Rainer Weiss 2017 bei der Nobelpreisverleihung.

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Higgs-Teilchen, Gravitationswellen, Humangenomprojekt – um große wissenschaftliche Durchbrüche zu erzielen, ist es in vielen Bereichen der Grundlagenforschung notwendig, in großen internationalen Kollaborationen zu arbeiten. Die Vorteile daran sind offensichtlich: Gemeinsam können größere Apparaturen realisiert werden, als es für eine einzelne Forschungsgruppe möglich wäre. Doch es gibt auch Herausforderungen zu meistern: Welche Autoren stehen letztlich auf welchen Papers? Wie schaffen es Jungwissenschafter, in Großprojekten sichtbar zu werden?

Diesen Fragen widmete sich eine Podiumsdiskussion, die vergangene Woche im Rahmen der Lindauer Nobelpreisträgertagung vom österreichischen Wissenschaftsministerium organisiert wurde. Die Moderation übernahm Olaf Reimer, Professor für Astrophysik an der Uni Innsbruck.

Gravitationswellennachweis

Der US-Amerikaner Rainer Weiss erhielt 2018 mit Kip Thorne und Barry Barish den Physiknobelpreis für seine Beiträge zum Nachweis von Gravitationswellen. Er gab Einblicke, wie die Großkollaboration hinter dem Gravitationswellenobservatorium Ligo organisiert ist. Momentan gehören dem Zusammenschluss rund 100 Forschungsinstitutionen und 1000 Wissenschafter an. "Bei Publikationen, in denen neue Daten veröffentlicht werden, zählen alle Wissenschafter in alphabetischer Reihenfolge zu den Autoren", sagte Weiss. Wenn allerdings Analysen mit bereits publizierten Daten gemacht werden, steht dahinter oft nur ein kleines Autorenteam. Ebenso bei Publikationen zu technischen Aspekten.

Um sicherzustellen, dass Nachwuchs forscher auch in einem Großprojekt sichtbar werden und langfristig Karriere machen können, werden sie für externe Vorträge vorgeschlagen. "Wenn man sich für einen Job bewirbt, darf man außerdem mit einem Empfehlungsschreiben von den Top-Forschern des Projekts rechnen", sagte Weiss.

Gemeinsam erfolgreich sein

Die Doktorandin Rebecca Meißner nahm als eine von rund 560 Nachwuchsforschern an der Lindauer Nobelpreisträgertagung teil. Derzeit ist sie in einer kleinen Gruppe am Institut für Ionenphysik und Angewandte Physik der Universität Innsbruck tätig. Davor war sie ebenfalls an einer Großkollaboration beteiligt – dem Pierre-Auger-Observatorium. "Was ich an so einem großen Zusammenschluss am meisten geschätzt habe, war, dass man Zugang zu sehr vielen Experten hat. Sie wollen, dass das Projekt gelingt und dass jede Teilgruppe erfolgreich ist, deswegen sind sie sehr hilfsbereit", sagte Meißner in Lindau.

Letztlich musste sich Weiss auch die Publikumsfrage gefallen lassen, wie fair es ist, wenn drei Wissenschafter mit dem Nobelpreis ausgezeichnet werden für eine Entdeckung, an der 1000 beteiligt waren. "Um ehrlich zu sein, ich habe mich geschämt", sagte Weiss. "Ganz abstrakt gesprochen: Die drei Personen, die für die Gravitationswellen ausgezeichnet worden sind, waren nicht die schlechteste Wahl. Aber man hätte auch drei andere Personen auswählen können, und diese Entscheidung wäre beinahe genauso gut gewesen." (Tanja Traxler, 10.7.2019)