FPÖ-Chef Norbert Hofer verdankte die Wahl zum Nationalratspräsidenten einem alten Parlamentsbrauch. Wenig Dank für ihren Wahlerfolg bekam hingegen Philippa Strache, die FPÖ schloss sie aus der Partei aus. Euphorisch zeigte sich Werner Kogler, dem auch Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger Respekt für den Wiedereinzug zollte.

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Wenn man sich Mühe gibt, erkennt man die verschiedenen Kategorien unter den Abgeordneten in so einer ersten Sitzung einer neuen Legislaturperiode, wie sie am Mittwoch im Parlament abgehalten wurde: Da sind die ganz frisch in den Nationalrat Gewählten, die – meist weiter hinten – aufrecht sitzen und das Prozedere verfolgen, den Reden lauschen. Manche von ihnen schießen freudig Selfies mit ihren Sitznachbarn.

Dann gibt es die altgedienten Parlamentarier wie den ÖVP-Mann Reinhold Lopatka, die schon viele Jahre im Hohen Haus sitzen. Und wissen, dass sie sich der Zeitungslektüre widmen können, wenn der Kollege aus den eigenen Reihen mit seiner Rede fertig ist.

Und es gibt die eine, die allein sitzt, ganz hinten, in einer eigenen Sitzreihe hinter den Sozialdemokraten. Sie klatscht manchmal höflichkeitshalber am Ende der Reden, aber nicht zwischendurch. Sie studiert Akten, tippt auf dem Handy, trinkt aus einem Wegwerfbecher. Und anders als alle anderen Abgeordneten wählte sie den Seiteneingang zum Plenarsaal, um den Redakteuren, Fotografen und Kamerateams zu entgehen: Philippa Strache, die erste "wilde Abgeordnete" in der 27. Legislaturperiode des österreichischen Nationalrats.

"Wild" deshalb, weil ihr die FPÖ nach den Querelen mit Strache und ihrem Mann Heinz-Christian die Aufnahme in den Klub verwehrt hat – obwohl sie zum Zeitpunkt der Angelobung Parteimitglied war. Die FPÖ reagierte am selben Tag: Noch während der Parlamentssitzung schlossen die Freiheitlichen Strache aus der Partei aus.

Versuch, Hofer zu verhindern

Weitaus mehr Gewicht als eine einzelne fraktionslose Mandatarin hatte freilich der erste Tagesordnungspunkt nach der Angelobung der neuen Abgeordneten: die Wahl des Ersten, Zweiten und Dritten Nationalratspräsidenten. Dem parlamentarischen Usus entspricht es, dass diese Ämter von den drei stimmenstärksten Parteien besetzt werden. Ähnlich traditionsreich ist aber das Bestreben der Grünen, einen Freiheitlichen im Präsidium mit einer Gegenkandidatur zu verhindern.

So auch diesmal: Die ehemalige Uni-Rektorin und jetzige Grünen-Abgeordnete Eva Blimlinger sollte als alternativer Vorschlag zu Norbert Hofer, dem Chef der Freiheitlichen, angeboten werden. So erklärte es Grünen-Chef Werner Kogler in seiner ersten Rede. Dem vorausgegangen war die heftige Kritik des blauen Klubchefs Herbert Kickl, der den Grünen wegen Blimlingers Kandidatur antidemokratisches Verhalten vorgeworfen hatte: "Hinter diesem putzigen Mäntelchen der Ökopartei steckt in Wahrheit eine knallharte linkslinke Gesinnung, die auch das Potenzial hat, in Richtung totalitäre Tendenzen zu kippen." Auch die anderen blauen Redner ergingen sich in scharfen Angriffen.

Strache abwesend

ÖVP, SPÖ und Neos hatten jedenfalls schon zuvor angekündigt, nicht für Blimlinger zu stimmen. Die Neos stellten ihren Abgeordneten zwar frei, für wen sie in der geheimen Wahl stimmen. Parteichefin Beate Meinl-Reisinger sagte aber, sie werde sich "an die Usancen halten". Dementsprechend erfolglos war die neue Grünen-Abgeordnete dann auch. Wolfgang Sobotka wurde mit fast 88 Prozent der Stimmen zum Präsidenten gewählt. Doris Bures (SPÖ) bekam 142 Stimmen für die Wahl zur Zweiten Nationalratspräsidentin, Norbert Hofer wurde mit 123 Stimmen zum Dritten Präsidenten gewählt, auf Eva Blimlinger entfielen 34 Stimmen, also um acht Stimmen mehr, als die Grünen über Mandate verfügen.

Es kam auch zu einigen wohl nicht ganz ernst gemeinten Stimmen – etwa für ÖVP-Mandatar Karlheinz Kopf oder SPÖ-Rebell Max Lercher. Philippa Strache nutzte ihr Stimmrecht übrigens nicht: Sie war bei den Abstimmungen abwesend.

Nach den ersten formalen Schritten der neuen Periode bemühten sich alle Fraktionen um die oft eingeforderte Sacharbeit und brachten mehrere Gesetzesanträge ein. Die SPÖ forderte etwa konkrete Maßnahmen zur Gleichstellung von Frauen, die Grünen forderten ein Nachbessern des Klimaschutzplans, die Neos ein Informationsfreiheitsgesetz und eine größere Transparenz bei den Parteienfinanzen. Ein Teil der Anträge wurde den entsprechenden Ausschüssen zur weiteren Bearbeitung zugewiesen – und damit wurde zumindest diese parlamentarische Usance eingehalten. (Sebastian Fellner, Maria Sterkl, 24.10.2019)