Schüler demonstrieren weltweit für Maßnahmen gegen den Klimawandel. Auch Zweifler, dass dieser überhaupt stattfindet, schaffen es häufig in die Medien.

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Zur seriösen journalistischen Berichterstattung gehört es dazu, alle Seiten eines Themas zu beleuchten und in strittigen Fragen Befürworter wie Gegner einer Sache zu Wort kommen zu lassen. Geht es aber zum Beispiel um wissenschaftliche Erkenntnisse, die dem absoluten Großteil der Forschercommunity als gesichert gelten, ergibt sich ein Problem: Wenn man immer einem Wissenschafter, der die etablierten Ergebnisse wiedergibt, einen der wenigen Kritiker gegenüberstellt, der diese anzweifelt, ergibt sich ein völlig verzerrtes Bild – es wirkt fälschlicherweise so, als ob die Debatte wissenschaftlich längst nicht entschieden wäre. Das wäre nur dann gerechtfertigt, wenn die Kritiker ernstzunehmende Daten auf den Tisch legen können. Und das ist längst nicht immer der Fall.

Das vielleicht beste Beispiel für dieses Problem ist der vom Menschen verursachte Klimawandel. Es gibt inzwischen seit Jahrzehnten erdrückende Beweise dafür, dass es sich bei der Erderwärmung nicht um eine ganz natürliche Schwankung handelt, sondern der Mensch in erheblichem Ausmaß dafür verantwortlich ist. Die Fachwelt ist sich in dieser Hinsicht einig und liefert fortwährend neue Belege für den menschengemachten Klimawandel. Dennoch gibt es viele Menschen (darunter auch wenige Wissenschafter), die genau das anzweifeln. Würde man nun zu jedem Interview mit einem Klimaforscher einen Skeptiker dazuholen, entstünde ein völlig falscher Eindruck davon, was der Stand der Forschung ist.

Medienpräsenz im Fokus

Forscher der University of California in Merced haben nun eine in dieser Hinsicht interessante Studie durchgeführt: Sie untersuchten zwei Gruppen von je 386 Akteuren, die sich in der Öffentlichkeit zum Klimawandel äußern. Unter den Akteuren waren Wissenschafter, Akademiker, Politiker und Geschäftsleute. Die eine Gruppe vertrat den wissenschaftlichen Konsens, dass die Erderwärmung stattfindet und von uns Menschen befeuert wird. Die andere Gruppe zweifelte das an oder stritt es dezidiert ab.

Alexander Petersen und Kollegen ermittelten, wie oft Vertreter der beiden Gruppen zwischen 2000 und 2016 in Print- und Onlinemedien sowie in Blogs, die nicht unbedingt journalistischen Standards entsprechen, vorkamen. Das im Fachblatt "Nature Communications" veröffentlichte Ergebnis: Die Kritiker oder Leugner des Klimawandels hatten 49 Prozent mehr mediale Sichtbarkeit als die Vertreter des wissenschaftlichen Konsenses. In klassischen journalistischen Medien sah die Verteilung anders aus, freilich immer noch problematisch: Sie war ungefähr ausgeglichen.

Problematische Überrepräsentation

Für den Hamburger Kommunikationswissenschafter Michael Brüggemann kommt dieses Ergebnis nicht überraschend: "Prominente Leugner des menschengemachten Klimawandels bekommen in englischsprachigen Medien eine unangemessene Aufmerksamkeit. Während sich die Klimawissenschaft einig ist, dass die aktuelle globale Erwärmung wesentlich menschengemacht ist, kommen immer noch sehr prominent Stimmen zu Wort, die diese Selbstverständlichkeit abstreiten."

Allerdings müsse man journalistische Arbeit von privaten Blogs oder gar Propaganda-Websites professioneller Klimawandelleugner unterscheiden, so Brüggemann. In journalistischen Angeboten kamen in dieser Untersuchung schließlich weniger Skeptiker des Klimawandels zu Wort. "Aber auch ein 50-zu-50-Anteil ist ein großes Problem, denn dies entspricht keineswegs einer ausgewogenen Berichterstattung. Es gibt keine wissenschaftliche Kontroverse über die Existenz des anthropogenen Klimawandels. Angemessen wäre also, Pseudo-Experten ohne wissenschaftliche Expertise zum Thema gar nicht erst zu zitieren." (David Rennert, 14.8.2019)