Wie unabhängige Asylrechtsberatung auszusehen hat wurde laut Maria Berger vom Europäischen Gerichtshof gründlich ausjudiziert.

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Wien – Die Kritik an den von Türkis-Blau beschlossenen Änderungen bei der Asylrechtsberatung ist grundlegend – und sie kommt von einer dazu höchst berufenen Person: Maria Berger, Ex-Justizministerin für die SPÖ, war nach Beendigung ihrer politischen Funktionen von Oktober 2009 bis März 2019 Richterin am Europäischen Gerichtshof (EuGH), der EU-Recht ausjudiziert.

Gegen dieses verstoße die ab Jänner 2021 vorgesehene Verstaatlichung der Rechtsberatung für Asylwerber, sagte Berger bei einer Pressekonferenz von NGOs, die diesen Vertretungsbereich derzeit als unabhängige Arge Rechtsberatung innehaben.

Recht auf wirksamen Rechtsbeistand

"Die Beratung und Vertretung im Asylverfahren muss unabhängig sein. Das wird nicht nur von mehreren Richtlinien der EU vorgegeben, sondern auch von Artikel 47 der EU-Grundrechtecharta über das Recht auf ein unparteiisches Gericht und auf einen wirksamen Rechtsbeistand", erläuterte sie. Dazu gebe es mittlerweile "viel Rechtsprechung des EuGH".

Konkret ist mit der am Tag der Veröffentlichung des Ibiza-Videos noch verabschiedeten Gründung einer Bundesagentur- für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) durch das Innenministerium vorgesehen, dass Asylwerber ab Jänner 2020 während ihres gesamten Verfahrens nicht mehr in den Bundesländern oder privat, sondern großteils in Bundesquartieren wohnen sollen.

Beratung laut Gesetz "weisungsfrei"

Die BBU-Rechtsberatung soll ein Jahr später eingeführt werden. Laut Gesetzestext soll sie "weisungsfrei" erfolgen. Dem hält Berger die organisatorischen und personellen Verflechtungen der BBU mit dem Innenministerium entgegen.

Setze Österreich die neue Asylrechtsberatung um, riskiere die Republik ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren, sagte sie. Gemeinsam mit Vertretern von Diakonie, Volkshilfe und aus der Zivilgesellschaft appellierte sie an die kommende Bundesregierung, das BBU-Gesetz nicht unverändert in Kraft treten zu lassen.

Ministerum: Alles rechtens

Aus dem Innenministerium hieß es am Dienstag auf Anfrage des STANDARD, bei der Erarbeitung des BBU-Gesetzes sei "besonderes Augenmerk darauf gelegt worden, sämtliche unions-, verfassungs- und völkerrechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen". Laut EU-Verfahrensrichtlinie könnten Mitgliedsstaaten "unentgeltliche rechts- und verfahrenstechnischen Auskünfte von Fachkräften von Behörden oder spezialisierten staatlichen Stellen erteilen lassen".

Mehrere Bestimmungen würden außerdem "sicherstellen, dass die Unabhängigkeit der Rechtsberater auch weiterhin gewährt" sei. (Irene Brickner, 15.10.2019)