Der häufige Griff zum Smartphone kann im Körper eine Stressreaktion auslösen. Das ist auf Dauer ungesund.

Foto: Chaichan Ingkawaranon

Für die meisten Menschen ist das Handy zum ständigen Begleiter geworden. Zu Hause, in der U-Bahn, im Restaurant und sogar während der Arbeitszeit fällt es vielen zunehmend schwer, die Finger vom Smartphone zu lassen. Es kann ja nicht schaden, schnell die neuesten Benachrichtigungen zu checken, oder?

Einige Wissenschafter sind da anderer Meinung. Experten warnen, dass durch die vermehrte Smartphone-Nutzung der Cortisol-Spiegel im Körper chronisch erhöht wird. "Ihr Cortisol-Spiegel steigt, wenn Sie Ihr Telefon in Blickweite oder in der Nähe liegen haben, es hören oder auch nur glauben, es zu hören", sagt David Greenfield, Professor für klinische Psychologie an der University of Connecticut School of Medicine und Gründer des Zentrums für Internet- und Technologiesucht, in der "New York Times".

Ständige Alarmbereitschaft

Das Handy agiert zwar nicht als physischer, aber als emotionaler Stressfaktor. Wir stehen konstant unter dem Druck, nichts verpassen zu dürfen. "Das ist eine Stressreaktion, die sich unangenehm anfühlt, und die natürliche Reaktion des Körpers ist es, zum Handy zu greifen, um diesen Stresszustand zu beenden", erklärt Greenfield.

Evolutionär gesehen ist Cortisol ein wichtiges Stresshormon, das den Blutdruck und den Puls hochtreibt, um den Körper im Ernstfall auf Kampf oder Flucht vorzubereiten. Da wir unser Mobiltelefon weder bekämpfen noch davor weglaufen sollten, ist die gesteigerte Cortisol-Ausschüttung in diesem Fall keine wünschenswerte und angemessene physiologische Reaktion.

Speziell der Druck, sofort auf neue Nachrichten antworten zu müssen, macht vielen Menschen zu schaffen. Der Blick aufs Handy führt zwar zu einer kurzen Phase der Entspannung, die bald darauf aber von der nächsten Stresswelle abgelöst wird. Um die Unruhe abzubauen, wird erneut zum Smartphone gegriffen – durch den Zwang, keine Neuigkeiten zu verpassen, beginnt der Teufelskreis von vorne. Auch das österreichische Institut für Suchtprävention beschreibt auf seiner Informationsseite zur Smartphonesucht die Angst davor, Neuigkeiten zu verpassen ("Fear of missing out"), als einen der Hauptstressfaktoren.

Was genau leidet

Ein chronisch erhöhter Cortisol-Spiegel wird mit einer Vielzahl von Krankheiten assoziiert. Dazu zählen etwa Übergewicht, Typ-II-Diabetes und hoher Blutdruck sowie ein erhöhtes Schlaganfall- und Herzinfarktrisiko. "Jede chronische Erkrankung, die wir kennen, wird durch Stress verschlimmert. Unsere Mobiltelefone tragen definitiv dazu bei", sagt der US-Endokrinologe Robert Lustig.

Neben den gefährlichen Langzeiteffekten eines erhöhten Stresslevels kann es durch den erhöhten Cortisol-Spiegel auch zu direkten Auswirkungen auf unser Gehirn kommen. Das Cortisol wirkt auf den sogenannten präfrontalen Cortex. Dieses Hirnareal ist insbesondere beim Planen und Lösen von Problemstellungen aktiv. Ist der präfrontale Cortex beeinträchtigt, haben wir weniger Selbstkontrolle und würden dümmere Entscheidungen treffen, erklärt Lustig.

Auszeiten nehmen

Wie kann man den Handystress nun aktiv reduzieren, um sich vor den negativen Folgen zu schützen? Bruce McEwen, Leiter des Labors für Neuroendokrinologie an der Rockefeller-Universität, merkt an, dass es möglich sei, den Stress-Teufelskreis zu durchbrechen und das Gehirn so zu trainieren, dass Stressreaktionen verringert werden. Um das zu erreichen, kann es hilfreich sein, alle unwichtigen Benachrichtigungen am Smartphone zu deaktivieren und nach Möglichkeit diejenigen Apps ausfindig zu machen, die für einen selbst das größte Stresspotenzial bergen. Hier ist Selbstreflexion vonnöten, um herauszufinden, welche Applikationen das Handy wirklich zur Stressquelle machen.

Als Nächstes ist Selbstdisziplin gefragt. Am sinnvollsten ist es, die entsprechenden Apps vom Handy zu entfernen oder zumindest in einem eigenen Ordner zu verstecken, um nicht dazu verleitet zu werden, sie zu benutzten. Auch regelmäßige Auszeiten, in denen man das Mobiltelefon gar nicht benutzt, können zur Entspannung und zum Ausbrechen aus der Stressspirale beitragen. Diese Form der "Digitalen Diät" wird auch in einer Studie der Plattform "Saferinternet" empfohlen.

Ein weiterer wichtiger Faktor, um gesund zu bleiben, ist ausreichend Schlaf. Sieben bis acht Stunden seien notwendig, um unseren Cortisol-Spiegel im Rahmen zu halten, so McEwan. Sonst sei der Körper noch anfälliger für Stress und stressbedingte Erkrankungen. (red, 12.7.2019)