fels den Umfang von mehr als hundert Albatrossen hatte."

Die Fregatte SMS Novara im Kreise der besuchten Länder.
Foto: Geologische Bundesanstalt

Ein verfaulter Wal

"Als wir endlich dem Gegenstande näher gekommen waren, bemerkte man zwar, daß es ein schwimmender Körper sei, konnte aber denselben doch nicht genau erkennen. Ein Boot wurde nun bemannt, und bald waren wir in der Lage durch den Geruchssinn in Erfahrung zu bringen, daß wir es mit einem todten, wahrscheinlich schon abgezogenen und in Fäulniß übergegangenen Walfische zu tun hatten. Wenige große Vögel schwebten über demselben in der Luft, während eine unzählige Menge von Haifischen sich an dem Aase weideten, und so zu sagen mit Anlauf sich in das Innere des totden Körpers hineinbohrten. Wir schossen auf einige derselben, jedoch ohne das gewünschte Resultat zu erzielen, und entfernten uns endlich als der üble Geruch gar zu unerträglich wurde. Unserem Boote folgten noch eine Weile einige Haifische nach, wahrscheinlich in der Hoffnung frischere Nahrung an uns selbst zu finden. – Dieser Vorfall lehrte uns indeß recht deutlich, wie manche der auf den Seekarten als zweifelhaft aufgeführten Felsen ihren Ursprung in einer ähnlichen Veranlassung haben können; denn hätten wir uns nicht ganz in der Nähe von der wahren Natur des Gegenstandes selbst überzeugt, so würden wir denselben gleichfalls für einen Felsen gehalten und die Zahl der Fragezeichen und doubtfuls auf den Karten des atlantischen Oceans vermehrt haben."

"Wo uns Windstille an diesen Ort fesselte"

Ehe sie in Rio an Land gehen konnten, vertrieben sich die Seeleute die Zeit noch mit dem Schießen von Seevögeln, wohl weniger zum Zweck der Wissenschaft, eher zum Zeitvertreib, wie folgende Zeilen suggerieren. "Am 3. August bekamen wir endlich Cap Frio in Sicht und benützten den ganzen darauf folgenden Tag, wo uns Windstille an diesen Ort fesselte, um Albatrosse zu schießen, welche das über Bord geworfene Fett eines am Morgen harpunirten und zu zoologischen Zwecken präparirten Delphins massenhaft angezogen hatte."

Capo Frio kündete das südamerikanische Festland an.
Foto: Geologische Bundesanstalt

Hochstetters gesammelte Berichte als posthumes Druckwerk

Ferdinand von Hochstetter, der Chronist zeitnaher Berichte, machte eine vielbeachtete Wissenschaftskarriere. 1872 wurde er Lehrer von Kronprinz Rudolf, von 1874 bis 1875 war er Rektor der Technischen Hochschule in Wien (heute TU Wien). Ab 1876 war er als Direktor des Naturhistorischen Museums in Wien für dessen Neubau maßgeblich verantwortlich; allerdings sollte er dessen Eröffnung am 10. August 1889 nicht mehr erleben. Ein Jahr nach seinem Tod am 18. Juli 1884 erschienen bei Eduard Hölzl in Wien alle seinerzeit von ihm in der "Wiener Zeitung" veröffentlichten Berichte als Druckwerk. Sie bestechen durch ihre Authentizität und stellen als zeitnah verfasste Darstellung eine willkommene, leicht lesbare Ergänzung zu den drei Bänden Karl von Scherzers der Jahre 1861 und 1862 dar. (Thomas Hofmann, 13.11.2019)