Ein Urgestein der Hypercasual-Welle: "Flappy Bird".

Foto: Flappy Bird

Flappy Bird, 2048, Temple Run – sehr einfach gestrickte Mobile Games sorgten in den letzten Jahren immer wieder für großes Nutzerinteresse. Die sogenannten Hypercasual Games eignen sich gut für ein paar Runden zwischendurch und können selbst Menschen begeistern, die wenig Erfahrung mit Videospielen haben.

Das Geschäft mit den von Werbung finanzierten Gratisapps soll sehr lukrativ sein. Ihre Erfinder sollen teilweise sechsstellige Summen täglich eingenommen haben. Das dürfte allerdings nur für wenige von ihnen gelten, erklärt der Entwickler Will Kwan in einem Youtube-Video. Er berichtet von seinen Erfahrungen mit seinem eigenen Spiel, das ohne große Mühe über 400.000 Downloads in Apples iTunes-Store schaffte – obwohl er das Game selbst nicht einmal gut fand.

Will Kwan

Dem Trend gefolgt

Konkret geht es um das – mittlerweile nicht mehr verfügbare – Spiel Frantic Architect. Auf einer kleinen, sich drehenden Plattform müssen Spieler darin blockweise einen möglichst hohen Turm bauen, ohne dass dieser aus dem Gleichgewicht gerät. Kwan wollte 2015 als frisch gelernter Entwickler auf die Hypercasual-Welle aufspringen. Es war die Zeit, in der nach dem Hype um Flappy Bird zahlreiche Unternehmen auf den Trend aufsprangen.

Dazu wollte er mit einem Publisher zusammenarbeiten und beschäftigte sich dafür mit dem Markt. Es stellte sich heraus, dass das Feld der Hypercasual Games von wenigen großen Firmen dominiert wird. Branchenführer Voodoo kam im zweiten Quartal 2019 weltweit auf die meisten App-Downloads, nur geschlagen von Facebook und Google. Ein Spiel nicht in Eigenregie zu veröffentlichen, sondern über einen Digitalverleger, verspricht drei große Vorteile: Werbung in sozialen Netzwerken, Werbung in anderen Games aus gleichem Hause und bessere Kontakte zu Apple und Google, um prominente Plätze in deren Stores zu erobern.

Der Trailer zu "Frantic Architect".
BulkyPix

Publisher-Suche

Doch der erhoffte Weg zum schnellen Geld war deutlich steiniger als erwartet, denn es war nicht leicht, in der Schwemme an einfachen Games aufzuzeigen. Kwan entwickelte mehrere Games-Prototypen, die er verschiedenen Publishern vorschlug. Eines seiner Konzepte, Hasty Enemies, bei dem der Spieler Gegner besiegen muss, indem er sie durch geschicktes Laufen dazu bringt, zusammenzustoßen, wurde zwar von allen kontaktierten Publishern abgelehnt. Kurz darauf veröffentlichte die Firma Ketchapp allerdings ein Game, das seine Idee offenbar abkupferte.

Für sein Turmspiel hingegen bekam Kwan gleich zwei Angebote. Er entschied sich für jenes der Firma Bulkypix, da diese in Frankreich angesiedelt ist und bereits einige gute Spiele herausbrachte, bevor man zu Hypercasual Games übergegangen war. Die Vertragsbedingungen seien "furchtbar" gewesen. Im Austausch gegen 50 Prozent der Werbeeinnahmen versprach Bulkypix, das Game nach dem Launch eine Woche lang auf iTunes zu pushen.

Interesse nach zwei Wochen vorbei

Während er das Konzept für Frantic Architect in nur einem Tag umgesetzt hatte, dauerte die Fertigstellung des Spieles gut ein halbes Jahr, denn er selbst hatte schnell die Lust an dem Projekt verloren, da er das Game selbst "nicht für sehr gut" hielt und selbst so etwas nicht spielen würde. Zudem war er mit dem Abschluss seines letzten Studienjahrs beschäftigt. Bulkypix trug ihm zudem auf, allerlei "langweilige" Zusatzarbeit zu verrichten, etwa Übersetzungen und Online-Highscores zu implementieren und Marketing-Grafiken zu designen. Dennoch entwickelte er das Spiel zu Ende, um etwas für seinen Lebenslauf zu haben.

Ob Bulkypix Werbung im versprochenen Umfang betrieben hat, als das Game im März 2016 erschien, darüber ist sich Kwan nicht sicher, weil Bulkypix kaum etwas über seine Tätigkeiten kommunizierte. Jedenfalls tauchte es nach dem Release weltweit in den Empfehlungen für die "besten neuen Spiele" auf iTunes auf. Das führte dazu, dass die App über zwei Wochen 365.000-mal heruntergeladen wurde und insgesamt über 400.000 Downloads schaffte. Damit hatte er eben so wenig gerechnet wie mit dem schnellen Abfall der Downloads nach den ersten 14 Tagen. Frantic Architect sei danach praktisch "irrelevant" geworden. Verdient hätte er letztlich um die 2.500 Dollar mit dem Spiel.

Gameplay aus "Flappy Bird".
Fonty 30

Publisher ging plötzlich pleite

Wenige Wochen darauf versuchte er Kontakt zu Bulkypix herzustellen, weil er keine Auszahlungen bekommen hatte, erhielt aber keinerlei Reaktion. Er hörte auch von einem anderen Entwickler, der auch von Funkstille berichtete. Später stellte sich heraus, dass der Publisher still und leise bankrott gegangen war. Kwan hatte an Frantic Architect somit am Ende gar nichts verdient, sagt er.

Den Erfolg der Hypercasual Games erklärt sich der Entwickler so: Für Publisher sind diese Spiele attraktiv, weil sie schnell und günstig umzusetzen sind. Und weil sie so simpel gestrickt und einfach zu verstehen sind, gibt es ein großes Zielpublikum. Doch der Nachteil ist, dass kaum eines dieser Games langfristig gespielt wird. Die Aufmerksamkeitsspanne der Nutzer für die einzelnen Spiele ist somit sehr niedrig. Dementsprechend wenig Interesse gibt es an Mikrotransaktionen, weswegen man auf Werbung setzen muss.

Viel Verschiebung, wenig Einnahmen

Allerdings sind auch Werbetreibende offenbar nur mäßig daran interessiert, legt jedenfalls ein Artikel von "Venturebeat" nahe. Demnach bewerben 60 Prozent der Anzeigen einfach nur andere Hypercasual Games. Die Branche verdient hier also kein Geld, sondern schiebt es nur zwischen den Unternehmen hin und her. Der Rest ist üblicherweise Werbung für verschiedene Marken oder anspruchsvollere Mobile Games, deren Entwickler das Hypercasual-Publikum anlocken wollen.

Um sich mit den Einnahmen aus den anderen 40 Prozent zu erhalten, müssen also in schnellem Rhythmus neue Spiele veröffentlicht werden, weil längst nicht jeder Titel sich zu einem Phänomen à la Flappy Bird entwickelt.

Das wird auf Dauer aber immer schlechter funktionieren, vermutet Kwan. Denn die Leute würden mit der Zeit erkennen, dass das Spielen dieser simplen Games nicht besonders erfüllend sei. Zudem steigen die Anforderungen an die Qualität von Apps, und es sei heute deutlich schwerer, Menschen dazu zu bewegen, neue Titel herunterzuladen, als noch vor wenigen Jahren. Sobald ein Anbieter es schafft, ein sehr gutes Game umzusetzen, das auch viele Nichtgamer anspricht, werde sich wohl die gesamte Branche wandeln, sagt er voraus. In zehn Jahren werde man sich an die Hypercasual Games der heutigen Zeit erinnern und sich fragen, warum irgendjemand so etwas spielen wollen würde.

Lieber einzigartige Games machen

Und obwohl Voodoo ein riesiger Player sei, deuten verfügbare Zahlen Kwans Einschätzung nach darauf hin, dass das Unternehmen nicht gewinnträchtig arbeitet, obwohl es alle paar Tage ein neues Spiel veröffentlicht. Sein Rat an Entwickler ist daher, sich nicht von großen Firmen am Markt abschrecken zu lassen und lieber einzigartige Spiele statt Billigware zu programmieren, um die Branche vielleicht zu verändern.

Der Geschichte seines "Erfolgsspiels" hat sich Kwan übrigens bereits vor zwei Jahren in einem Blogbeitrag gewidmet, allerdings aus einem anderen Blickwinkel. (gpi, 25.10.2019)