Auch Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache wurde unter die Lupe genommen.

Foto: AFP

Als Türkis-Blau vor eineinhalb Jahren Peter Sidlo in den Generalrat der Nationalbank schickte, war die Aufmerksamkeit für die Bestellung überschaubar. Der FPÖ-Bezirksrat aus Wien-Alsergrund fungiert nur als einfaches Mitglied des Gremiums, weshalb echte Turbulenzen ausblieben. Ein gutes Jahr später folgte der nächste Aufstieg Sidlos, als er zum Finanzchef der Casinos Austria AG ernannt wurde. Doch diesmal blieb es nicht lange ruhig um die Bestellung.

DER STANDARD enthüllte Ende Mai, dass die Rochaden – wohlwollend formuliert – nicht ganz reibungslos über die Bühne gingen. Denn der mit der Evaluierung der Kandidaten betraute Personalberater gelangte zu der Auffassung, dass Sidlo für den Job nicht qualifiziert sei. Starker Tobak, immerhin ist die Casinos Austria AG (Casag) nicht irgendeine Firma. Die Republik fungiert als Großaktionärin des Unternehmens, zudem ist die Vergabe von Spielbanklizenzen ebenso eine öffentliche Angelegenheit wie die Einhebung der einträglichen Glücksspielabgabe. Da wäre die Bestellung eines unumstrittenen Fachmanns zum Finanzvorstand des 4200 Mitarbeiter zählenden Konzerns eine Selbstverständlichkeit – sollte man meinen.

Peter Sidlo soll auf Basis eines politischen Deals zum Finanzvorstand der Casinos Austria bestellt worden sein.
Foto: FPÖ

Doch bald sprachen Insider von einem abgekarteten Spiel, einem "FPÖ-Deal". Sidlo spiele darin die "Glücksfee" der FPÖ. Untermauert wurde die These von seltsamen Facetten der Jobvergabe: Die negative Bewertung durch den Headhunter wurde dem gesamten Aufsichtsrat nämlich vorenthalten. Lediglich das Präsidium unter seinem Chef Walter Rothensteiner erfuhr davon, dass Sidlo als Leiter der kleinen Finanzboutique Sigma keine ausreichende Erfahrung für den Posten habe.

Spiel mit Novomatic

Allerdings konnte die frühere Koalition Sidlo nicht allein in den Vorstand hieven, da die Republik nur über einen Minderheitsanteil an der Casag verfügt. Man brauchte also Verbündete. Da kommt die Novomatic ins Spiel, die sich bei der Casinos Austria eingekauft hat. Sie unterstützte die Bestellung des blauen Bezirksrats, doch aus welchen Motiven? Bekannt ist, dass der frühere FPÖ-Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs und der Novomatic-Chef Harald Neumann einander im Rahmen einer Glücksspielmesse in London trafen.

Abmachungen über den Posten werden bestritten. Doch in einer anonymen Anzeige an die Korruptionsstaatsanwaltschaft wurden kühne Thesen aufgestellt. Novomatic habe sich mit der Zustimmung zu Sidlo die wohlwollende Unterstützung der FPÖ erkauft. Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache und der damalige Klubchef Johann Gudenus würden sich dafür einsetzen, dass Novomatic eine Online-Gaming-Lizenz erhalten soll. Also ausgerechnet eine Spielberechtigung in jenem Bereich, in dem bis dato die Casag ein Monopol hat. Kolportiert wurde zudem eine blaue Zusicherung, dass in Wien das kleine Glücksspiel wieder zugelassen werde, sollte die FPÖ in die Landesregierung einziehen.

Heiße Spur

So vehement die genannten Personen diese Thesen dementierten, so intensiv verfolgte die Korruptionsstaatsanwaltschaft die Spur. Am Dienstag platzte dann die Bombe. Wie DER STANDARD erfuhr, kam es diesen Montag zu umfassenden Razzien in der Causa. Es gab Hausdurchsuchungen bei Strache, Gudenus, Neumann und Sidlo sowie in dessen Casag-Büro. Ein Sprecher der Behörde bestätigte Hausdurchsuchungen an mehreren Standorten in zwei Bundesländern, die reibungslos funktioniert hätten. Es geht um den Verdacht der Bestechung und Bestechlichkeit.

Beschuldigt seien sechs Personen und ein Verband, also ein Unternehmen. Dabei dürfte es sich um die Novomatic handeln. Novomatic wollte die Hausdurchsuchungen nicht bestätigen. Bei den Personen handelt es sich um Sidlo, Neumann, Novomatic-Eigentümer Johann Graf, Gudenus, Strache und Fuchs.

(K)eine Ibiza-Parallele

Die Justiz bestätigt – zumindest reichlich verklausuliert – die Stoßrichtung der Ermittlungen. Es gehe um den Verdacht, dass zwischen Verantwortlichen eines Glücksspielunternehmens und Amtsträgern der Republik Österreich im Gegenzug für die Besetzung eines bestimmten Kandidaten einer Aktiengesellschaft die parteiische Vergabe von Glücksspiellizenzen vereinbart worden sei. Detaillierter will die Behörde die Vorgänge nicht kommentieren, da der Fall eine Verschlussakte darstellt. Soll heißen: höchste Geheimhaltungsstufe. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Gudenus (links) und Strache (rechts) befinden sich unter den sechs beschuldigten Personen.
Foto: APA

Dass die Justiz in der Causa derart aufs Gas steigt, könnte mit der Causa Ibiza zu tun haben, wenngleich die Ermittlungen in beiden Fällen nichts miteinander zu tun haben. In dem legendären Video nannte Strache neben Glock und René Benko auch die Novomatic als großen Parteienfinanzierer: "Novomatic zahlt alle." Der einstige FPÖ-Chef versuchte die Aussagen später zu entkräften, Novomatic selbst versicherte, keine Parteien oder parteinahe Organisationen zu unterstützen.

Strache versuchte es am Dienstag mit einem Gegenangriff. Er sprach von einem "politischen Angriff" und einem "feigen Angriff auf meine Glaubwürdigkeit". Strache betonte, dass an den Vorwürfen nichts dran sei und er sich bei den Ermittlungen uneingeschränkt kooperativ verhalte. Die FPÖ versicherte, dass die neue Parteiführung in keinem Zusammenhang mit der Causa stehe. Die ÖVP verlangte volle Aufklärung in der Causa.

Opposition wettert

Nicht ganz überraschend sprangen die einstigen Oppositionsparteien rasch auf die neuen Enthüllungen auf. Tenor: Die Razzien bestätigten die bisherige Kritik am Postenschacher der ÖVP-FPÖ-Koalition. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda sprach – ganz im Wahlkampfmodus – von einer "Korruptionskoalition". Die Neos forderten die Suspendierung Sidlos, auch aus dem Generalrat der Nationalbank. Auch Grüne und Liste Jetzt sparten nicht mit Kritik. (Renate Graber, 13.8.2019)