Das Nox Helium bietet die Vorteile eines E-Bikes, gepaart mit denen eines herkömmlichen Mountainbikes.

Foto: Florian Lechner

Bergauf kommt man am Helium durchaus ins Schwitzen.

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Dafür lässt sich das Leichtgewicht notfalls auch problemlos schultern.

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Bergab ist das Rad der pure Fahrspaß. Nichts erinnert an ein übergewichtiges E-Bike.

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Optisch kann sich das Helium 5.9 Pro sehen lassen. Hier vor einem der alten Bunker am Brenner.

Foto: Steffen Arora

Steil war es – bergauf wie bergab. Doch für das sportliche Helium beides kein Problem.

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Erst am Grenzkamm oben musste der erste Akku getauscht werden. Erstaunlich viel Saft.

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Trotz Nebels war der Ritt an der Grenze – rechts Österreich, links Italien – ein Hochgenuss.

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Absam/Brenner/Zell – Wenn Sie E-Bikes nicht mögen, ist das genau der richtige Artikel für Sie. Mit der neuen Helium-Serie, die ab 2020 als All Mountain und Enduro E-MTB verfügbar sein wird, geht Nox Cycles, die Zillertaler Bikeschmiede mit Berliner Wurzeln, weg vom klassischen Pedelec-Panzer – hin zum sportlichen und optionalen E-Bike. Die Testerfahrung mit diesem Carbon-Gefährt – nur der Hinterbau ist weiter aus Alu – war eine Aneinanderreihung von Aha-Erlebnissen, wie sie mir trotz einiger Amateur-Biker-Jahre im Sattel diverser Räder noch nie passiert sind.

Eines vorweg: Nein, das ist kein Werbeartikel. Das ist ein Testbericht. Immer wieder nutze ich in diesem Forum die, nicht ganz selbstlose, Möglichkeit, Bikeneuheiten zu testen, um Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, ganz subjektiv von Vor- und/oder Nachteilen ebendieser Fahrräder zu berichten. Diesmal ist das Nox Helium an der Reihe, das eine neue Form des E-Bikens verspricht.

Das Testobjekt

Also zurück zum Wesentlichen, dem Nox Helium 5.9 – der Zahlenzusatz bezeichnet den Federweg in Inches, also in dem Fall die All-Mountain-Kategorie. Das Enduro-Modell trägt den Namen Nox Helium 7.1. Zudem wird hinsichtlich der Ausstattung zwischen Pro und Expert unterschieden. Das teurere Pro-Modell kommt mit Fox-Fahrwerk, Renthal-Carbonlenker, 29-Zoll Stans-Carbonlaufrädern und Magura-MT7-Bremsen. Die etwas günstigere Expert-Variante ist mit Rock-Shox-Federelementen bestückt sowie mit 27,5-Zoll-DT-Swiss-Laufrädern und der Magura MT5. Also auch nicht grade Kaufhaus-Ausstattung. Die genauen Preise der jeweiligen Modelle finden Sie am Ende des Artikels.

Für den Tretlager-Test stellte Nox ein Helium 5.9 Pro zur Verfügung. Als das Radl geliefert wurde, staunte ich nicht schlecht ob der Optik und des Gewichts. Ehrlich gesagt dachte ich zuerst, der Akku sei noch nicht dran oder drin – oder wo eigentlich? Auf den ersten Blick schien Nox aus Versehen ein Bio- statt ein E-Bike geliefert zu haben. Das Missverständnis lag aber bei mir, da ich den Fazua-Antrieb noch nicht kannte, der im Unterrohr des Helium verbaut ist.

Der Fazua-Antrieb

Das Münchner Start-up Fazua hat mit Evation einen E-Bike-Antrieb entwickelt, der sich grundlegend von den hinlänglich bekannten Modellen der großen Hersteller wie Bosch, Shimano, Panasonic oder Brose unterscheidet. Einerseits was das Gewicht angeht: Der Fazua wiegt nur 4,6 Kilogramm, inklusive Akku, und ist somit der leichteste Antrieb seiner Klasse. Andererseits ist er in Sachen Leistung nicht mit klassischen E-Bike-Motoren vergleichbar. Er bringt 60 Nm bei einer Akkukapazität von 250 Wh. "Klassische" E-Bikes liegen heute bei 90 bis 120 Nm und 630 Wh aufwärts.

In der Praxis merkt man das sehr deutlich. Die ersten beiden Testtage stellte Nox noch eines seiner 2020er-Hybrid-Modelle mit Brose-Antrieb zur Verfügung, weil wir zu zweit unterwegs waren. Unbewusst versuchte ich beim ersten Uphill mit dem Helium das Tempo des Kollegen am Hybrid mitzuhalten. Während er mir wild gestikulierend vom vergangenen Wochenende erzählte, traten mir alsbald die Schweißperlen auf die Stirn. Der Fazua-Antrieb fährt sich ganz anders als klassische E-Bikes. Man muss die die richtige Trittfrequenz finden, um die bestmögliche Unterstützung zu erhalten.

Neues Fahrgefühl mit weniger Power

Die E-Hilfe macht sich nicht durch Anschieben bemerkbar wie bei klassischen Pedelecs, sondern ist am ehesten mit einem gut merklichen Rückenwind beschreibbar. Ich habe anfangs immer wieder "vergessen", dass ich auf einem E-Bike sitze. Der Motor ist auch kaum zu hören, erst nach einiger Fahrtzeit, vor allem wenn es steiler wird, nimmt die Betriebslautstärke zu. Wobei sie nie über ein E-Bike-typisches Surren hinausgeht.

Die ersten paar hundert Höhenmeter waren schnell abgespult. Während der Kollege am Hybrid vor der Trailabfahrt Aufwärmübungen absolvierte, fühlte ich mich oben angekommen bereits startklar. Ja, man kommt mit dem Fazua-Antrieb ins Schwitzen, er nimmt einem das Pedalieren nicht ab. Aber er macht es zu einem vernachlässigbaren Obligatorium.

Als Laie würde ich so sagen: Es gibt diese Tage, an denen steht man vor seinem Bike und denkt sich, dass eine schnelle Fahrt am Hometrail jetzt genau das Richtige wäre. Aber der Gedanke an die zwei, drei unangenehmen Uphill-Steilstücke der Hausrunde lässt einen dann doch eher in Richtung Couch tendieren. Dazu noch das herbstliche Wetter, und finster wird es auch bald. Mit dem Helium verschwinden diese Hürden. Und man hat nach einer Runde das angenehm angestrengte Gefühl in den Beinen, das Biken mit ausmacht. Ich hoffe, Sie können nachvollziehen, was ich sagen will?

Das Herantasten

Bergauf bietet der Fazua-Antrieb drei Unterstützungs-Modi. Ich fuhr fast ausnahmslos den höchsten, die pinke Stufe. Ehrlich gesagt, konnte ich nicht wirklich einen Unterschied bemerken, wenn ich eine niedrigere Stufe wählte. Nach einigen Uphills und dank des Vergleichs mit dem herkömmlich motorisierten Hybrid-Modell ermittelten wir folgende Ideal-Geschwindigkeiten: Bei leichten Steigungen entfaltet das Helium die beste Unterstützung im Bereich zwischen elf und zwölf km/h. Sobald es steiler wird, sollte man ein paar Gänge herunterschalten, denn wirklich merkliche Hilfe bietet der Antrieb dann zwischen sieben und acht km/h.

Anders als das Hybrid mit dem Brose-Antrieb, hat das Helium mit dem Fazua keinen Tacho, also heißt es, das richtige Gefühl für die Unterstützung zu entwickeln. Gar nicht so einfach, denn tritt man zu fest in die Pedale oder auch zu sanft, ist eine Art Verzögerung merkbar. Die Unterstützung lässt nach, und man muss erst wieder in die ideale Frequenz zurückfinden. Es dauerte bis zum dritten Testtag, bis sich dieses Gefühl bei mir einstellte.

Am Trail daheim

Während es bergauf mit dem Helium ein ganz neues E-Biken ist, war das Gefühl bergab ein altbekanntes. Nämlich das eines richtig rassigen Trailbikes. Mit nur knapp 19 Kilogramm fuhr sich das 29-Zoll-Ross in Größe L am Trail nicht wie ein E-Bike. Dank kurzer Kettenstrebe und 65-Grad-Lenkwinkels ist es ebenso wendig wie stabil. Die Carbon-Felgen sind zwar etwas steif, aber das ist wohl eine Geschmacksfrage. Außerdem hätte es geholfen, sich etwas näher mit dem Feintuning des Fahrwerks zu befassen.

Doch die Zeit drängte, und wir wollten so viele Fahrten wie möglich absolvieren. Schon nach dem zweiten, dritten Trail wurde das Handling intuitiver. Das Helium ist ein Bike, das man für sich entdecken muss. Wer sich darauf einlässt, wird sich mit jedem Meter bergab wie bergauf mehr in das Radl verlieben. So war es zumindest bei mir. Am zweiten Testtag absolvierten wir gut 1.500 Höhen- und ebenso viele Tiefenmeter auf den wohlbekannten Hometrails.

Mit oder ohne Akku fahrbar

Während das Hybrid dieses Pensum locker mit einer Akkuladung stemmte, war für das Helium der Ersatzakku nötig. Weil der aber nur 1,3 Kilogramm wiegt, findet er problemlos im Rucksack Platz und fällt nicht wirklich als Zusatzgewicht auf. Neben dem Akku selbst kann beim Fazua-Antrieb die gesamte Motoreinheit aus dem Unterrohr entnommen werden. Dann wiegt das Rad nur mehr gut 15 Kilogramm und ist wie ein herkömmliches Bio-Bike zu fahren.

In den freigewordenen Raum im Unterrohr kann man praktischerweise eine Bierdose sowie eine Windjacke oder Ähnliches packen. Der analoge Zwölffach-Sram-Eagle-Antrieb und die gute Sitzposition machen das Helium auch ohne E-Power zu einem sportlichen Mountainbike, das den Vergleich mit reinen Bio-Bikes seiner Klasse nicht scheuen muss. Und man kann Motor plus Akku – sofern vorhanden – auch in anderen Fazua-Bikes nutzen. Nox will daher künftig auch ein Pendlerrad mit dem Antrieb anbieten. Dann können Kunden einen Motor für zwei Bikes nutzen.

Testtour am Brenner

Nach den Testrunden auf den Hometrails wollte ich das Helium noch auf einer klassischen Tour im Gebirge ausprobieren. Dazu ging es gen Süden auf den Brenner. Die Grenzkammrunde hinauf über den Sattelberg, das Steinjoch bis hinüber zum Wurmkopf und über Singletrails zurück bis direkt hinter die Polizeistation am Brenner. Bergauf läpperten sich 700 bis 800 Höhenmeter zusammen. Vor allem der erste Teil ist richtig steil und wäre ohne E-Unterstützung für mich kaum bis schwer machbar.

Das Helium surrte zwar ganz ordentlich, schaffte die Steigung aber problemlos, und tatsächlich tauschte ich den ersten Akku erst ganz oben, als ich schon die alten Bunkeranlagen am Kamm entlangradelte. Um ein paar Gipfelsiege einzubauen, versuchte ich das Helium auch auf ein paar Trails bergauf. Doch der in dieser Kolumne bereits beschriebene Uphill-Flow, den klassische E-Mountainbikes mit starken Motoren bieten, stellte sich mit dem leistungsschwächeren Fazua bei mir nicht so recht ein. Es bedarf schon guter alter Muskelkraft, um damit Trails bergaufzufahren.

Doch wieder war es ein sehr eigenes Fahrgefühl, das ich nicht unbedingt als "schlechter" bezeichnen würde. Es ist einfach anstregender als am E-Bike, dafür leichter als ganz ohne Motor. Man kommt ordentlich ins Schwitzen und spürt, dass man grade einen großen Berg hochgeradelt ist. Es ist ein Zwischending aus unmotorisiertem und e-unterstütztem Biken, vielleicht sogar das Beste aus beiden Welten, wie es im Nox-Werbefolder heißt.

Schnell und wendig

Am Trail hinunter zum Brenner spielte das Rad seine Qualitäten wiederum voll aus. Die relativ einfache Abfahrt verleitet dazu, die Bremsen aufzumachen. Da man oberhalb der Baumgrenze die Bergflanken quert, ist das auch problemlos möglich. Man sieht ewig weit voraus, und an diesem Tag war dort niemand außer mir unterwegs. Nach dem schnellen oberen Part, auf dem das Helium spurtreu und auch bei höheren Geschwindigkeiten sehr einfach zu beherrschen war, mündete der Trail weiter unten in einen sehr steilen Weg mit Spitzkehren und Stufen.

Wieder vermochte das Bike zu überraschen. Obwohl mir der L-Rahmen grundsätzlich etwas zu groß war – ich fahre eigentlich 17 Zoll –, ließ sich die Sattelstütze weit genug absenken, um auch die ganz steilen Passagen sicher zu meistern. Was mich am meisten beeindruckte: Mit dem Helium ist Hinterradversetzen in Engstellen selbst für schwache Durchschnittsfahrer wie mich keine Hexerei. Auf den Holzstufen spielten die 29er-Laufräder wiederum ihre Qualitäten aus. Der letzte Trailabschnitt zauberte mir daher ein unglaublich breites Grinsen aufs Gesicht.

Vom E- zum Bio-Bike

Eigentlich wäre am Sonntag noch eine – unmotorisierte – Bikepark-Runde geplant gewesen, doch der Föhnsturm verhinderte das, die Muttereralm blieb geschlossen. So testete ich das Helium noch ein letztes Mal ohne Motor zu Hause am Hometrail. Und es stimmt wirklich, das Radl fährt sich wie ein ganz normales Fully, nimmt man Akku und Motor heraus. Für mich eines der überzeugendsten Argumente für dieses Bike, da es praktisch zwei in einem ist – E- und Bio-Bike.

Mein Fazit ist daher ein begeistertes. Für mich ist das Helium das E-Bike für Leute, die gern ein E-Bike hätten, aber eigentlich keine klobigen E-Bikes mögen. Die deutlich schwächere Leistung des Fazua-Antriebes ist für mich persönlich ein Pluspunkt des Heliums. Ich kenne und schätze klassische E-Mountainbikes. Aber bislang wäre es mir, ehrlich gesagt, nicht in den Sinn gekommen, eines zu kaufen. Das Helium ist das erste E-Fully, das ich mir kaufen würde.

Die Preisfrage

Konjunktiv deshalb, weil all diese tollen Features natürlich ihren Preis haben. Das All Mountain kommt in der "Billigversion" auf 5.999 Euro, die Pro-Variante kostet 7.999 Euro. Das Helium 7.1, also Enduro, ist als Expert-Modell ab 5.999 Euro zu haben, die Pro-Variante gibt es um 7.599 Euro. Preislich durchaus im "normalen" E-MTB-Bereich. Für Armutschkerl meiner finanziellen Fliegengewichtsklasse dennoch unerreichbar.

Wenn Sie allerdings das nötige Kleingeld haben, kann ich Ihnen guten Gewissens zum Kauf raten. Ab November sind die Heliums bestellbar. Anders als viele Hersteller setzt Nox auf Händler im Vertrieb. Wenn Sie einen in Ihrer Nähe suchen, schauen Sie am besten auf die hier und unten verlinkte Homepage. Wie erwähnt, ist das kein Bike, das Sie ohne Anstrengung auf die nächste Alm zieht. Das Helium will geritten werden. Und das macht unfassbar viel Spaß. (Steffen Arora, 22.10.2019)