Die künstlerische Intervention des Vorarlberger Aktionskünstlers Wolfgang Flatz am umsttrittenen "Ehrenmal" vor der Uni Innsbruck.

Foto: Universität Innsbruck

Innsbruck – Am Anfang war die Logik. Die erste Lehrveranstaltung an der 1669 gegründeten Universität Innsbruck war eine philosophische, die sich mit der aristotelischen Logik befasste. Der Historiker Heinz Noflatscher, einer von vielen Autoren und Autorinnen des mehr als 2000 Seiten umfassenden, mehrbändigen Werks zur 350-jährigen Geschichte der Innsbrucker Hochschule, spricht ob ihres Gründungsdatums von einer "verspäteten Universität". Auch wenn die Absicht, Tirol zum Uni-Standort zu machen, bis in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts zurückreicht.

Letztlich war es eine Frage des Geldes. Denn erst als die Tiroler Linie der Habsburger 1665 ausstarb und somit die Kosten eines eigenen, aufwendigen Hofes entfielen, wurde der langgehegte Wunsch umgesetzt. Die Finanzierung wurde anfangs durch den sogenannten Haller Salzaufschlag gesichert – eine Art Bildungssteuer auf die Erträge der nahe gelegenen Salinen in Hall in Tirol.

Erste Studentenunruhen

Im Jahr 1674 hatte Innsbruck eine theologische, philosophische, juristische sowie medizinische Universität und wurde somit zur "Voll-Uni". Noch im selben Jahr wird von ersten studentischen Unruhen in Form eines Vorlesungsboykotts berichtet, der aber ohne Folgen blieb.

Doch die Innsbrucker Hochschule war nicht unumstritten. Zweimal wurde ihr der Universitätstitel sogar aberkannt, und man stufte sie zum Lyzeum herab. Erstmals 1782, und die Begründung für diesen Schritt klingt heute nur allzu vertraut. Es gebe zu wenig Geld und bereits zu viele Studenten. Und für die derart Ausgebildeten wiederum zu wenige Jobs. Das stelle letztlich eine Gefahr dar und würde sogar die Wehrkraft zersetzen, so die Vorbehalte.

Die Uni unter Hofer

Nach dem Tod von Kaiser Joseph II., unter dem das "große Universitätssterben" im Habsburgerreich stattgefunden hatte, gewährte dessen Bruder und Nachfolger Leopold dem Tiroler Landtag 1792 die Wiedereröffnung der Innsbrucker Uni. Doch schon 1809, als der reaktionäre Tiroler Widerstandskämpfer Andreas Hofer mit seinen Schergen kurzfristig das Sagen hatte, drohte neues Ungemach.

Den antiaufklärerischen "Freiheitskämpfern" waren die Akademiker ein Dorn im Auge. Zeitgenossen berichten von einer "Verfolgung" einzelner Professoren, die sich dieser durch Flucht entzogen oder sogar deportiert wurden. Als die Bayern 1810 die Macht in Tirol übernahmen, nährte dies die Hoffnung auf Besserung. Doch die wurde jäh enttäuscht. Noch im selben Jahr entschieden die neuen Herrscher, die Hochschule aufzulösen und erneut zu einem Lyzeum zurückzustufen. Erst im Jahr 1826 wurde die Universität Innsbruck wieder als solche hergestellt.

Studenten ziehen in den Krieg

Bis zum Ausbruch der Märzrevolution in Wien im Jahr 1848 herrschte fortan relative Ruhe in Innsbruck. Im Zuge dieser Umwälzungen bildeten aber auch die Studenten in Tirol erstmals bewaffnete Kompanien. Gemeinsam mit den Tiroler Schützen zog diese akademische Kompanie gegen Aufständische an der Südgrenze des Kronlands ins Feld. Die Fahne dieser Kompanie ist noch heute im Gebäude der Innsbrucker Haupt-Uni ausgestellt.

Es gab aber auch weitaus banalere Konflikte im Universitätsalltag dieser Zeit, zum Beispiel das "schädliche Tabakrauchen" betreffend. Nicht etwa aus gesundheitlichen, sondern vielmehr aus "schicklichen" Gründen wurde es den Studenten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts "strengstens verboten". Allerdings zeugen die vielfachen Aufforderungen und Anschläge des Verbots davon, dass sich die wenigstens daran hielten. Schon damals widersetzten sich die Studenten offenbar der Reglementierung des privaten Lebens.

Die Geschichte der Universität ist vor allem auch eine Geschichte der Ausgrenzung von Frauen. Es dauerte bis zum Jahr 1902, dass mit Adelheid Schneller die erste weibliche Studentin als ordentliche Hörerin der philosophischen Studien in Innsbruck zugelassen wurde. Schneller war 1907 auch die erste Frau, die an der Tiroler Hochschule promovierte.

Nationalistischer Terror

Ein weiterer universitärer Konflikt entbrannte an der Frage der Unterrichtssprache. Hatte sich mit dem Ende des 18. Jahrhunderts Deutsch an der Innsbrucker Hochschule durchgesetzt, so mehrten sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Forderungen italienischer Studenten – in den westlichen Kronländern lag der Anteil Italienischsprachiger bei immerhin 40 Prozent –, ihre eigene Sprache an der Hochschule verwenden zu dürfen.

Mit dem Zerfall der Monarchie und dem gleichzeitigen Aufstreben des Deutschnationalismus spitzte sich der Konflikt zu. Er eskalierte 1904, als man den Italienern eine eigene rechtswissenschaftliche Fakultät zuerkannte. Doch nicht an der Uni selbst, sondern in einem angemieteten Haus in der Innsbrucker Liebeneggstraße. Im Zuge der Eröffnung derselben am 3. November 1904 kam es nachts zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen italienischen und deutschsprachigen Studenten in der Altstadt.

Aufseiten der Italiener war unter anderem der spätere Außenminister Alcide De Gasperi, der 1946 für das Südtiroler Autonomie-Abkommen mitverantwortlich zeichnete, dabei. Die Situation lief völlig aus dem Ruder, es fielen Schüsse, und am Ende war der Kunstmaler August Pezzey tot, 138 Italiener wurden inhaftiert. Pezzey wurde von den Deutschnationalen in der Folge zum Märtyrer hochstilisiert.

Künstlerische Intervention

Der unheilvolle Geist des Deutschnationalismus dieser Zeit sollte letztlich in zwei Weltkriegen gipfeln. Und er ist noch heute in Form des umstrittenen "Ehrenmals" vor der Haupt-Uni deutlich sichtbar. Dieses 1926 von Lois Welzenbacher errichtete Denkmal soll den Gefallenen des Ersten Weltkriegs gedenken. Im Zuge der heurigen 350-Jahr-Feiern entschied sich die Universitätsleitung als Zeichen für einen "offnen und selbstkritischen Umgang mit der eigenen Geschichte" für eine künstlerische Intervention (siehe Foto oben).

Der Vorarlberger Aktionskünstler Wolfgang Flatz hat nun den martialischen Charakter des "Ehrenmals" mit einer übergroßen weißen Rose zu Füßen des Adlers verändert. Die Blume soll auf positive Inhalte verweisen und erinnert zugleich an den Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Zudem wurden die an den Seiten in Stein gehauenen Begriffe "Ehre", "Vaterland" und "Freiheit" blutgetränkt mit "Welche?" hinterfragt. Wie aktuell das Thema ist, zeigt der Protest der FPÖ gegen diese Kunstaktion. (Steffen Arora, 17.10.2019)