Vier Tage beruflich unterwegs, drei Tage zu Hause. Bis zur Geburt seiner Kinder im Jänner 2018 war das Patrick Arendts Alltag. Dann beendete er seinen Job als selbstständiger Berater im Bereich Wirtschaftsinformatik. Und ging gemeinsam mit seiner Partnerin Judith Wendelin 13 Monate in Karenz, um bei den mittlerweile eineinhalb Jahre alten Zwillingen zu sein. Wendelin war davor ebenfalls selbstständig, als Innenarchitektin und Nachhaltigkeitsberaterin.

Wendelin: Für uns war eigentlich schon immer klar: Wenn wir Kinder haben werden, wollen wir ihnen auch vorleben, dass sich die Eltern nicht klassisch aufteilen müssen. Also dass die Mama daheim ist und der Papa das Geld nach Hause bringt. Sondern dass sich beide zu gleichen Teilen sowohl am Einkommen, im Haushalt und in der Kinderbetreuung beteiligen können. Für uns ist das normal – immerhin leben wir im 21. Jahrhundert.

Arendt: Als ich erfuhr, dass ich Vater werde, wusste ich, dass mein Arbeits- und Lebensstil dann nicht mehr passen. Denn ich wollte die Kinder nicht nur drei Tage die Woche sehen, wenn ich von den Geschäftsreisen zurückkomme. Das war auch ein Grund. Wir haben das Kinderbetreuungsgeld abwechselnd bezogen. Sieben Monate für Judith, sechs Monate für mich. Trotzdem sind wir beide gemeinsam ein Jahr bei den Kindern geblieben. Wir dachten, es ist für die Zwillinge das Beste, wir hatten einen finanziellen Puffer und konnten es als Selbstständige einfach machen. In vielen Festanstellungen ist es gar nicht möglich, dass beide Eltern so lange wegbleiben.

Wendelin: Mit Zwillingen wäre es aus meiner Sicht auch gar nicht anders gegangen. Das sind zwei Vollzeitjobs, da braucht man alle Hände. Besonders im ersten Jahr hat man kaum eine freie Minute. Wir sind aber schon in einer privilegierten Situation, dass wir uns das selbst einteilen konnten. Wir kennen auch niemanden, der die Karenz so organisiert wie wir. Manchmal würde ich mir das wünschen, um sich auszutauschen.

Arendt: Zumindest gehen die Väter dann nicht 13 Monate, sondern einen Monat in Karenz. Viele glauben wohl, es geht gar nicht anders. Dabei reagieren die meisten positiv, wenn wir von uns erzählen. Meine Geschäftskunden meinten, das sei das härteste Projekt, das ich je machen werde. Und sie hatten recht. Denn Eltern sein ist nicht wie acht oder 14 Stunden im Büro zu sein: Das ist man rund um die Uhr.

Judith Wendelin und Patrick Arendt mit ihrer Tochter und ihrem Sohn.
Die Zwillinge sind eineinhalb Jahre alt.
Foto: privat

Wendelin: Unser Umfeld fand das auch gut. Aber sie haben schon nachgefragt, wann der Patrick wieder arbeiten wird, und im gleichen Zug zu mir, ob ich eh noch ein paar Monate daheim bleibe. Das könnte ich mir aber gar nicht vorstellen. Ich könnte nicht zu hundert Prozent in der Familienbetreuung aufgehen, vielleicht sogar deswegen meinen Job verlieren. Das eine gibt mir die Kraft für das andere. Wir beide schätzen das.

Arendt: Deswegen haben wir die große Pause auch genutzt, um zu überlegen, was wir danach beruflich machen wollen. Und so haben wir Anfang 2019 gemeinsam eine Firma gegründet. Unser drittes Baby, wie Judith sagt.

Wendelin: Genau. Wir haben das Beste von uns beiden in einer Firma verwirklicht. Und bieten alles, was Unternehmen zu schönen und digitalen Geschäften verhilft. Wir machen alles von der Markenentwicklung übers Corporate Design bis zum Webshop und der Planung und Inneneinrichtung von Geschäftslokalen. Und jetzt, wo die Kinder schon etwas größer sind, arbeiten wir auch wieder. Wir sind von Montag bis Samstag im Büro, allerdings beide nur Teilzeit. Derzeit haben wir den Modus, dass am Vormittag der eine ins Büro geht und am Nachmittag der andere. Wenn mal jemand krank ist oder ein wichtiger Termin außerhalb unserer jeweiligen Arbeitszeiten ist, regeln wir das flexibel.

Arendt: Wenn man nur den halben Tag Zeit hat, lernt man auch, den Fokus besser zu setzen. Man fängt dann gleich mit dem wichtigsten To-do an, nicht mit dem angenehmeren drittwichtigsten.

Wendelin: Überhaupt habe ich das Gefühl, viel effizienter geworden zu sein, seit die Kinder da sind. Mir hilft das, wenn ich weiß, dass der Entwurf bis Mittag fertig sein muss und ich daran bis zum Meeting am morgigen Nachmittag nichts mehr ändern kann. Und wir sind mittlerweile auch richtige Organisationstalente: Wir machen jede Woche einen schriftlichen Plan, um Beruf und Familie zu vereinbaren.

Arendt: Und ich koche jetzt besser. Weniger nach Rezept, dafür kreativer. Meistens Fusion, mediterran oder asiatisch.

Wendelin: Es schmeckt immer sehr gut.

Arendt: Es ist nämlich so, dass derjenige, der zu Hause ist, sich um den Haushalt kümmert. Am Vormittag ist das meistens Mittagessen kochen und Wäsche waschen, am Nachmittag gehen wir oft auf den Spielplatz. Und bei den Kindern gibt es eigentlich keine Aufteilung. Oder gibt es Spiele, die sie nur mit einem von uns machen?

Wendelin: Na ja, du spielst mehr Verstecken und Fangen. Mit mir schauen sie eher Bücher an und malen.

Arendt: Stimmt. Es ist schön, dass sie uns beide so gut kennenlernen. Wir haben zum Glück aber auch viel Unterstützung. Vor genau einem Jahr sind wir aus unserer Wohnung in Wien in ein Haus mit Garten in Gols gezogen. Judiths Familie lebt hier: Oma und Opa und Tanten.

Wendelin: Zweimal in der Woche betreut meine Familie nachmittags die Kinder, einmal Babysitter. Und in naher Zukunft werden die Kinder dann in eine Krippe gehen und sind am Vormittag betreut.

Arendt: Wenn die Babysitter da sind, haben wir Zeit, gemeinsam zu arbeiten, uns zu besprechen. Und wenn die Kinder schlafen, haben wir das nächste Mal Zeit für uns.

Wendelin: Zeit ist echt ein knappes Gut, meistens geben wir uns nur die Klinke in die Hand. Und manchmal gibt es auch Tage, wo ich lieber zu Hause als im Büro sein möchte, weil die Kinder gerade so witzig sind oder etwas Neues gelernt haben. Mir ist es schon wichtig, von dieser kurzen Zeit so viel wie möglich aufzusaugen.

Arendt: Wie letztens, als unser Sohn auf einmal unsere Visitenkarten in der Hand hielt. Mich in der einen, Judith in der anderen. Man muss dazusagen: Wir haben Porträtfotos auf den Karten. Und dann sagte er abwechselnd "Mama" und "Papa" und irgendwann "Mapa" – wohl weil es kürzer ist. Das war unheimlich lustig.

Wendelin: Und er hat uns tatsächlich beide auf den Fotos erkannt. Das ist nicht selbstverständlich. (Selina Thaler, 31.8.2019)