Ernie und Bert aus der "Sesamstraße" besuchen die Landungsbrücken in Hamburg, 2006.

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Du bist, was du siehst: Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte wurden immer wieder Studien durchgeführt, die die Auswirkungen von Fernsehen auf unseren IQ und unsere mentalen und sozialen Kompetenzen aufzeigen sollen. Dass derartige Studien bereits in den 70er- und 80er-Jahren durchgeführt wurden, berichtet die "New York Times". Als eine Art soziales Experiment fungierte eine bekannte Kinderserie: die "Sesamstraße".

In den ersten beiden Jahren nach der Erstausstrahlung der Serie wurden detaillierte Analysen durchgeführt – mit dem Ergebnis, dass knapp 80 Prozent des Inhalts darauf ausgerichtet sind, die Alphabetisierung sowie die mathematischen und die emotionalen Fähigkeiten der zusehenden Kinder zu fördern. Die restlichen 20 Prozent dienten der Unterhaltung.

Weitere Forschungen untersuchten dann die Entwicklung des Intelligenzquotienten jener Kinder zwischen drei und fünf Jahren, die regelmäßig Zugang zu der Serie hatten. Versuchsgruppen, die die "Sesamstraße" über einen Zeitraum von sechs Monaten regelmäßig zu sehen bekamen, zeigten einen Anstieg von bis zu 5,4 IQ-Punkten.

Ähnliche Ergebnisse wurden in anderen Untersuchungen erzielt, bei denen besonderes Augenmerk auf Kinder aus Familien mit niedrigerem Einkommen gelegt wurde. Nach sechs Monaten, in denen das nicht altersgerechte Fernsehprogramm der (Klein-)Kinder durch Bildungsfernsehen ersetzt wurde, schienen sich auch deren soziale Kompetenzen erhöht zu haben.

Böses Kabelfernsehen?

Unter anderem wurde der Zusammenhang zwischen IQ und Fernsehkonsum auch in Norwegen mehrfach untersucht. Tatsächlich wurde festgestellt, dass der durchschnittliche IQ der 1974 Geborenen um zwei Punkte höher war als jener von Personen, die 1987 geboren wurden.

In einem diesjährigen wissenschaftlichen Artikel wird eine potenzielle Erklärung für diesen Abstieg geliefert: Der norwegische Ökonom Øystein Hernaes bezog sich dabei auf die erhöhte Zahl von Menschen, die in diesen Jahren das Kabelfernsehen nutzten, und die Leserquoten, die nach der Einführung des Kabelfernsehens 1981 erheblich sanken.

Um diese These zu untermauern, wurden Untersuchungen durchgeführt, in denen Testteilnehmer mit Rücksichtnahme auf die Einführung der Kabelnetzinfrastruktur in ihrer Ortschaft, ihr Alter und vergleichbare Werte von Geschwistern mit höheren oder geringeren Kabelkonsumwerten analysiert wurden.

Ebenjene Testergebnisse bringen Forscher zu der Annahme, dass zehn Jahre, in denen man dem Kabelfernsehen "ausgesetzt" ist, durchschnittlich zu einem Rückgang von knapp 1,8 IQ-Punkten führen.

Was du siehst, ist, was du wählst?

Studien in Italien und den USA konnten zusätzlich zu dem TV-Konsum-IQ-Wert-Zusammenhang tatsächlich eine Verbindung zwischen der frühen Wahl des Fernsehprogramms und der späteren Präferenz für politische Parteien herstellen.

Dabei wurde festgestellt, dass Kinder, die in Gegenden aufgewachsen sind, die vermehrt Zugang zu Sendungen des Medienunternehmers Silvio Berlusconis hatten – also zu leichter Unterhaltung wie etwa Spielshows –, nicht nur niedrigere IQ-Werte als der Durchschnitt aufwiesen, sondern auch zu sozial weniger engagierten Erwachsenen heranwuchsen, die eher Parteien mit populistischen Tendenzen (Forza Italia oder die Fünf-Sterne-Bewegung) wählten.

In den USA erzielte Ergebnisse brachten Ähnliches zum Vorschein: Menschen mit einem erhöhten Konsum von Nachrichtensendern wie Fox News tendierten eher dazu, später die Republikaner zu wählen, jene mit einem Zugang zu Sendern wie MSNBC fühlten sich vermehrt den Demokraten zugehörig. (Stefanie Weissacher, 7.8.2019)