Der Knurrende Gurami lässt spezielle Sehnen in den Brustflossen wie Gitarrensaiten erklingen.

Foto: Ladich

Auf die klassische Kinderfrage "Wie macht der Fisch?" ist die Antwort gewöhnlich ein lautloses Öffnen und Schließen des Mundes – dabei sind bei weitem nicht alle Fische stumm. Der Knurrhahn etwa hat seinen Namen von den Geräuschen, die er erzeugt, ebenso wie die Knurrenden Guramis; aber auch Welse, Piranhas und viele andere Arten kommunizieren akustisch. Friedrich Ladich vom Department für Verhaltensbiologie der Universität Wien beschäftigt sich seit mehr als 30 Jahren mit der Thematik – derzeit geht es mit Unterstützung des Wissenschaftsfonds FWF darum, wie Fische auf Lärm und Gefahren akustisch reagieren.

Im Unterschied zu terrestrischen Wirbeltieren wie Säugern, Vögeln und Amphibien können Fische Laute nicht erzeugen, indem sie Stimmbänder durch Luft zum Vibrieren bringen. Stattdessen haben sie eine Vielzahl von Strukturen entwickelt, die ihnen das ermöglichen. Besonders häufig bedienen sie sich dabei ihrer Schwimmblase: Diese wird durch spezielle Muskeln zum Schwingen gebracht. Doch auch die Brustflossen und der Schultergürtel können Laute erzeugen: Die aus Südostasien stammenden Knurrenden Guramis etwa produzieren die namengebenden Knurrlaute, indem sie spezielle Sehnen in den Brustflossen wie eine Gitarrensaite über Erhebungen ihrer Flossenstrahlen schnappen lassen. Die in Europa beheimateten Koppen hingegen können ihren gesamten Schultergürtel zum Vibrieren bringen und so Laute von sich geben. Manche Barsche wiederum erzeugen Plopp-artige Töne, indem sie Zähne gegeneinander reiben.

Der Sacculus der Otophysinen

Lautproduktion hat natürlich nur einen Sinn, wenn man auch gehört wird, und auch hier unterscheiden sich Fische deutlich von landlebenden Wirbeltieren. Letztere haben nämlich ein Mittelohr: Das ist der luftgefüllte Raum, in dem die Gehörknöchelchen den Kontakt zwischen dem Trommelfell und dem Innenohr herstellen. Das Innenohr besteht dann aus der Cochlea oder Hörschnecke und einem dreibogigen Gleichgewichtsorgan. Fische haben kein Mittelohr und im Unterschied zu allen anderen Wirbeltieren überhaupt kein Organ, das ausschließlich dem Hören dient. Ihr Innenohr besteht aus drei flüssigkeitsgefüllten Kammern, deren Aufgabe neben dem Hören auch die Lagekontrolle einschließt.

Eine dieser flüssigkeitsgefüllten Kammern, der sogenannte Sacculus, spielt die wichtigste Rolle für das Hören der Fische: In ihr liegt ein winziges Kalksteinchen, das auf Schall reagiert und ihn an ein Feld von Sinneszellen überträgt. Die Otophysinen, eine auch in europäischen Gewässern beheimatete Fischgruppe, der mehr als 10.000 Arten – darunter Karpfen, Goldfische und Welse – angehören, haben darüber hinaus sogenannte Webersche Knöchelchen: kleine Knochen, die, vergleichbar unserem Hammer, Amboss und Steigbügel, Schall von der Schwimmblase, die wie ein Trommelfell funktioniert, zum Innenohr leiten und damit das Hörvermögen dieser Arten wesentlich verbessern. Interessanterweise ist ein Teil der Gruppe, wie zum Beispiel Karpfen, stumm. "Es kann sein, dass sich ihr exzellentes Gehör in sehr stillen Gewässern entwickelt hat", mutmaßt Ladich, "und eher der Orientierung dient: z. B. ob ein Räuber kommt oder ob jemand anderer in der Nähe etwas frisst."

Jedes Wirbeltier kann hören

Jedenfalls ist jedes Wirbeltier imstande zu hören, aber bei weitem nicht alle kommunizieren akustisch. Ladich schätzt, dass rund ein Viertel der rund 30.000 Fischarten dazu imstande ist. Dabei liegen die Lautäußerungen gewöhnlich im Frequenzbereich unter 1000 Hertz und klingen daher wie Brummen oder Knarren. Eingesetzt werden sie vorwiegend von bodenbewohnenden, territorialen Arten, die damit Weibchen anlocken bzw. Konkurrenten fernhalten. Dabei bleibt die Frage offen, warum Fische Schallfrequenzen nutzen, die sich in flachem Wasser schlecht fortpflanzen. Eventuell, weil Laute ja nicht nur von Artgenossen wahrgenommen werden können, sondern auch von Fressfeinden.

In einem erst angelaufenen FWF-Projekt wollen Ladich und seine Doktorandin Isabelle Maiditsch herausfinden, wie Fische ihre Lautäußerungen bei Lärm verändern und inwieweit die Anwesenheit eines Beutegreifers ihr akustisches Verhalten beeinflusst. Die Fischart, die sie dafür heranziehen, sind Knurrende Guramis (Trichopsis vittata), deren Lautbildung und Hörvermögen Ladich schon in früheren Arbeiten untersucht hat. Die Männchen erzeugen ihre knurrenden Geräusche bei Territorialkämpfen: Sie untermalen damit die erste Phase, bei der die Kontrahenten einander ihre gestreifte Seite präsentieren. Die Lautstärke und die Häufigkeit des Flossenknarrens geben dabei Aufschluss über Größe und Kampfbereitschaft des Gegners. Wenn diese Phase keine Entscheidung herbeiführt, folgt eine zweite, bei der sich die Kontrahenten mit offenem Maul gegenüberstellen und einander – stumm – drohen.

Wie jeder Partybesucher und U-Bahn-Benützer weiß, ist es bei hohem Hintergrundgeräuschpegel schwieriger, einen einzelnen Sprechenden zu verstehen. Diese Beeinträchtigung des Hörvermögens wird als Maskieren bezeichnet und ist die Basis des sogenannten Lombard-Effekts: Ein Sprecher beginnt unter diesen Umständen lauter zu reden. Das ist nicht nur bei uns Menschen so: Bei einem kleinen Karpfenfisch, der in Flüssen der südlichen USA vorkommt (Cyprinella venusta), konnte der Effekt auch nachgewiesen werden.

Gegner unterschätzen

Maskieren könnte jedoch auch handgreiflichere Auswirkungen haben: So könnten Knurrende Guramis bei Lärm die Größe ihres Gegenspielers unterschätzen und sich vielleicht häufiger auf Kämpfe einlassen. Das Szenario ist keineswegs realitätsfern: Motorboote und Kraftwerke sorgen in vielen Gewässern für erheblichen Krawall, über dessen Auswirkungen auf Fische wenig bekannt ist. "Die Frage ist, ob sie sich anpassen, etwa indem sie lautere oder längere Laute erzeugen", sagt Ladich.

Um das herauszufinden, wollen Ladich und Maiditsch ihre Guramis weißem Rauschen aussetzen und feststellen, wie sich ihre Hörschwelle im Vergleich zu Stille verlagert. Dann werden sie testen, wie das Rauschen die Auseinandersetzungen von Männchen beeinflusst. Und schließlich setzen die Forscher noch eins drauf und fügen der Versuchsanordnung einen Beutegreifer hinzu: In einem Nachbaraquarium soll dann gut sichtbar ein großer Buntbarsch herumschwimmen. Es wäre denkbar, dass die kleinen Fische ihr Gerangel unter diesen gefährlichen Umständen "diskreter" gestalten, also etwa mit seltenerem Flossensehnenzupfen begleiten. (Susanne Strnadl, 10.8.2019)