Über den Linken Fernerkogel sollen Pitztal und Ötztal für Wintersportler verbunden werden.

Foto: WWF / Vincent Sufiyan

Wien/Sölden – Seit Wochen kann in den Tiroler Gletscherskigebieten Sölden und im Pitztal trotz des bislang warmen Herbstes auch dank des konservierten und über den Sommer geretteten Schnees bereits über die Pisten gewedelt werden. Touristiker und Seilbahnwirtschaft reicht der Status quo freilich nicht aus: Sie basteln seit Jahren an einer Zusammenlegung der beiden nahe beieinanderliegenden Skigebiete, um Wintersportlern mit einem Ticket mehr Pistenkilometer anbieten zu können.

Ein möglicher Zusammenschluss rückt immer näher: In rund einem Monat soll die mündliche Verhandlung der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) für das Großprojekt stattfinden. Geplant ist der Bau von gleich drei Seilbahnen im ökologisch höchst sensiblen Lebensraum. Die höchste Gipfelstation des neuen Bauvorhabens ist dabei auf rund 3200 Metern geplant. Auch ein neuer Speicherteich, Infrastruktur für künstliche Beschneiung, 64 Hektar neue Pisten sowie ein Skitunnel sind projektiert.

Naturschutzorganisationen wie Alpenverein, Naturfreunde und WWF Österreich machen unter der Initiative "Allianz für die Seele der Alpen" gegen das "naturzerstörerische Megaprojekt" mobil. "Diese Pläne für die Verbauung unberührter Gletscherwildnis mit energiefressender Infrastruktur sind sinnbildlich für die verfehlte Klima- und Umweltpolitik Österreichs", sagt Robert Renzler, Generalsekretär des Alpenvereins. Statt einer Expansion der Skigebietsflächen müssten die letzten alpinen Freiräume geschützt werden, lautet die Forderung.

Neue Unterschriften im Minutentakt

In der Allianz ist auch die Bürgerinitiative Feldring vertreten, die auf mein.aufstehn.at die Petition "Nein zur Gletscherverbauung Pitztal-Ötztal!" gestartet hat. Initiator der Unterschriftenliste ist der Tiroler Gerd Estermann. Am Sonntagabend um 16.50 Uhr wurde die Marke von 30.000 Unterstützern geknackt – und das nicht einmal drei Wochen nach dem Start der Petition. "Die Leute haben die Nase voll", meinte Estermann. Am Montagnachmittag waren es bereits mehr als 50.000 Unterschriften.

Insgesamt sollen für die umstrittene Gletscher-Ehe mehr als 750.000 Kubikmeter Gestein, Erde und Eis gesprengt und abgetragen werden, rechnen die Umweltorganisationen zusammen. Von einem Vorgipfel sollen wegen einer Station einer neuen Seilbahn gleich 40 Höhenmeter abgesprengt werden.

Zusammenschluss als "Zukunftschance"

Franzl Hörl, ÖVP-Nationalratsabgeordneter und Sprecher der Seilbahnwirtschaft, spricht hingegen von einer "Panikmache" und "Schutzbehauptung" der Umweltschutzorganisationen, wie er auf STANDARD-Anfrage meint. "Es geht um keinen Gipfel, der weggesprengt wird, sondern nur um einen Felsrücken." Hier müssten mehr als 100.000 Kubikmeter weggesprengt werden, räumt Hörl ein: Das sei für die Skigebietsverbindung zwischen Ötztal und Pitztal unabdingbar.

Vor allem für das touristisch nachhinkende Pitztal sei das 130-Millionen-Euro-Projekt alternativlos, meint der Seilbahner. Das Tal leide an Rückgängen im Tourismus. Das Großprojekt nennt Hörl eine "Zukunftschance" und eine "Optimierung des Angebots mit relativ wenig Aufwand". Er verweist zudem auf Initiativen lokaler Wirtschaftstreibender wie "Lebensraum Pitztal", die sich für die Gletscher-Ehe aussprechen würden.

Pistensperre nach Sprengung

Mit umstrittenen Sprengungen im Gletscherskigebiet kennen sich die Pitztaler jedenfalls aus: Im Oktober des Vorjahrs wurde von den Bergbahnen ohne Genehmigung ein Berggrat in rund 3.400 Metern Höhe einfach abgesprengt, um einen Skiweg zu verbreitern. Die Felsbrocken stürzten in ein Natura-2000-Gebiet. Die wichtigste Piste vom höchsten Punkt des Skigebiets, die mit der Wildspitzbahn erreicht wird, wurde daraufhin behördlich gesperrt. Die monatelange Sperre wurde erst Ende Februar 2019 dank einer nachträglichen naturschutzrechtlichen Verhandlung und einer Verlegung des Weges wieder aufgehoben. (David Krutzler, 3.11.2019)