Paddler erleben den spanischen Süden aus einer völlig anderen Perspektive und finden sogar weit im Landesinneren hübsche Strände.

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Triana ist für den Flamenco bekannt. In diesem Stadtteil von Sevilla sind auch renommierte Ruderclubs zuhause.

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Ruderer auf dem Guadalquivir bei Sevilla.

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Der Guadalquivir bei Córdoba.

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Panorama des Stausees La Breña bei Almodóvar del Río, auf der anderen Seite Córdobas.

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Irgendwoher sind die schnellen Melodien einer Flamenco-Gitarre zu hören, jemand klatscht rhythmisch dazu. Gelächter und angeregte Gespräche dringen aus den kleinen Restaurants mit ihren Terrassen hin zum Fluss. Auf der Brücke von der Altstadt Sevillas hinüber nach Triana schieben sich die Besuchermassen. An den Uferpromenade sitzen die Menschen und schauen aufs Wasser.

Von hier unten erreicht uns die Geräuschkulisse wie aus einer anderen, fernen Welt. Unser Kanu gleitet sanft durch das Wasser der Dársena, wie der alte Flusslauf von Sevilla heißt. Es ist der frühere Hafen der Stadt. Hier legten einst die Schiffe an, die vollbeladen aus dem neu entdeckten Amerika kamen. Namen wie Muelle de la Sal (Salzkai) oder die alte Tabakfabrik zeugen bis heute davon.

Emblematisch

1992 wurde der alte Hafen zur Weltausstellung mit einem weiteren Mäander – dem von San Jeronimo – verbunden. Was so entstand, ist eine urbane Flusslandschaft mit Promenade, Parks und Lokalen am Wasser. Auf Dársena trainieren Ruderer und verkehren Ausflugsschiffe. Der eigentliche Fluss Guadalquivir fließt nach wie vor weiter westlich an der Stadt vorbei.

Begonnen hat unsere Paddeltour am nördlichen Ende der Dársena, an der einem Segel ähnelnden Brücke, die zum Alamillo-Park auf der rechten Seite des Wassers führt. Für das emblematische Bauwerk zeichnet der Stararchitekt Santiago Calatrava verantwortlich. Dort auf der Isla de la Cartuja, die eigentlich eine Halbinsel ist und 1992 die Expo in Sevilla beherbergte, befindet sich ein Parkplatz und zwei Anleger für Kanus und Kajaks. Vorbei an mehreren Ruder- und Kajakclubs geht es gegen Süden. Am linken Ufer tauchen die charakteristische Gebäuden auf, die einst verschiedenen Ländern als Ausstellungshallen bei der Weltausstellung dienten. Nach einer langgezogen Kurve erreichen wir die Altstadt auf der einen und den Stadtteil Triana auf der anderen Seite.

Heimat des Flamencos

Vom Wasser aus bietet sich eine Kulisse, die so nicht nur in Spanien kaum zu überbieten ist. Die Türme der Kathedrale, die Stierkampfarena Real Maestranza und der Goldene Turm – Torre de Oro – ein arabisches Bauwerk aus dem 13. Jahrhundert, bestimmen den Blick am linken Ufer. Auf der anderen Seite liegt Triana, der wohl am meisten besungene Stadtteil in ganz Andalusien. Denn die Heimat einfacher Leute ist auch Heimat des Flamencos. Sevilla ist für die Bewohner Trianas nur eine Stadt auf der anderen Seite des Wassers, die erst seit 160 Jahren per Brücke zu erreichen ist.

Bis zur Delicias-Brücke ist der alte Fluss Sevillas für Wassersportler frei. Danach beginnt der moderne Hafen und damit ein absolutes Fahrverbot für muskelbetrieben Wasserfahrzeuge. Wer die Ozeandampfer sieht, die vom rund 90 Kilometer entfernten Atlantik den Guadalquivir heraufkommen, weiß warum.

Der Guadalquivir ist mit seinen 657 Kilometer Länge der größte Fluss Andalusiens. Er entspringt in den Bergen von Cazorla und mündet, nachdem er Sevilla und die Feuchtgebiete des Nationalparks Doñana hinter sich gelassen hat, bei Sanlúcar de Barrameda ins Meer. Der Name Guadalquivir klingt auch für spanischsprechende Menschen ungewohnt. Er stammt aus dem Arabischen. Oued al-Kebir, Großer Fluss, nannten die muslimischen Herrscher von Al-Andalus den Strom, der den schon im römischen Reich den Transport von Gütern ermöglichte und half, weite Landstriche zu bewässern. Als die Christen Andalusien im 15. Jahrhundert endgültig zurückeroberten, behielten sie den Namen bei, auch wenn die Schreibweise unter den neuen Herrschern deutlich litt.

Beruhigte Gewässer

Wer Lust auf Natur hat, ist auf dem Guadalquivir ebenfalls richtig. Einer der unzähligen Abschnitte seines Mittellaufes, die zum ruhigen Paddeln einladen, ist bei Villafranca, zehn Autominuten flussauf von Córdoba. Seit arabischen Zeiten ist der Fluss immer wieder von Staudämmen unterbrochen. Die beruhigen das Gewässer und machen es möglich, sowohl mit als auch gegen den Strom zu paddeln.

Auch in Villafranca beginnt die Tour an einem Anleger unterhalb der Brücke. Der Frühnebel mischt sich mit dem Dampf aus einer nahgelegenen Presse für Speiseöl. Andalusien riecht hier tatsächlich nach Oliven. Im tiefgrünen Wasser spiegeln sich die Trauerweiden, Fischreiher verlassen laut protestierend ihren Beobachtungspunkt auf alten Stämmen, die aus dem Wasser ragen, sobald wir uns ihnen nähern.

Das Becken des Guadalquivir ist ein großes Mosaik aus Nebenflüssen und Stauseen. Viele dieser Seen laden ebenfalls zum Paddeln ein, ihre hübschen Strände zum Baden. Einer dieser Seen ist La Breña bei Almodóvar del Río, auf der anderen Seite Córdobas. Der Bevölkerung von Córdoba, einer der heißesten Orte Spaniens, dient er als Ersatz für das weit entfernte Meer. Sie baden hier, fahren Wasserski oder segeln.

Toleranz statt Fundamentalismus

Neben Sevilla und Andujar ist die einstige Hauptstadt von Al-Andalus, Córdoba, eine der drei Städte am Guadalquivir, die unter den arabischen Herrschern zur Blüte gelangten. Die riesige Moschee in deren Zentrum die christlichen Eroberer eine Kathedrale errichten ließen, zeugt ebenso von der Bedeutung des arabischen Córdobas, wie die alte Universität. Zu Zeiten des europäischen Mittelalters regierte hier Toleranz statt christlichem Fundamentalismus. Die Hochschule war eines der wichtigsten Zentren für Wissenschaft, Medizin, Sprache und Kultur der damals bekannten Welt.

Nach einem langen Tag im Kanu ist die Altstadt von Córdoba ein feiner Ort, um einmal die Beine auszustrecken. Die verwinkelten Gässchen mit ihren arabischen Bädern und ihren alten Häusern und Palästen bieten sich für einen Spaziergang an, der fast immer damit endet, dass man sich verirrt hat. Bis plötzlich wieder der Guadalquivir auftaucht und einem den Weg weist. (Reiner Wandler, 25.6.2019)