Es gibt sogenannte Nacht- und Tagmenschen – "Eulen" und "Lerchen". Wer nachtaktiv ist, sollte seine Zeit besser nutzen als mit dem Zählen von Schäfchen.

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Das Gefühl, matt und unausgeschlafen zu sein, kennt fast jeder. In Österreich leidet rund jeder Vierte unter einer Schlafstörung. Dabei gilt es zu unterscheiden, ob jemand subjektiv zu wenig Schlaf hat oder tatsächlich weniger als die empfohlenen sieben bis acht Stunden pro Nacht schläft. "Beides ist aber ernst zu nehmen, denn auch nicht erholsamer Schlaf ist ein Hinweis darauf, dass etwas nicht stimmt", erklärt Birgit Högl, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung sowie Leiterin des Schlaflabors und der Spezialambulanz für Schlafstörungen an der Universitätsklinik für Neurologie in Innsbruck.

Schlafmangel heißt nicht automatisch Schlafstörung

Nicht alles, was zu Schlafmangel führt, ist eine Schlafstörung. Manche Menschen sind zum Beispiel nachts aktiver, andere in der Früh. "Als Problem wird dieser Unterschied zwischen 'Eulen' und 'Lerchen' meist nur dann gesehen, wenn zwei Lebenspartner unterschiedliche Schlafgewohnheiten haben", sagt Alexander Kunz, Facharzt an der Universitätsklinik für Neurologie des Uniklinikums Salzburg.

Auch Schlafwahrnehmungsstörungen kommen vor. Zum Beispiel dann, wenn jemand tagsüber völlig erholt ist, aber glaubt, zu wenig zu schlafen. "Es könnte sich aber auch um einen Kurzschläfer handeln oder um jemanden, der ganz einfach nicht erkennt, wie viel er eigentlich schläft", erklärt Kunz.

Tatsächlicher Schlafmangel wirkt sich Studien zufolge langfristig negativ auf den Organismus aus und fördert etwa Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes oder das Demenzrisiko. Chronischer Schlafmangel steigert laut Experten außerdem das Schlaganfall- und Herzinfarktrisiko und kann Depressionen begünstigen. Weil Schlaf die Immunabwehr erhöht, kann ein Mangel zu einer Erkrankung des Immunsystems führen.

Konzentrationsstörungen

Wer zu wenig schläft, neigt außerdem zu Fehlern, Unfällen, ineffizienter Arbeit, ist unaufmerksam und unkonzentriert. "Viele Verkehrsunfälle werden durch Sekundenschlaf ausgelöst, man geht von bis zu 40 Prozent aus", sagt Kunz. Auch von Menschen verursachte Katastrophen seien zum Teil auf übermüdete Mitarbeiter zurückzuführen.

Mediziner unterscheiden vor allem zwischen chronischen und nichtchronischen Schlafstörungen. Bei einer chronischen, also länger anhaltenden Schlafstörung ist die Ursachenforschung das A und O: "Man muss herausfinden, was genau dahintersteckt. Auch um andere Erkrankungen, die von der Schlafstörung womöglich verursacht werden, erkennen beziehungsweise ausschließen zu können", sagt Högl.

Wann der Arzt gefragt ist

Die Gefahren von chronischem Schlafmangel dürfen nicht unterschätzt werden. Wer aber nur von Zeit zu Zeit das Gefühl hat, schlecht zu schlafen, braucht sich nicht gleich übertriebene Sorgen zu machen. "Dass man vorübergehend schlechtere Nächte hat, ist normal. Wenn die Schlafprobleme aber über einen längeren Zeitraum andauern und sich Betroffene dadurch belastet und beeinträchtigt fühlen, sollten sie einen Arzt aufsuchen", erklärt Fachärztin Högl. Neurologe Kunz empfiehlt: "Wer mindestens einmal im Monat und dann mindestens an drei Tagen pro Wochen Schlafstörungen hat und zusätzlich an Tagesmüdigkeit leidet, sollte das abklären lassen."

Beim chronischen Schlafmangel reicht häufig eine ausführliche Anamnese beim Spezialisten aus, um mögliche Ursachen zu erkennen und zu behandeln. Der Gang ins Schlaflabor steht erst am Ende, wenn bereits alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Dort wird das Schlafverhalten mindestens eine, im Idealfall aber zwei oder mehr Nächte lang mittels Elektroden, Detektoren, EKG (Elektrokardiogramm), Infrarotkamera und Mikrofon gemessen.

Ursachen für chronische Schlafstörungen

Chronische Schlafstörungen können auf Umgebungsfaktoren wie ein zu hartes Bett oder Lärm durch die Nähe zu einem Flughafen oder einer stark befahrenen Straße zurückgehen. Das kann zur psychischen Belastung werden, die den Schlaf zusätzlich negativ beeinflusst. Auch Medikamente können Schlafstörungen hervorrufen, etwa entwässernde Arzneien, weil man nachts häufig auf die Toilette muss.

Zu den häufigen Ursachen einer chronischen Schlafstörung, die relativ oft nicht ausreichend erkannt beziehungsweise behandelt werden, zählt das Restless-Legs-Syndrom. Die schlafbezogene Bewegungsstörung hat meistens auch genetische Ursachen und führt bei manchen Patienten zu einem unruhigen Schlaf.

Atemaussetzer durch Schlafapnoen

Ebenfalls häufig unerkannt ist die sogenannte Schlafapnoe, von der Männer eher betroffen sind als Frauen. Bei der schlafbezogenen Atmungsstörung kommt es in der Nacht immer wieder zu Atemaussetzern. "Wer am obstruktiven Schlafapnoesyndrom leidet, schläft zwar vielleicht neun oder zehn Stunden lang. Da der Schlaf aber nicht tief genug ist, fühlt man sich am nächsten Tag trotzdem müde und gerädert", erklärt Kunz.

Auch eine Störung der inneren Uhr kann den nächtlichen Schlaf beeinflussen. Darüber hinaus gibt es internistische Erkrankungen wie eine Schilddrüsenerkrankung oder Tumoren, unterschiedliche Arten von körperlichen Schmerzen und psychische Erkrankungen wie Depressionen, die zu einem schlechten Schlaf führen können.

Das Schlafen "verlernen"

Werden keine konkreten Ursachen gefunden, kommt Kunz zufolge eine sogenannte psychophysiologische Insomnie infrage. Das bedeutet, dass jemand aufgrund eines in der Vergangenheit liegenden Auslösers wie zum Beispiel Stress am Arbeitsplatz das Schlafen langfristig "verlernt" hat. Die Schlafstörung wurde zum chronischen Leiden und bleibt auch dann bestehen, wenn der Auslöser längst behoben ist.

Simpel gesagt sind es aber auch oft einfach nur Stress und Überbelastung, die uns schlecht schlafen lassen. "Multitasking im Alltag, vielfache Belastungen, Prüfungssituationen oder auch die Gefährdung des Arbeitsplatzes können jemanden um den Schlaf bringen", weiß Högl.

Bevor ein Arzt aufgesucht wird, kann man versuchen, die Ein- oder Durchschlafprobleme mittels "Schlafhygiene" zu beseitigen. Darunter versteht man einfache Änderungen im alltäglichen Tun, die eine große Wirkung zeigen können. Dazu zählt etwa das Vermeiden von spätem Essen, Koffein, Alkohol und anderen Rauschmitteln.

Melatonin gibt Tag-Nacht-Rhythmus vor

Generell sollte das Bett ein Rückzugsort sein, der nur zum Schlafen aufgesucht wird. Wichtig ist es auch, zwischen Tag und Nacht eine Ruhephase zu schalten. Das heißt: nicht bis kurz vor dem Einschlafen am Computer arbeiten oder sich mit heiklen Themen befassen.

"PC und Smartphones signalisieren uns durch die Bildschirmbeleuchtung, dass noch Wachzeit ist, die Tätigkeiten halten außerdem geistig wach", klärt die Expertin auf. Kunz: "Auch der Fernseher gehört aus dem Schlafzimmer verbannt."

Das Hormon Melatonin ist für die innere Uhr zuständig und steuert den Tag-Nacht-Rhythmus des Körpers. Bei Dunkelheit wird es normalerweise vom Gehirn ausgeschüttet, bei Helligkeit gehemmt. Wer gern vor dem Einschlafen am E-Reader oder am Smartphone liest, sollte diese Gewohnheit hinterfragen. Denn: "Selbst durch kurzes Betrachten des hellerleuchteten Bildschirms wird die Melatoninausschüttung des Körpers unterdrückt", erklärt Högl.

Körpertemperatur absenken

Darüber hinaus schläft der Mensch am besten ein, während die Körpertemperatur absinkt. Gerade über Hände und Füße gelingt es gut, Wärme abzuführen, da sie eine große Hautoberfläche haben. Dass man sich im Bett warme Socken anziehen oder sich vor dem Zubettgehen ein heißes Fußbad gönnen soll, ist deshalb keine Mär. "Alles, was die Körpertemperatur erhöht, damit sie während der Einschlafphase wieder abgesenkt werden kann, ist günstig", empfiehlt Högl.

Von der Einnahme von Schlafmitteln bei nichtchronischen Schlafstörungen rät Neurologe Kunz ab. Er empfiehlt eher Hausmittel wie warme Milch mit Honig oder Bananenmilch, weil das darin enthaltene Serotonin beruhigend auf den Körper wirke. Auch mit Entspannungsübungen könne man viel erreichen. Zusätzlich helfe es, den Wecker auf dem Nachtkästchen umzudrehen, um nicht ständig an die fortschreitende Zeit erinnert zu werden.

Zu guter Letzt solle man sich es nicht zu sehr zu Herzen nehmen, wenn man nur vereinzelt schlecht oder wenig schläft, empfiehlt Kunz. "Am besten einfach wieder aufstehen und etwas Entspannendes machen – aber nicht fernsehen." Wen Sorgen quälen, dem rät er, es sich auf dem Sofa bequem zu machen und zu versuchen, die Probleme aufzuschreiben oder Lösungsansätze zu finden. (Maria Kapeller, 27.11.2017)