Bäche, Flüsse und Seen stehen meist in Austausch mit Grundwasser. Bricht die Verbindung ab, entsteht eine Kaskade von Problemen.
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Wer Mineralwasser trinkt, trinkt auch nur Grundwasser. Es fiel vielleicht schon vor Jahrtausenden als Regen zu Boden, um durch Erdreich und Sediment zu sickern. Sauerstoff und alles, was Mikroorganismen als Nahrung dienen kann, wurde ihm entzogen, Minerale und Salze lösten sich darin, bevor es an die Oberfläche gepumpt und in Flaschen abgefüllt wurde.

Meist geraten wir aber an wiederaufgetauchtes Grundwasser, das nicht in Flaschen abgefüllt ist. Das physikalisch, chemisch und biologisch gereinigte Wasser aus dem Boden speist Quellen und Oberflächengewässer aller Art. Es gestaltet in Mooren, Sümpfen und Feuchtgebieten eigene Ökosysteme. Wurzeln von Pflanzen können zum Teil auf die unterirdischen Wasserreservoirs zugreifen. In Brunnen wird es entnommen und in Wasserleitungen in Wohnhäuser verteilt.

Süßwasserreservoirs

Gerade in Zeiten, in denen eine herannahende Klimakatastrophe Wasser- und Kohlenstoffkreisläufe verändert, gerät auch das Grundwasser stärker in den Fokus der Wissenschaft. Welchen Einfluss werden häufigere Dürreperioden auf das Grundwasser haben? Werden Verschmutzungen langfristig die Reinigungskraft des Untergrunds überfordern?

Anfang 2019 übernahm Christian Griebler die Professur für Limnologie an der Universität Wien, in deren Rahmen er sich mit diesen Themen befasst. Nach Jahren am Institut für Grundwasserökologie des Helmholtz-Zentrums München, wo er eine Arbeitsgruppe für mikrobielle Ökologie aufbaute, kehrte der Oberösterreicher an seinen Studienort zurück.

"Auf etwa 20 Prozent der Landfläche weltweit ist Grundwasser so oberflächennahe, dass die Vegetation direkt darauf zugreifen kann", sagt Griebler. Im Untergrund befindet sich etwa hundertmal mehr Süßwasser als in Oberflächengewässern. Österreich, das beinahe den gesamten Trinkwasserbedarf aus Grund- und Quellwasser deckt, ist dank seines Anteils an den Alpen privilegiert. Doch gibt es keine Garantie auf hohe Grundwasserqualität. "Auch hier könnte es zu Schwierigkeiten kommen", warnt der Limnologe.

Langfristige Nitratprobleme

Pestizide, Düngemittel, Streusalz, Schadstoffe im Regen – die Bodenschichten filtern all diese Substanzen nach und nach aus dem Wasser. Bleiben die Stoffe im Grundwasser – etwa weil die Belastung steigt oder die Filterkraft nicht mehr ausreicht -, dann bleiben sie lange: "Grundwasser hat ein langes Gedächtnis. Wasser in 30 Metern Tiefe ist vielleicht auch schon 30 Jahre alt", erklärt Griebler. "Würde der Mensch plötzlich jegliche Düngung einstellen, hätten wir deshalb trotzdem noch 30, 40 Jahre lang ein Nitratproblem im Grundwasser."

Mit dem Klimawandel verschärft sich das Problem. Dürreperioden trocknen den Oberboden aus, sodass das Regenwasser – oft sind es dann Starkregenereignisse – schlecht aufgenommen werden kann. Es fließt oberflächlich ab, verdunstet oder nimmt den Weg der Bäche und Flüsse. Langfristig führt das zu geringerer Grundwasserneubildung. Gleichzeitig sinkt durch Trockenrisse im Boden, in die plötzlich große Wassermengen eindringen, auch die Reinigungswirkung – gerade in den dünnen Böden der Alpenregion.

Verstopftes Sieb

"Es ist wie wenn die Poren eines feines Siebes verstopft sind, man dafür aber drei große Löcher reißt", vergleicht der Wissenschafter. Mikroorganismen fehlt dann die Zeit, Schadstoffe abzubauen. "In Österreich wird es in naher Zukunft zwar nicht dramatisch, weil wir große Wassermengen haben. Aber lange Trockenphasen werden die Grundwasserqualität verschlechtern."

Die vielfachen Interaktionen zwischen Oberflächen- und Grundwasser hat auch Gabriele Weigelhofer im Blick, die sich im Wassercluster Lunz mit Bachlandschaften beschäftigt. Ort des Geschehens ist hier der Sedimentkörper unter dem Bach, der als Austausch- und Übergangszone dient. "Er ist die Kläranlage der Gewässer. Hier sind große Oberflächen vorhanden, auf denen sich Biofilme bilden, die Bakterien und Pilze tragen. Organisches Material wird aufgearbeitet, Sauerstoff verbraucht", erklärt die Hydrobiologin. Wasser sickert hier ein und wird zu Grundwasser. Dieses wird wiederum vielerorts an die Oberfläche gedrückt, um die Bäche zu speisen.

Viele Stressfaktoren

Auf trockenfallende Bäche können sich die Biofilme gut einstellen. Sie speichern Feuchtigkeit, bei neuem Wasserkontakt sind sie schnell reaktivierbar. Bei Trockenheit sinkt jedoch die Diversität der Arten weiter oben in der Nahrungskette. "Gerade das Zusammenwirken mehrerer Stressfaktoren lässt schwierige Situationen entstehen. Hier gibt es in der Forschung noch großen Nachholbedarf", sagt Weigelhofer.

Problematisch wird es, wenn die Verbindung von Oberflächen- und Grundwasser abbricht. "Die Schadstoffe konzentrieren sich dann im Bachwasser, es fehlen Verdünnung und Kühlung durch das Grundwasser. Bringt das einsickernde Bachwasser keinen Sauerstoff mehr in den Boden, können anoxische Zonen und potente Treibhausgase wie Methan oder Lachgas entstehen", sagt Weigelhofer. Im Herbst soll im Wassercluster Lunz eine neue Arbeitsgruppe entstehen, die auf weitere Aspekte der Grundwasserökologie fokussiert.

Die Grundwasserassel – eine von vielen Spezies im Boden.
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Während für Bäche, Flüsse und Seen längst ein Bewertungssystem für die Wasserqualität besteht, fehlt es noch an der Vergleichbarkeit von Grundwasserkörpern. "Oben" ist das Vorhandensein bestimmter Spezies ein Indiz für Wasserqualität. Man weiß: Forellen bevorzugen saubere Gewässer. Griebler und Kollegen möchten analog dazu die Lebewesen im Grundwasser zur Bewertung einsetzen. "In Europa sind etwa 1500 Arten beschrieben – kleine wirbellose Tiere wie Würmer, Krebse oder Milben. Wir vermuten aber, dass es zumindest zehnmal mehr sind", sagt Griebler. "Wir verlieren vermutlich bereits Arten, die wir nie kennengelernt haben."

Durch die hohe Anzahl unbekannter Arten sowie ihre unklare Verbreitung – es gibt viele endemische Arten – ist es schwierig, einzelne Arten als Marker zu nutzen. "Wir gehen deshalb vom Verhältnis von Tiergruppen zueinander aus. Gut abgeschirmtes und gereinigtes Grundwasser beinhaltet etwa mehr Krebse und weniger Würmer. Viele Würmer deuten auf Belastung hin." Auf diese Art könnte eine Landkarte über eine der wertvollsten Ressource entstehen, die die Menschen auf ihrem sich aufheizenden Planeten zur Verfügung haben. (Alois Pumhösel, 20.7.2019)