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Die Illustration zeigt eine Simulation der Verteilung von Dunkler Materie in einem Ausschnitt des Kosmos. Bisher konnten Forscher diesen rätselhaften Stoff nur durch seinen gravitativen Einfluss auf große astronomische Objekte nachweisen.

Illustr.: AP/Illustris Collaboration

Bereits in den 1930er-Jahren spekulierten Wissenschafter, dass im Kosmos wesentlich mehr Masse vorhanden sein müsste, als wir von der Erde aus beobachten können. Einen Beleg dafür lieferten 1965 schließlich die Untersuchung von Vera Rubin: Die US-Astronomin und ihre Kollegen stellen fest, dass die Umlaufgeschwindigkeiten von Sternen am Rand von Spiralgalaxien ganz und gar nicht den Erwartungen entsprachen. Eigentlich müssten diese Sterne deutlich langsamer kreisen, als sie es tatsächlich taten – was wiederum zu den Schluss führte, dass in den Galaxien mehr Materie vorhanden sein muss, als zu erkennen ist.

Mittlerweile hat man zwar errechnet, dass im Universum die Masse dieser Dunkler Materie etwas das Fünffache der sichtbaren Materie beträgt. Woraus die Dunkle Materie jedoch bestehen könnte, ist immer noch völlig unklar. "Es steht sinnbildlich ein großer Elefant im Raum – und wir sehen ihn nicht", beklagt Dmitry Budker von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und dem Helmholtz-Institut Mainz (HIM).

Bosonische Leichtgewichte

Freilich wird in der Fachwelt eine ganze Reihe möglicher Teilchen, die als Kandidaten theoretisch in Frage kommen, diskutiert und erforscht. Als einer der vielversprechenden Kandidaten gelten heute sogenannte extrem leichte bosonische Teilchen. "Diese können wir auch als klassisches Feld ansehen, das mit einer bestimmten Frequenz oszilliert. Wie groß diese – und demzufolge die Masse der Teilchen – ist, wissen wir aber nicht", so Budker. "Unsere Grundannahme ist, dass dieses Dunkle Materie-Feld an die sichtbare Materie ankoppelt und dabei bestimmte, eigentlich konstante Eigenschaften der Atome sehr subtil verändert."

Mit seiner Mainzer Arbeitsgruppe hat Budker nun eine neue Methode entwickelt, die in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals "Physical Reviews Letters" präsentiert wurde. Sie beruht auf der Atomspektroskopie und beobachtet einen Dampf aus Cäsium-Atomen. Die Atome lassen sich mit Laserlicht einer ganz bestimmten Wellenlänge anregen. Diese Wellenlänge sollte sich minimal verändern, sobald der Cäsium-Dampf an ein Feld aus Dunkle-Materie-Teilchen ankoppelt.

Kopplungseffekte aufspüren

"Grundsätzlich liegt unserer Arbeit immer ein spezielles theoretisches Modell zugrunde, dessen Hypothesen wir experimentell überprüfen", ergänzt Dionysis Antypas, Erstautor der Veröffentlichung. "Hier arbeiten wir mit dem sogenannten Relaxion-Modell, das unsere Kollegen und Koautoren am Weizmann Institut in Israel entwickelt haben." Die Relaxion-Theorie besagt, dass es in der Nähe großer Massen wie der Erde einen Bereich geben muss, in dem die Dichte an Dunkler Materie größer und demzufolge die Kopplungseffekte einfacher zu beobachten und aufzuspüren sind.

Mit ihrer neuen Methode haben die Wissenschafter jetzt einen bisher unerforschten Frequenzbereich zugänglich gemacht, in dem sich im Rahmen der Relaxion-Theorie die Auswirkungen bestimmter Formen der Dunklen Materie auf die atomaren Eigenschaften des Cäsium verhältnismäßig deutlich zeigen sollten. Auch erlauben die Ergebnisse den Forschern, neue Einschränkungen in Bezug auf die Natur dieser Dunklen Materie zu formulieren. Wobei Budker die akribische Spurensuche gern mit dem Bild des Tigers in der Wüste veranschaulicht.

Wo ist der Tiger?

"In dem Frequenzbereich, den wir in unserer aktuellen Arbeit durchsucht haben, hat sich die Dunkle Materie bisher nicht zu erkennen gegeben – aber immerhin wissen wir nun, nachdem wir diesen Bereich durchkämmt haben, dass wir dort nicht weitersuchen müssen." Übertragen auf den Tiger bedeutet das, dass die Forscher zwar immer noch nicht wissen, in welchem Teil der Wüste der Tiger ist, aber sehr wohl, in welchem Teil er nicht ist. "So grenzen wir den Teil der Wüste, in dem der Tiger sein kann, immer weiter ein. Und irgendwann werden wir ihn auf diese Weise finden", ist Budker überzeugt. (red, 8.10.2019)