So sieht der weltweit verbreitetste tierische Körperbauplan aus.
Foto: Foto: Senckenberg

Deutsche Forscher haben sich die Verbreitung von Fadenwürmern (Nematoden) angesehen und daraus hochzurechnen versucht, wie groß deren Gesamtzahl ist. Das beeindruckende Ergebnis: Auf jeden Menschen kommen demnach 57 Milliarden Fadenwürmer, berichtet das Senckenberg-Forschungsinstitut.

Schon früher gab es ähnliche Schätzungen: Würde man alle Tiere auf Erden Individuum neben Individuum aufreihen, wären acht von zehn Fadenwürmer. Was zwar nicht heißt, dass "der Fadenwurm" das häufigste Tier der Welt ist – immerhin handelt es sich um einen ganzen Tierstamm mit über 20.000 bereits identifizierten Arten (und geschätzt doppelt so vielen insgesamt). In ihrer Gesamtmenge sind sie aber nicht ein nicht zu unterschätzender Faktor.

Omnipräsent

Was die Größe betrifft, gibt es zwar beträchtliche Ausreißer nach oben – so kann der Fadenwurm Placentonema gigantissimum, der als Parasit in Pottwalen lebt, mehrere Meter lang werden. Mehrheitlich sind Fadenwürmer aber mikroskopisch kleine, farblose Würmchen, die sich an nahezu jedes terrestrische und aquatische Ökosystem angepasst haben. Sie kommen sogar bis in mehrere Kilometer Tiefe im Erdboden vor.

"Nematoden übernehmen wichtige Funktionen für den Nährstoffkreislauf im Boden und damit für das Pflanzenwachstum und die Bodenfruchtbarkeit. Dennoch lagen bisher der zahlenmäßigen Verbreitung dieser Bodenlebewesen auf unserer Erde nur grobe Schätzungen zugrunde", sagt Karin Hohberg vom Senckenberg-Museum für Naturkunde in Görlitz. Sie hat als Teil eines internationalen Teams Nematodendaten aus der ganzen Welt zusammengetragen und damit die weltweite Verbreitung von Fadenwürmern modelliert.

Globale Erhebung

"Obwohl wir wussten, das Nematoden in sehr hoher Anzahl auftreten – oft mehr als eine Million pro Quadratmeter Boden in unseren Breiten – sind die Ergebnisse verblüffend: "Nach unseren Berechnungen kommen auf jeden Menschen etwa 57 Milliarden Fadenwürmer. Ihre Biomasse bringt ein Gewicht von 300 Millionen Tonnen auf die Waage – das sind 80 Prozent der Masse der derzeitigen menschlichen Weltbevölkerung."

Die Analyse von insgesamt 6.759 Bodenproben aus allen Regionen und von allen Kontinenten zeigte überraschenderweise, dass die Anzahl und Masse der Nematoden von den subarktischen Regionen zum Äquator abnimmt. 38,7 Prozent der Nematoden leben in borealen Wäldern und Tundren Nordamerikas, Skandinaviens und Russlands, 24,5 in den gemäßigten Zonen und nur 20,5 Prozent in den Tropen und Subtropen. "Dies ist gegenteilig zu dem Bild, das wir oberhalb des Bodens kennen – hier sind die Tropen am tierreichsten", so Hohberg.

Diese überraschende geographische Verteilung könnte auch Auswirkungen auf das globale Klima haben: Die Böden der Arktis und Subarktis bilden große Kohlenstoffreservoirs, in denen Treibhausgase gebunden sind. Hohberg: "Da Nematoden und auch alle anderen Bodentiere bei höheren Temperaturen aktiver sind, setzen sie mit zunehmender Wärme in diesen Regionen möglicherweise auch zunehmend Kohlenstoff frei, der dann als Treibhausgas Kohlendioxid wiederum zu einem Temperaturanstieg führen kann." (red, 19. 8. 2019)